Die nächsten Tage verliefen alle gleich. Tony wollte aufstehen, Rhodey, Bruce und Nat mussten ihn davon abhalten. Nebula hatte die Wunde gut versorgt, wenn man die Umstände und begrenzten Ressourcen betrachtete, die das gestrandete Raumschiff mit sich gebracht hatte, aber die Entzündung brauchte einfach Zeit um abzuklingen. Trotz hochmoderner medizinischer Möglichkeiten.
Im Computerraum wurde fieberhaft nach Zeichen des irren Titans gesucht. Langstreckenscans, Signaturenfilter... Nichts. Es war, als wäre Thanos aus jeder ihnen bekannten Galaxie verschwunden. Oder wie Rocket es immer so treffend zynisch bemerkte: Aus dem kleinen System, dass die Erdlinge kannten. Und dem Rest des großen Sandkastens, den Nebula und er kannten.
Carol Danvers, die unter der Zivilbevölkerung oft nur als Captain Marvel bekannt war, hatte sich vor ein paar Stunden auf einen erneuten Erkundungsflug aufgemacht. Noch immer hing ihr der Verlust von Nicholas Fury nach. Einem ihrer ältesten und engsten Freunde.
Thor hatte sich mittlerweile zu einem schier hoffnungslosen Fall entwickelt. Der Tod seines Bruders und sein Versagen im Kampf gegen Thanos hatten ihn mental gebrochen.
Er saß den Großteil der Zeit schweigend irgendwo in einer dunklen Ecke oder in seinem Zimmer.
Gedanklich immer wieder damit beschäftigt, dass er all das hier hätte verhindern können, wenn er Thanos nur den Kopf abgeschlagen und nicht seine Axt in dessen Brustkorb versenkt hätte.
*Du hättest auf den Kopf zielen sollen.*
Die zynischen Worte des lilahäutigen Mistkerls drehten sich in den Gedanken des Donnergottes immer wieder im Kreis. Vermischten sich mit dem fast schon abartig triumphierenden Grinsen und dem Schmerz, den Thor empfunden hatte, als er von ihm weggeschleudert worden war.
Versagt... Er hatte versagt. Und seine Familie war umsonst gestorben.
*Loki, Odinsohn...*
Der Blick seines Bruders, bevor Thanos ihm das Genick gebrochen hatte... Niemals würde er ihn vergessen. Egal was in den mehr als tausend Jahren ihrer gemeinsamen Existenz auch immer zwischen ihnen passiert war...
Loki war sein Bruder.
Seine Familie....
Es war tiefe Nacht, als der Donnergott Schritte in seine Richtung hörte. Während jeder vergangenen Nacht in der letzten Zeit, wanderte Steve Rogers unruhig durch die Gänge des neuen Hauptquartiers. Sie grüßten sich mit einem kurzen Kopfnicken, dann verschränkte der Blonde die Arme hinter dem Rücken und lief weiter.
Thor, der immer großen Respekt vor Steve und auch Tony gehabt hatte, ahnte, dass es dem Soldaten ähnlich ging wie ihm selbst. Der Menschen beraubt, die seine viel zu lange Existenz erträglich gemacht hatten, fühlte er sich ebenso allein wie der Gott des Donners.
Ihre Zeit war nicht diese Zeit, und doch konnten sie eine andere nicht wählen. Sie waren wie zwei lebende Relikte von etwas, das dereinst richtig und heute nur noch... Ja was?
Wichtig?
Nötig?
Oder einfach praktisch war..
Wesen, die für Hoffnung standen. Für Stabilität und Stärke. So wie große Herrscher und Götter es von jeher taten. Wesen, zu denen man aufsehen konnte... Wenn man nicht hinter den Vorhang der Realität schaute.
Ein tiefes Seufzen ließ den massigen Körper regelrecht zusammenfallen, als er seine Ellenbogen auf die Knie stützte und den Kopf sinken ließ.
Götter und Herrscher... Sie hatten eins gemeinsam. Sie starben wie sie gelebt hatten: Einsam.
Steves Lungen füllten sich mit der kühler werdenden Luft der Nacht, als er sich unter einen der Bäume ganz am Rand des Areals setzte. Die Sterne waren von den grauen Wolken am Himmel zugedeckt, so dass kein Licht den Nachthimmel erleuchten wollte. Der philosophische Funken in ihm fand diesen Zustand sehr passend zur allgemeinen Stimmung. Als wolle sich alles Licht verbergen.
*Raus.*
Seit seinem kurzen Besuch bei Tony vor ein paar Tagen ging ihm dessen Blick bei diesem Wort nicht aus dem Sinn. Er wusste, sein Freund hatte jedes Recht ihn zu verurteilen, doch hatte er gehofft, dass...
Ja was? Dass Tony ihm mittlerweile vergeben hatte? Vielleicht...
Aber viel mehr noch hatte Steve sich gewünscht, dass zumindest ein normales Gespräch mit dem Mann möglich war, dessen Meinung und auch Geradlinigkeit er immer geschätzt hatte.
Wenn er ihn schon nicht... lieben durfte. Dann doch wenigstens respektieren und, ja... schätzen, oder?
Tony war der Erste nach seinem Erwachen aus dem Eis, der ihn nicht behandelt hatte wie ein rohes Ei oder eine Ikone. Er hatte ihn nach Taten, nicht nach Status bewertet. Ein seltsam erfrischendes und auch anfänglich ziemlich kränkendes Gefühl, wenn er das im Rückblick überdachte.
Es war schon seltsam gewesen von Howard Starks Sohn so, ja, herabwürdigend und herausfordernd behandelt und angesehen zu werden. Nur um später zu bemerken, dass er Tonys Vertrauen, Loyalität und Freundschaft in genau diesen Momenten gewonnen hatte.
Eine Freundschaft, die er selbst zerstört hatte mit seinem Eifer, alle und jeden um sich herum vor schrecklichen Wahrheiten zu bewahren... Und zu beschützen.
Alles worauf er hoffen konnte, war die Zeit. Doch auch die lief erbarmungslos ab. Sie mussten Thanos finden. Sie MUSSTEN die Steine zurückbekommen und alles rückgängig machen. Und in dem Moment, wo er dann den Handschuh nehmen würde, und alles zu seinem Ursprung zurück gebracht hatte...
Er wusste, ab diesem Moment würde er nie wieder die Chance erhalten, Tonys Lächeln oder gar ein freundliches Wort von ihm zu bekommen.
Wenn sie es nicht schafften, einander wieder in die Augen zu sehen, ohne dass der andere entweder Hass empfand, oder aus Feigheit floh. Spätestens nach der Aktivierung der Steine wäre es dafür zu spät. Aus dem Grab heraus gab es keine Vergebung. Nur Bedauern von verpassten Chancen.

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Decisions
Fiksi PenggemarTony ist zurück auf der Erde. Thanos hat die Hälfte allen Lebens vernichtet. Jeder im Team muss persönliche Verluste verkraften . Neue und alte Gefühle, Angst und die Frage : Wie geht es jetzt weiter?