HicksWind fuhr unter die Nähte meiner Rüstung, riss mir an den Haaren und ließ mich frösteln. Tränen brannten in meinen Augen. Das Wetter fuhr tausend spitze Krallen aus, die uns weiterzerrten, vorwärtsstießen, Ausläufer der Ungeduld, dann wieder eine Barriere aus Böen, verdichteter Himmel, wir kämpften uns durch zähe Luftmassen.
Die Zeit schubste uns dorthin, wo sie uns gerade haben wollte. Und wir gehorchten, glichen die Schlagfrequenz ihrem Puls an, ließen uns von unsichtbaren Schnüren leiten, schwangen im allgegenwärtigen Reigen mit.Salzwasserstaub von den Zacken des Überwilden brannte im Schnitt an meinem Ohr, sein Bild in meinen Gedanken. Schleichend war es in die Gegenwart gesengt worden, die Schneeflocken hatten sich flüsternd an mein Herz gelegt, hüllten es in kalte Angst.
Der Todsinger, ein ehemaliger Alpha- was war Sungirds nächster Trumpf? Blauer Oleander, giftige Gase und Schiffsattrappen hatte er bereits enthüllt. Vielleicht mochte das genügen, um uns zu schlagen. Vielleicht gab es keinen Grund, mehr aufzubieten, als unbedingt nötig war. Vielleicht vertraute er auf das, was uns seit Stunden verfolgte, vielleicht waren unsere Chancen so gering, dass sich die Mühe nicht lohnte.
So hatte Drago gehandelt.
Doch Sungird führte diesen Krieg schon länger. Es ging ihm nicht primär darum, uns zu unterdrücken. Dafür hatte er ausreichend Gelegenheit, wenn das Drachenfeuer verloschen war.
Das konnte nicht alles gewesen sein. Man gewann keine Kriege, indem man alles auf eine Karte setzte.
Er gewann so nicht. Das konnte ich bereits garantieren, obwohl ich sonst fast nichts über ihn wusste.Sungird hielt eine Hinterhand in seiner Hinterhand. Und ein Ass in jeder Falte seiner Ärmel.
Er wusste, was er wollte. Wer ihm in den Weg trat, endete mit einem Pfeil im Gedärm und einem Nagel in der Stirn.Die Frage war nicht, ob etwas auf uns wartete, sondern wann es zuschlagen würde.
Greifende Gründlinge webten einen Schwarm, nahmen uns in die Mitte. Ihre Flügel schirmten den aufkeimenden Sturm etwas ab, endlich lösten sich die Böen kaum noch zu Tränen auf, sobald sie meine Augen trafen. Ich hob die Lider ein Stück höher.
Sechs, sieben Gründlinge. Rot, grün, gelb. Eine weitere Gruppe stieß dazu, darunter blaue und violette. Blutige Striemen bildeten glänzende Muster über der Zeichnung ihrer Schuppen. Das Schicksal führte sie in dieselbe Richtung wie uns, demselben unbekannten Ziel entgegen.
Schicksal. Gestern hätte ich darüber gelacht.Die nächste Böe lenkte uns im weiten Bogen nach rechts, Seile schliffen haltlos über Flügelspitzen, flatterten ins Meer. Jäger schimpften, als ihre Pfeile sich dazugesellten. Ohnezahn widmete ihnen nichtmal ein Ohrzucken.
Wie viele Schüsse hatten sich regeneriert? Reichten sie, um zu bezwingen, was uns erwartete?
Hoffentlich.Noch immer keine Spur von den anderen. Das war nicht gut. Sie müssten herumfliegen und Segel in Brand stecken, doch da waren nur reiterlose Drachen und drachenlose Jäger, deren Gesichter wie Nebelbänke über dem Meer hingen, nah und fern zugleich, vorhanden, aber ungreifbar.
Und wenn sie- aber auch in den roten Wellen konnte ich meine Freunde nicht ausmachen. Egal, wie sehr ich versuchte, die Kruste aus leblosen Gesichtern aufzutrennen, meine Augen dazu zwang, einzelne Züge herauszuformen, keines wollte mir bekannt vorkommen.
Nicht, dass mich das irgendwie beruhigen würde. So viele, es waren so viele. Zu viele, obgleich sie nicht lang oben trieben. Zu viele, um sie nicht automatisch überall sehen zu glauben. Dümpelnde Pfeile wurden zu Haaren, Schaumblasen mimten einen Drachenkopf, immer wieder schwappte Wasser über vermeintliche Glieder und enthüllte nichts als Holz. Schatten und Wind bastelten beständig neue Illusionen, nährten den Trug und ließen meine Lungen schneller pumpen, den Atem flacher werden, schaukelten die Welt stärker auf. Sie züchteten Panik.
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Sternenfluch - Segen der Finsternis
Fanfiction„Das ist kein Segen, das ist ein Fluch." „Manchmal liegen Segen und Fluch so nah beisammen, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten kann." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ **BAND ZWEI** Zwei Stämme, eine Geschichte. Zwei Menschen, eine Vergangenheit...