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"Hast du es ihr gesagt?", wollte ich von ihm wissen, als wir in unsere Strasse einbogen. Aiden schüttelte den Kopf. Ich öffnete schon meinen Mund um ihm zu sagen, dass er dies tun sollte, da sprach er.

"Ich werde es ihr heute sagen",  versprach er. Erleichtert und unwissend, was ich darauf antworten sollte, nickte ich einfach, während Aiden sich konzentrierte und sein Auto vor dem Haus parkierte. Meine Augen wurden gross, als ich das Auto meiner Eltern durch die Fensterscheibe erblickte. Ungehindert breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Unsere Eltern waren selten den Tag durch zuhause oder auch nur in der Stadt, weshalb ich und Alisha sie immer schrecklich vermissten. Sie waren die besten Eltern, die man haben konnte. Als wir noch klein waren haben sie uns im Homeschooling unterrichtet und so konnten wir sie um die ganze Welt begleiten. Mit der Zeit wurde es aber zu langweilig immer nur so zu zweit und wir wollten in eine Schule gehen, in der wir bleiben konnten, ohne die nächste Woche wieder weiterzuziehen. So kam es, dass wir hier zur Schule gingen und ich die beste aller besten Freundinnen kennenlernte. Sport mochte sie schon damals nicht.

"Da freut sich aber eine", Aiden zwinkerte mir mit einem verschmitzten Lächeln zu, gurtete sich ab und stieg aus. Ich tat es ihm nach, nahm meine Schultasche, schaute einmal nach Aiden, dieser stand schon auf der Eingangstreppe und sprintete los ins Haus. Meine Schultasche machte unsanfte Bekanntschaft mit dem Boden, doch ich schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. 

"Mausi!", begrüsste mich mein Vater, als ich ins Wohnzimmer stürmte ihm direkt in die Arme. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte umarmte ich ihn, bevor ich mich löste und mich nach meiner Mutter umsah. Diese konnte ich nirgends ausmachen, doch ich konnte das freudige Lächeln auf Aidens Gesicht sehen, der meine Schultasche netterweise auf einen Stuhl gestellt hatte, sich an den Türrahmen lehnte und uns beobachtete. "Oh. Hallo Aiden", begrüsste mein Vater ihn mit einem freundlichen Lächeln. Ich bin mir nicht sicher, ob er weiss, dass Alisha und Aiden eine Affäre haben, besser gesagt hatten, wenn Aiden ernst meint, was er sagte. Auf jeden Fall verstanden die beiden sich seit dem ersten Mal, als sie sich begegnet waren. 

"Achtung!", rief eine Stimme, die meine Augen aufleuchten liess hinter Aiden. Mamas Gesicht wurde von fünf Pizzakartons verdeckt und hinter ihr balancierte Alisha drei Ein-Literflaschen. Eine Coca Cola, eine Apfelschorle und eine Sprite. All dies wurde auf dem Sofatisch abgestellt, bevor ich in die Arme meiner Mutter gezogen wurden und ich ihren Duft einatmen konnte. 

"Warum habt ihr mir nicht mitgeteilt, dass ihr hier sein werdet?", wollte ich wissen und sah fragend von meiner Mutter zu meinem Vater und wieder zurück. Auf deren Gesichtern machte sich ein leichtes Lächeln breit. Sie sahen sich kurz an und...

"Überraschung!", riefen sie im Chor, woraufhin Aiden in schallendes Lachen ausbrach. Er bekam dafür vier anklagende Blicke, für die er nicht mehr als ein Schulterzucken übrig hatte. 

"Diese Ansage kam ein wenig später als üblich", meinte er und liess sich grinsend aufs Sofa plumpsen. 

"Üblich ist langweilig", gab meine ganze Familie synchron von sich, worauf wir ebenfalls ein Grinsen nicht unterdrücken konnten. Ich liess mich neben Aiden auf dem Sofa nieder. Alisha setzte sich neben mich und unsere Eltern machten es sich auf je einem Sessel bequem. Aiden schüttelte lächelnd den Kopf und musterte meine Eltern. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. 

"Stimmt. Üblich und normal ist langweilig", stimmte er schliesslich leise zu. Ich selbst liess meinen Blick über das Essen und die Flaschen auf dem Sofatisch wandern. 

"Becher fehlen", bemerkte ich und stand auf, um diese zu holen, doch Alisha war schneller. Sie rannte an mir vorbei in die Küche und streckte mir beim vorbeigehen die Zunge raus. Sie ist überdreht. Eindeutig.

"Ich gehe Alisha helfen", verkündete Aiden und sah mich dabei aufmunternd an. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Hä?! So wie meine Eltern Aiden und Alisha nachschauen, bin ich nicht die einzige, die die Welt nicht mehr versteht. 

"Die werden es jetzt doch nicht in der Küche treiben", fragte mein Papa und zog die Augenbrauen misstrauisch zusammen. Ich konnte ihm nicht antworten, denn ich wusste die Antwort nicht. Aiden und Alisha. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Er wollte es doch mit ihr beenden. Wird er einen Rückzieher machen? Wieso denke ich überhaupt darüber nach. Solche Sorgen brauche ich mir nicht zu machen, Alisha wird es gut gehen, sie ist keine kleine Prinzessin. Doch das flaue Gefühl in meinem Magen liess nicht nach, egal mit welchen Gedanke ich auch versuchte es zur Ruhe zu zwingen. 

"Ich habe Alisha Anstand und Respekt gelehrt und um die Manieren musstest du dich kümmern", meine Mutter boxte ihrem Mann verspielt grinsend gegen die Schulter. Die Augenbrauen meines Vaters schossen in die Höhe. Nicht schon wieder diese Diskussion. 

"Anstand und Manieren bedeuten das gleiche mein Engel", verkündete er und sah Mama herausfordernd an. Diese nahm die Herausforderung natürlich an, ansonsten wären die beiden nicht meine Eltern. 

"Nein. Ich habe letztes Mal gegoogelt, weisst du nicht mehr?"

"Was stand denn da Schatz?" Meine Mutter dachte angestrengt nach. 

"Ich weiss nicht mehr was da stand, aber ich weiss noch, dass du die Diskussion verloren hast, also nimm gefälligst Verantwortung als Elternteil und sieh ein, dass Anstand und Manieren zwei verschiedene Dinge sind", verlangte sie mit verschränkten Armen, während mein Vater sie unentschlossen ansah. Er warf mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem Achselzucken beantwortete. Da steckt er selbst drin. 

"Wie ist die Anerkennung von diesem Unterschied mit dem Eltern sein verbunden?", wollte mein Vater wissen. Genau in diesem Moment trat Alisha, gefolgt von Aiden in den Raum. Es scheint, als hätte sich nichts verändert zwischen den zweien. Zweifel breiteten sich über meinen Gedanken aus. Vielleicht hätte ich Aiden einfach nicht zuhören sollen. Wieso interessierte es mich überhaupt. Bin ich irgendwann auf den Kopf gefallen und habe es nicht mitgekriegt. Alisha trug drei Gläser. Je eines für unsere Eltern und eines für sich. Aiden hielt mir eines hin, welches er in seinen Händen hier her getragen hatte. Er setzte sich wieder neben mich, sowie auch Alisha auf der anderen Seite. Unsicher sah ich von Alisha zu Aiden. Als hätte er meinen Blick bemerkt, wanderten seine Augen zu meinen. 

Und da hatte ich den Beweis. Ich muss wirklich irgendwann auf den Kopf gefallen sein. Erinnerungen daran hatte ich keine und Schmerzen fühlte ich auch nicht, doch dass ich mir einbildete, dass Aidens Augen kurz aufleuchteten als sie meine einfingen, bewies es. 

Deins?! Auf gar keinen Fall!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt