Kapitel 27
Das Erste, was Steve Rogers wahrnahm, war eine warme, sanfte Umgebung. Ein irgendwie blauer Himmel, der doch kein Himmel war und ein Strand, der sich sich nicht nach Sand unter seinen unbekleideten Füßen anfühlte. Sehr zu seiner Irritation trug er ein weißes Shirt und eine Jeans. Das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Wellen, die direkt aus dem Horizont zu kommen schienen, bildeten einen seltsamen Kontrast zu der sonstigen fast gespenstischen Stille.
Er erinnerte sich noch daran, dass er Tony geküsst hatte und dass sie...
Tony!
Den Kopf drehend, versuchte der Soldat sich instinktiv zu orientieren und nach seinem Geliebten zu suchen, doch da war nichts! Nichts als Horizont, Weite und sanfte Wärme.
Wo war er?
Den Strand etwas entlang laufend, fand er keine einzige Muschel, kein Meerestier. Das und diese immer gleichförmigen Wellen sagten ihm sehr deutlich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
"Hallo?!"
Seine Stimme verhallte scheinbar ungehört im Nichts, geschluckt von den seltsamen Wellen um ihn herum.
"Kann mich jemand hören?"
"Steve!"
Die Stimme, ihre Stimme... Entsetzt fuhr der Blond herum, nur um eine junge Frau vor sich stehen zu sehen. Der Atem blieb ihm in der Kehle stecken, als er das Gesicht sah, das er Zeit seines Lebens niemals vergessen hatte. Die haselnussbraunen Haare fielen ihr weich auf die Schultern, gehalten von einer silbernen Spange.
"Peggy..."
Sie lächelte und für einen Moment blieb die Welt stehen.
"Peg, wie... Wie ist das möglich?"
*Ich war auf deiner Beerdigung... Du...*
Zitternd hob er die Hand, fürchtete, die Erscheinung vor ihn würde bei einer Berührung verschwinden, wie sie es so oft in seinen Träumen getan hatte. Doch in dem Moment, wo seine Hand auf der Höhe ihrer Wange war, lehnte sich Peggy Carter in die leichte Berührung des Soldaten. Sie schloss ihre Augen und im selben Augenblick bahnte sich eine Träne aus Steves Augenwinkeln ihren Weg. So lange hatte er auf diesen Moment gewartet.
75 Jahre...
"Peg, ich..."
"Schschsch. Schon gut, Steve." Sie streichelte die Hand an ihrer Wange, küsste sie, und schmunzelte wissend, als er sie dennoch festhielt.
"Du darfst mich loslassen, Steve. Es ist ok."
"Peggy! Ich... Wir hatten doch ein Date. Der Tanz..."
Sie lachte leise, nickte und sah ihm schließlich direkt in die Augen.
"Deine Zeit ist noch nicht gekommen, mein Lieber. Dieses Mal verschiebe ich unser Date."
Ganz sanft, einer Feder gleich fuhr sie über Steves Wange, streichelte die leichten Falten, die sich über die Jahre an seinen Schläfen eingegraben hatten, und beugte sich schließlich zu einem kurzen, hauchzarten Kuss auf die ihr angebotenen Lippen vor.
"Lebe dein Leben, Steve. Liebe die Liebe! Ich habe es getan und es war wundervoll. Verschenke nicht die Zeit mit dem, was war, sondern erfreue dich an dem, was ist!"
"Peg... Peggy?!"
Sie ließ ihn los, lächelte noch einmal und winkte abschließend, während sie in dem seltsamen Horizont verschwand. Im selben Moment, wo ihr Antlitz völlig verschwunden war, erfasste ein heftiger Schmerz die Magengrube des Soldaten.
Sich krümmend sackte er auf dem sandähnlichen Boden zusammen, nur um von dort in eine scheinbar bodenlose Schwärze gesogen zu werden. Sein Aufschrei hallte in seinen Ohren, dann wurde sein Verstand blank.
"Steve! Steve, kannst du mich hören?!" Thors Stimme riss den Soldaten jäh aus der Benommenheit. Sein Verstand raste und fühlte sich gleichzeitig seltsam leer an. Wo war er jetzt?
"Tony!"
Der gellende Schrei des Wissenschaftlers jagte Steve schließlich wieder auf die Beine. Er nahm wahr, dass er nun wieder unbekleidet war.
"Was ist passiert?!" Seine Zunge klebte irgendwie noch an seinem Gaumen, als er von seinem Platz auf dem Gang des Hauptquartiers aufsprang, in der Medic Bay eine Jogginghose und eine Shorts griff und noch im Laufen in Richtung der Labore anzog.
"Stark hat den Handschuh benutzt."
Die Worte des Donnergottes noch nicht völlig realisierend, starrte er auf seine Freunde, die vor dem Labor standen, da sie die Tür nicht öffnen konnten.
"Friday, öffne die Labortür."
AUTORISIERUNGSCODE.
"Friday, öffne die Tür, oder ich trete sie ein!"
"Das haben wir schon probiert", murmelte Natasha, die emotional offensichtlich völlig überfordert war, da Clint gerade den Gang herunterlief und sie ansah.
Als der nächste Versuch erneut fehlschlug, riss Steve die Konsole neben der Tür raus. Sofort öffnete sich die Tür und das Team rannte zu dem am Boden liegenden Mann.
"Du bist da...", hauchte Tony kaum wahrnehmbar. Ein feines Lächeln glitt über die verbrannte Gesichtshälfte, dann rollten Tonys Augen zurück und sein Körper sackte kraftlos in sich zusammen.
"Tony! Nein, nein, nein! Das darfst du mir nicht antun! Friday, Vitalzeichen!"
HERZSCHLAG KAUM WAHRNEHMBAR. VITALFUNKTIONEN ZEIGEN LEBENSGEFAHR!
"Kannst du was tun?"
Er hob den noch in der Rüstung steckenden Mann auf und trug ihn in die Medic Bay. Rhodey hielt den Handschuh, der noch immer an dem Arm hing, der durch die Wucht der Gammastrahlung regelrecht mit den Rüstungsteilen verschmolzen war.
LEBENSERHALTUNGSMASSNAHMEN AKTIV. MEDINZINISCHE HILFE VERSTÄNDIGT. DR. CHO VERSTÄNDIGT.
Ganz vorsichtig legte Steve Tony auf das Behandlungsbett. Sofort öffnete sich das medizinische Hologramm mit den Vitalzeichen.
"Die Strahlenbelastung ist der Wahnsinn! Wir müssen ihn aus dem Anzug kriegen, der hat den Großteil offensichtlich geschluckt."
Erst jetzt realisierte Steve Rogers, was mit dem anderen Wissenschaftler im Team passiert war. Er starrte die grüne Gestalt an, die mir ihren riesigen Finger versuchte, den Arc Reaktor zu berühren.
"Friday, fahr den Anzug runter."
NICHT MÖGLICH. ENERGIELEVEL ÜBERLASTET.
"Dann transferier die Energie irgendwo hin!"
NICHT MÖGLICH.
"Vorschlag?!", knurrte Steve nun sichtlich genervt und gestresst, da er sah, wie schlecht es dem Mann auf der Liege ging. Tony starb ihm sprichwörtlich unter den Fingern weg!
ENERGIELEVEL SENKEN.
Energielevel senken, Energielevel senken...
Die Gedanken rasten durch Steves Kopf, als er plötzlich eine Idee hatte. Sie mussten diesen verdammten Handschuh von Tonys Arm herunter bekommen! Offensichtlich war dies die Quelle für die Strahlung, die Tony umbrachte und auch der stetige Energiefluss, der verhinderte, dass sie Tony helfen konnten.
"Friday, bereite die Kryokammer vor."
KRYOKAMMER FÄHRT HOCH. FERTIG IN 30 SEKUNDEN.
Er schluckte hart, sah dann zu Thor, der ihm direkt gegenüber stand und schloss kurz die Augen.
Im Krieg hatte er diese Art der Amputation oft durchführen müssen, um das Leben eines Soldaten zu retten. Dass er dies jemals bei einem geliebten Menschen würde tun müssen, das hatte er nicht erwartet.
"Friday, wie lange noch bis zum Eintreffen von Dr. Cho?"
ETWA 2 STUNDEN.
"Überlebt Tony das so lange?"
NEGATIV.
Der Soldat atmete tief durch, schickte schließlich alle außer Thor nach draußen und sagte ihnen, sie sollen sich abwenden.
"Steve, ich kann helfen", hatte Bruce, oder das, was einmal Bruce gewesen war, noch zu ihm gesagt, doch die anderen hatten ihn nur giftig angesehen. Rhodey hatte noch im Rausgehen geknurrt, dass Tony ohne die Ideen von Bruce gar nicht erst in dieser Lage wäre, was Steve gedanklich in den Hintergrund schob.
Als alle gegangen waren, sahen sich die beiden blonden Hünen über Tonys Körper hinweg an.
"Es muss ein präziser Schlag sein."
Thor nickte lediglich konzentriert.
"Direkt am Schultergelenk. Also hier." Steve zeigte mit seiner Hand auf die Stelle, die er meinte und betete innerlich, dass sein geliebter Freund diese Behandlung überstehen würde.
Stormbreaker in Thors Hand vibrierte, als die blauen Blitze sich um ihre scharfe Kante legten. Steve hielt die Überreste des Arms und den Handschuh fest. Dann hob der Gott des Donners die Arme über seinen Kopf und mit einem elektrischen Zischen glitt sie durch die völlig verbrannten Reste des Arms an Tony Starks Körper.
Für wenige Sekunden stank es nach Ozon, verbranntem Fleisch und etwas, das keiner von ihnen definieren konnte. Die magische Klinge hatte durch die Blitze die Wunde bereits versiegelt, so dass nur wenig Blut aus dem Armstumpf sickerte.
"Friday, die Kryokammer auf die Werte von Tony Stark programmieren. Und den Anzug runterfahren."
Das vertraute Sirren der kleinen Nanoplätchen, die sich in den Reaktor zurückzogen, war wie Musik in den Ohren des Soldaten. Ihm war bewusst, dass das äußerst helle Glimmen nicht normal, und dass der Anzug höchstwahrscheinlich noch immer überlastet war, aber so konnte die Strahlung wenigstens keinen Schaden mehr an Tonys Körper anrichten.
Er nahm den Reaktor von Tonys Brustkorb und warf ihn zu dem Handschuh und dem Armstumpf in eine der Bleikammern, die Bruce hinter ihm gerade geöffnet hatte.
"Es tut mir so leid", flüsternd, senkte der grüne Kollos den Kopf.
"Wir reden später."
Die Kryokammer am Ende der MedicBay öffnete sich automatisch, zeigte so an, dass sie bereit war, ihren Erfinder in sich zu beherbergen, dessen Lebenszeichen immer weiter abfielen.
"Halte durch", flüsterte Steve Rogers an Tonys Lippen, als er ihn erneut sachte anhob.
Er gab ihm einen letzten Kuss, dann legte er ihn in die halbgläsernen Röhre und schloss die Glastüren. Als das Gas einströmte, spürte er noch, wie seine Sinne schwanden. Dann versagten ihm seine Beine den Dienst und er sackte vor der Kammer in sich zusammen.

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Decisions
FanfictionTony ist zurück auf der Erde. Thanos hat die Hälfte allen Lebens vernichtet. Jeder im Team muss persönliche Verluste verkraften . Neue und alte Gefühle, Angst und die Frage : Wie geht es jetzt weiter?