61. wichtig

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Blinzelnd öffnete ich die Augen und starrte nach oben.
Meine Sicht war verschwommen, aber ich wusste, dass ich auf dem Rücken lag. In Adjars Bett. Und immer noch nackt...

Langsam richtete ich mich auf und sah mich um.
Da erkannte ich in der Dunkelheit, dass Adjar neben mir lag.
Ich kniff die Augen zusammen und strich über seine Wange. Ich spürte seine Tränen immer noch, also konnte ich nicht so lange weg gewesen sein.
War er eingeschlafen?
Oder bewusstlos?
Naja, das Zweite traf es eher...

Seufzend strich ich weiterhin über seine Wange und legte mich so hin, dass ich ihn ansehen konnte.
Ich griff nach seiner Hand und nahm sie in meine, worauf ich merkte, dass er leicht zitterte.
Seufzend musterte ich seine schwarzen Fingerspitzen und die langen Krallen daran, bevor ich meinen Kopf auf seine Handfläche legte.
Ich rollte mich zusammen und drückte die Stirn gegen seine Brust, worauf meine Hörner leicht in seine Haut stachen.
Mit geschlossenen Augen atmete ich tief aus und schob meine durcheinandergewürfelten Gedanken beiseite.
Ich würde das mit ihm klären, wenn der nächste Tag sein Ende nahm.
Dann würden wir es entgültig entscheiden.

.
Aber vorher noch... mein Vater.
"Bist du verrückt?!" rief er erschrocken und ich sah seufzend zu Boden.
"Nein. Ich weiß, auf was ich mich einlasse. Und ich werde gut aufgehoben sein. Immerhin werde ich bei Adjar bleiben." meinte ich, möglichst ruhig und strich nervös über die Zacken am Ende meines Schuppenschwanzes.
"Du kannst das doch nicht machen! Wenn du so lange lebst, wie er... dann wirst du alles verlieren! Du wirst nichts mehr kennen und das Königreich zusammenbrechen sehen. Was denkst du-..." "Das ist es ja, Vater! Adjar hat das schon viel zu oft erlebt! Und es wird sich immer wieder wiederholen. Es hat noch sein ganzes Leben vor sich und schon so viele Personen verloren. Ich weiß es! Ich war in seinem Bewusstsein, ich hab sie gesehen!" "Du warst... was?" murmelte Sinon überfordert und ich verdrehte etwas gereizt die Augen.
"Egal... ich weiß, was er durchgemacht hat und ich will ihm das nicht antun. Ich will ihn nicht alleine lassen und die Welt an sich vorbeiziehen sehen, während ich an seiner Seite sein könnte!" "Das geht weit über unsere Existenz und die des Königreiches hier hiaus!" "Das weiß ich!" fauchte ich zurück und stand schwungvoll auf.

Mein Vater hielt inne und starrte mich erschrocken an.
"Ja, ich werde euch sterben sehen! Ich werde Königreiche, Familien, Gesellschaften oder sonst was auseinanderfallen sehen! Aber es ist besser, als in dem Wissen zu sterben, dass Adjar das alleine durchmachen muss! Dass er uns alle begraben müsste und wir irgendwann nur noch Erinnerungen sind, an denen er langsam zerbricht! Das... das kann ich einfach nicht, Dad..."

Darauf folgte eine erdrückende Stille und ich versuchte, den Blick meines Gegenüber zu deuten.
Er sah mich nur stumm an und schien, zu überlegen.
Ich ließ mich seufzend zurück in den Lesesessel der Bibliotgek fallen und sah erneut zu Boden.
Ich schaffte es nicht, ihm länger in die Augen zu sehen. Es klang wahrscheinlich ziemlich egoistisch und selbstsüchtig von mir, so lange leben zu wollen, aber da Adjar es sich nicht aussuchen konnte... wollte ich bei ihm bleiben.
Egal, was mein Vater sagte.
Aber trotzdem hätte ich gerne gewusst, dass er mich dafür nicht hassen würde.

"Am Abend." meinte er plötzlich und ich sah ihn verwirrt an.
"Was?" "Am Abend... dann werde ich dir sagen, was ich davon halte. Aber heute ist deine Krönung und-..." "Unsere Krönung, Vater." unterbrach ich ihn, mit zischendem Unterton und er verbesserte sich.
"Eure Krönung... und ich will, dass ihr diesen Tag erst einmal meistert. Dann können wir reden. Aber jetzt solltest du zu Adjar und den Dienerinnen in seinem Zimmer. Immerhin siehst du aus, als hättest du fünf Tage durchgemacht."

Die Erleichterung, dass er es sich nochmal überlegte, stieg in mir hoch und ich atmete tief durch.
Ich stand auf und nickte ihm dankbar zu, bevor ich aus der Bibliothek verschwand.

Ich ging zurück, zu Adjars Zimmer und drückte die angelehnte Tür auf.
Vor mir kniete Adjar, umrundet von drei Maids, die aufgeregt miteinander tuschelten und Adjar für die Krönung herrichteten.
Der riesige Dämon, der in ihrer Mitte kniete, sah nicht so begeistert aus aber er ließ die Tortour mit sich machen.
Eine der drei Maids, mit blonden Haaren, band gerade seine Haare zusammen und steckte sie ineinander hoch, sodass die Frisur trotzdem locker saß und einige seiner schwarzen Strähnen frei in der Luft hingen.
Eine andere verteilte eine Creme um das Padd auf seinem linken Auge und ihre Kollegin wickelte eine sehr lange, dünne Goldkette um Adjars ebenso langen Schuppenschwanz.

Als sie mich alle gleichzeitig bemerkten, begrüßten mich die drei Maids und Adjar lächelte mich an.
"Wo warst du? Ich hab dich gesucht." meinte er und ich kam zu ihm, bevor die blonde Maid anfing, meine Klamotten herauszusuchen.
"Ich bin gegangen um etwas mit Vater zu bereden. Wegen gestern." "Gestern? Was war gestern? Ich... kann mich noch erinnern, dass ich dir... naja, du weißt schon. Aber danach... ist alles verschwommen." meinte er und kratzte sich rätselnd am Nacken.
Überrascht kniff ich die Augen zusammem, versuchte aber nicht, es ihm zu erklären.
Gottseidank lenkte eine der Maids von dem Thema ab und klatschte Adjar eine Ladung Puder ins Gesicht, worauf er erstmal eine halbe Tonne davon aushusten musste.

Belustigt sah ich ihnen zu und half der Maid neben mir, meine Sachen fertigzumachen. Immerhin war heute ein wichtiger Tag für mich und Adjar.

𝒂𝒏 𝒐𝒍𝒅 𝒍𝒆𝒈𝒆𝒏𝒅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt