Decisions

26

Kapitel 26

"Ich werde dich..."
"Halt ein, Stark! Banner kann nichts für seine Schwäche. Es sind die Steine."
Thor hielt Tony auf, der erneut die Hand erhoben hatte, um in seinem alles konsumierenden Zorn dem Wesen, das einmal sein bester Freund gewesen war, die Lichter auszublasen.
"Schwäche, Steine... Was... Oh, großer Gott!"
Nur langsam wurde der Hulkhybrid klarer. Entsetzt sah er an sich herunter, tastete seine Haut ab und blickte in die völlig verstörten Gesichter seiner Freunde. Er starrte auf den Handschuh, der in der hintersten Ecke des Labor lag, mittlerweile von einem Kraftfeld gesichert.
"Was... Was ist passiert?!"
"Du hast zwanzig Sekunden, es mir zu erklären", knurrte Tony Stark.
Sein ganzer Körper bebte vor blindem Zorn. Was immer Banner gemacht hatte, er hatte ihm Steve genommen. Er hatte ihm den Mann genommen, den er liebte und der ihn aus völlig unerfindlichen Gründen anscheinend ebenfalls liebte. Alles in ihm wollte diesem Kerl das Gesicht in tausend Teile sprengen!

"Rede! Was hast du mit Clint gemacht?"
"Clint? Clint ist hier?"
"War hier... Bis..." Natashas Stimme brechen zu hören, war etwas, das weder Tony noch Rhodey wirklich ertrugen. Niemals hatte sich die sonst so professionelle Agentin ihre Gefühle anmerken lassen. Jetzt, in diesem Moment, konnte sogar Nebula eine deutliches Unbehagen bei dem Blick in die Augen der sonst Rothaarigen nicht verleugnen.
"Ich... Ich weiß es nicht!", gestand Bruce Banner stammelnd. Er zitterte am ganzen Körper. Versuchte sich an die Geschehnisse zu erinnern und musste sich gleichzeitig mit dem, was mit seinem eigenen Körper passiert war, irgendwie arrangieren.
"Friday, Protokollansicht der letzten zwölf Stunden."

DATEN WURDEN GELÖSCHT, BOSS.

"Das ist unmöglich!", japste der Milliardär. "Niemand kann dieses Protokoll überschreiben, außer..." Sein Blick traf erneut den zitternden, hulkähnlichen Mann vor sich. "Banner, wenn du nicht bald eine verdammt gute Ausrede hat, schlag ich dir den Schädel ein und hole mir die Informationen aus deinem Hirmmatsch!"
"Stark. Beruhige dich."
"Sag mir nicht, dass ich mich beruhigen soll, Thor! Dieser verdammte grüne Wichser hat gerade Steve Rogers und Clint Barton getötet!"
"Aber doch nicht mit Absicht!", jaulte Bruce verzweifelt, worauf Tony etwas murmelte, das wie "Das ist der einzige Grund, weshalb du noch atmest" klang.

"Erkläre dich, Banner.", versuchte es nun der Gott des Donners, deutlich sanfter und ruhiger als die anderen.
"Ich... Friday und ich haben die Steine analysiert. Ich konnte gerade vermerken, wie der Äther zum Realitätsstein komprimiert werden konnte, als da diese Musik war..."
Sich den schmerzenden Kopf haltend, setzte der grüne Riese sich auf den Fußboden und vergrub sein Gesicht hinter sein massigen Pranken.
"Friday sagte, sie könne keine Melodie ausmachen, doch... Sie wurde immer drängender, wie..."
"Eine Sirene", beendete Thor den Satz seines Freundes, offenbar sehr wohl wissend, wovon dieser sprach.
"Es ist die Macht der Steine. Die Macht, vor der ich euch warnen wollte. Menschen sind für die Tricks der Steine empfänglicher als Asgardianer. Deshalb wurden sie zeitweilig dort, getrennt voneinander, aufbewahrt. Doch selbst unser Gleichen konnte ihnen irgendwann nicht mehr widerstehen. Deshalb versteckten wir sie an unterschiedlichen Orten. Niemand von uns wusste, wo die anderen waren. Ich hatte gehofft, dass Banner, aufgrund des Riesen in seiner Brust, immun gegen die Verlockungen der Steine sei. Offensichtlich habe ich mich geirrt."

"Was hast du dir gewünscht?", knurrte die Agentin heiser und trat näher an den sitzenden Riesen heran.
"Natasha... Ich..."
"Was, hast du dir gewünscht?" Ihre Stimme wurde eisig. Selbst Thor trat unbewusst einen Schritt zurück.
"Natasha, der Zorn der Valkyre ist nie gerecht, lass ab davon!"
"Was. Hast. Du. Dir. Gewünscht?" Sie stand nun direkt vor dem Gesicht des Hybriden, das so viel von Bruce' Zügen hatte, dass es sie fast schmerzte, es anzusehen. Die dunklen Augen suchten ihren Blick, und in dem Moment, wo die Erkenntnis beide gleichsam traf, schlug sie ihm mit der Faust ins Gesicht.
"Du verdammter Mistkerl!"
Einen Zahn ausspuckend, hob Bruce abwehrend die Hände, was fast schon eine groteske Situationskomik herbeiführte.

"Bring ihn zurück. Gib mir Clint zurück!"
"Ich kann nicht. Ich weiß nicht wie! Nat, ich... Ich, bitte..."
"Ich wünschte, ich hätte dich damals in Bangladesh erschossen!", fauchend, schlug sie erneut auf den grünen Koloss ein, nur um sich dann mit Tränen im Gesicht abzuwenden und den Raum zu verlassen. Das gequälte Gesicht des Hybriden sah ihr nach.
"Wir müssen wissen, wie wir das ungeschehen machen", sagte nun auch Rhodey mit gehetzter Stimme.
"Im Grunde ganz leicht. Einer muss den Handschuh nehmen, den Wunsch äußern und dafür drauf gehen", sinnierte Rocket in seiner gewohnt trockenen und hoch ironischen Weise.
"Der Träger muss nicht sterben. Aber die Steine zehren von seiner Lebenskraft. Uns ist davon reichlich geschenkt. Wir werden mit den Jahren nur stärker."

"Ich brauche deine Kraft, um die Steine zu vernichten", sagte Tony nun viel zu ruhig, für alle Anwesenden.
"Vernichten? Du willst..."
"Oh ja, Großer. Diese verdammten Scheißdinger werden nie wieder das Universum, oder die Universen bedrohen. Das musst du mir versprechen!"
"Das war der Plan, Stark. Oder?"
"Ursprünglich ja", nickte der Milliardär. Er schluckte hinter seiner Maske und schloss die Augen. Ja, er hörte den Gesang auch, den Banner meinte, doch er war nicht mehr, als die Verlockungen von Alkohol und anderen Dingen, die er in seinem Leben bereits besiegt hatte. Sie konnten ihm weder schmeicheln, noch ihn wirklich locken. Im Gegenteil! Allein, dass sie es versuchten, war für ihn eine Beleidigung seiner Intelligenz.

"Nebula, Rocket kümmert euch um Natasha."
"Ich lass dich hier nicht den Helden spielen, Blechbüchse."
"Niemand hat dich danach gefragt." Das Knurren in Tonys Stimme ließ Rhodey entsetzt die Augen aufreißen.
"Tony, das...Vergiss es, das überlebst du nicht!"
"Die Steine zehren an der Lebenskraft, das ist richtig, Thor?" Als dieser irritiert nickte, ließ Tony den ArcReaktor auf seiner Brust aufleuchten. "Das Ding hier hat mehr Lebenskraft als jede Supernova. Also..."
Noch bevor die anderen reagieren konnten, sprang Tony ins Innere des Labors, fuhr das Kraftfeld hoch und griff den Handschuh.
"TONY, NEIN!", schrie Bruce noch, dann rutschte der goldene Handschuh über die Rüstung des Iron Man.

Gleißende Energiefunken entluden sich um Tonys Körper. Die Rüstung begann zu glühen und der Reaktor auf seiner Brust wurde zu einer leuchtenden, alles verblendenden Lichtmasse. Der Milliardär spürte, wie die pure Macht ihn durchströmte. Seine Adern schienen erfüllt mit purem Licht.
Er brauchte einige Atemzüge, um sich der pulsierenden Kraft anzupassen, die sich seines Verstandes bemächtigen wollte. Tausende Wünsche und Herrschaftsfantasien jagten durch seinen Kopf. Sterne, Planeten, alle verneigten sich vor ihm, huldigten ihm.
Doch sein Verstand hatte sich auf einen einzigen Wunsch fixiert. Er formte sich wie ein warmer, sanft funkelnder Stern in seiner Brust und wurde zu einer komplexen Struktur vor seinem geistigen Auge.
*Jedes Wesen, das in den letzten zwei Jahren durch die Macht der Steine, oder durch Thanos leiden musste, oder aus der Existenz gelöscht wurde... Kommt zurück!*

Eine glühende Lichtexplosion ging von seinem Körper aus. Dann wurde das zuvor heiße Licht in seinen Adern zu einer alles verzehrenden Qual. Tony Stark hörte noch seinen eigenen Schmerzensschrei aus seiner Kehle dringen, dann verschwand das Licht um ihn herum und er sank zu Boden.
Jede einzelne Zelle seines Körpers schien vor Schmerzen zu schreien. Pure Agonie erfasste seinen Verstand, schien seine Sinne regelrecht über dem Schmerz schweben zu lassen.
Er öffnete mühsam die Augen, als er spürte, dass irgendeine physische Kraft den Helm seiner Rüstung öffnete.
Besorgte blaue Augen fanden seine, eine warme Hand fühlte seinen Puls, doch was die zitternden Lippen vor ihm flüsterten, konnte er nur erahnen, aber nicht hören.
Mit der letzten ihm verbliebenen Kraft, flüsterte er leise: " Du bist da..", bevor sich seine Augen schlossen und sein Körper in sich zusammenfiel.