Erinnerung

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Ich starrte zu ihm hoch und machte keine Anstalten, ihm die Dose aus der Hand zu nehmen.

Ist er etwa der Junge von damals, das konnte nicht sein.

Yeonjun schüttelte die Dose, damit ich endlich auf ihn reagieren würde, aber ich starrte ihn weiter an.

"Bist du etwa so stark auf den Kopf gefallen?", fragte er mich.

Seine Frage nahm ich nur nebenbei wahr und schüttelte als Antwort abwesend meinen Kopf, nahm aber immer noch nicht die Dose entgegen.

Yeonjun schien es jetzt leicht zu nerven, dass ich nicht reagierte und er ging nun neben mir in die Knie und legte die Dose auf meinen Hinterkopf. Sein Gesicht war meinem plötzlich so nahe und ich sah einige Ähnlichkeiten zu dem Jungen, der mir damals geholfen hatte.

Ich starrte ihm in die Augen und er blickte nach unten und wurde rot, am liebsten würde er scheinbar wieder etwas Abstand zwischen uns herstellen, aber er hielt mir noch immer die Dose an den Kopf.

Als sein Blick auf meine Hand fiel, die neben mir lag, ergriff er sie und legte sie auf die Dose, damit ich sie nun endlich selbst halten würde.

Als er meine Hand berührte, fühlte ich mich auf einmal sehr wohl mit ihm und wollte, dass er jetzt auf keinen Fall gehen würde. Das Blut schoss mir auf einmal in meinen Kopf und mein Herz fing wie wild an zu rasen.

Was?

Er ging nicht, sondern setzte sich nun mit etwas Abstand neben mich und lehnte sich auch an die Wand.

Besorgt starrte er zu mir rüber, ich war noch immer hochrot und starrte nun an die Wand und wurde den Gedanken nicht los, dass er dieser Junge sein könnte.

"Bist du...", wollte ich fragen, doch Yeonjun sprach mit mir gleichzeitig und ich ließ ihn erst sprechen.

"Was willst du nicht mehr? Du hast mich so erschreckt wie kannst du meine Hand loslassen, stell dir vor, das passiert auf der Bühne", er sah mich mit einem leichten Vorwurf an.

"Ich..."

Moment, was genau willst du mir eigentlich vorwerfen, das kann doch jedem einmal passieren.

"Mach jetzt bitte kein Drama aus der Sache, beim nächsten Mal passiert mir das nicht mehr", ich versuchte, wieder ein Lächeln aufzusetzen, das möglichst wenig verriet, wie ich mich gerade fühle, am liebsten würde ich Yeonjun gerade gerne anschreien.

"Ach wirklich", entgegnete er sehr gereizt.

Wütend sprang ich auf und stellte mich vor ihm, mein Kopf war vor Wut rot und ich schrie ihn nun an:

"Ja, wirklich!"

Auf einmal fing Yeonjun an zu lachen, er lachte und wollte gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Ich verstand ihn nicht und starrte fassungslos zu ihm runter, nun stand er auf und stellte sich vor mich.

Seine Hand wanderte zu meinen Kopf und er streichelte mir vorsichtig über den Kopf, dann lächelte er mich an und sagte:

"Endlich bist du mal du wieder du selbst, so gefällst du mir gleich viel besser."

Wieder wurde mein Gesicht rot, als Yeonjun sah, wie rot ich wurde, wurde ihm das ganze ein wenig unangenehm.

Da wurde er auch knallrot und drehte sich schnell weg von mir.

Zum Glück hatte ich es heute rechtzeitig nach Hause geschafft, die einzige, die in unserer Wohnung war, war Kaiwen und die hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, deshalb saß ich im Wohnzimmer auf der Couch und starrte den Fernseher an.

Das komische dabei war, dass der Fernseher gar nicht aufgedreht war, mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf.
Die Dose, in der eine Zitronenlimonade war, hatte ich noch immer in der Hand. 

Während der gesamten Heimfahrt hatte ich sie in der Hand gehalten und kein einziges Mal losgelassen.

Erst einmal verstand ich nicht wie mich Yeonjun plötzlich so nervös machen konnte. Vielleicht lag es daran, dass er so viele Ähnlichkeiten mit dem Jungen hatte. Ich war doch so verknallt in diesen Jungen gewesen, Jahre lang, bis ich ihn vergessen hatte.

Wie ist der Tag dann noch weiter gegangen?

"Halt das auf deine Beule, das ist kalt!", hatte der Junge zu mir gesagt.

Ich hatte die Dose genommen und sie an meinen Hinterkopf gehalten, die Beule tat eigentlich gar nicht so weh, ich konnte immer noch meine Füße spüren, die so sehr vom Spitzentanzen weh taten.

Ich hatte meine Schuhe ausgezogen und meine Socken waren blutig, der Junge starrte auf meine Füße und fragte mich dann:

"Tanzt du Ballett?"

Ich nickte nur und schluchzte wieder vor mich hin.

"Du musst sehr ehrgeizig sein, wenn du so viel übst, dass deine Füße bluten", stellte der Junge fest.

Wieder nickte ich nur.

"Hmmmmm", sagte der Junge.

Wir schwiegen und ich merkte, wie die Dose langsam warm wurde und der Schmerz sich schon beruhigt hatte.

Langsam streckte ich dem Jungen die Dose hin und flüsterte:

"Danke."

"Du kannst es trinken", sagte der Junge und schob die Dose wieder zu mir zurück.

"Ich hab dich noch nie hier gesehen, machst du auch bei der Aufführung mit?", fragte er neugierig.

Da wurde mir wieder bewusst, dass der Tag heute noch nicht vorbei war und ich noch mehr trainieren musste, um meine Eltern stolz zu machen, das brachte mich wieder dazu los zu schluchzen.

"Du bist nicht sonderlich gesprächig", stellte der Junge fest und streichelte mir über den Kopf.

"Ich muss jetzt leider los, ich habe heute auch einen Auftritt, kommst du zuschauen?", fragte er und stand auf, um Richtung Schule zurückzugehen.

Da blickte ich zu ihm hoch und strahlte ihn an, es machte mich sehr glücklich, wie er sich um mich gekümmert hatte.

Der Junge wurde rot und ging ein paar Schritte rückwärts, fast wäre er gestolpert, aber er schaffte es gerade noch sich zu halten und ging zum Schulgebäude zurück,

Er tanzte gemeinsam mit einem Freund von ihm, die zwei waren so gut und ich hatte mich Hals über Kopf in diesen Jungen verknallt.

Als die Aufführung zu Ende war, nahm ich all meinen Mut zusammen und wollte zu ihm gehen. Aber um die zwei Jungs hatte sich eine Mädchentraube gebildet und ich kam nicht wirklich an ihn ran.

Ich versuchte mich durch die anderen Mädchen zu drängen, aber da packte jemand meine Hand. Mari hatte mich and er Hand gepackt und zog mich weg:

"Mama, wartet!"

Ich blickte nochmal zurück und hörte den Jungen noch sagen:

"Wenn ich einmal ein Idol bin dann könnt ihr froh sein, dass ihr euch jetzt schon ein Autogramm geholt habt."

Als wir in unser Auto stiegen, sah ich mehrere Mädchen mit irgendwelchen Zetteln rumlaufen, auf denen ein Autogramm geschrieben stand. Vorsichtig versuchte ich zu erkennen, was für ein Name darauf stand und als wir schon im Auto saßen, konnte ich den Namen erkennen.

Der Name lautete:

YEONJUN

Vielleicht Doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt