(7) Labyrinth

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Moira

„Ist jemand verl-"
Hicks unterbrach sich schnell und setzte nochmal neu an: „Wurde jemand getroffen?"
Automatisch schüttelte ich den Kopf, dabei konnte man das in der vollkommenen Dunkelheit wohl kaum sehen. Fehlte nur noch, dass ich per Handzeichen kommunizierte.
„Nein."
Die anderen Reiter schlossen sich meiner Antwort an, lediglich Astrid hüllte sich weiterhin in abwesendes Schweigen. Kein Wunder, was sie durchmachen musste, war grauenvoll. Nicht nur, dass sie ihre beste Freundin verloren hatte, selbst ein ehrenvolles Begräbnis und der damit verbundene letzte Abschied war ihr verwehrt. Sturmpfeils Körper lag noch immer am Ort ihres Todes, wir hatten sie nicht mitnehmen können.

„Licht?"
Mehr Worte waren nicht von Nöten. Sie hätten sich auch falsch angehört, irgendwie verachtend der trauernden Stille gegenüber.
Zwei Sekunde später erhellte das spärliche Licht aus den Mündern der Drachen die Höhle, doch bis auf die Gesichter der Anderen sah man nicht viel. Das Erdloch war anscheinend sehr viel größer, als wir angenommen hatten. Da brachte es auch nichts, dass Hicks zusätzlich sein Feuerschwert entzündete. Wieder sahen alle betroffen auf den Boden. Sturmpfeils Abwesenheit war nun noch viel deutlicher zu spüren. An das helle Leuchten brennenden Magnesiums kam einfach kaum ein Drache heran.
Erst Hakenzahn schaffte es durch seine Alltraum-Fähigkeiten, die Wände sichtbar werden zu lassen.

„Bin ich der Einzige, der ein Déjà-Vu hat?"
Rotzbakkes Missmut hörte man trotz der sehr leisen Worte. Es war mehr als nur verständlich, denn die Höhle schien der Eingang zu einem Labyrinth an Tunneln zu sein, ähnlich wie das der Schneegeister. Sechs drachengroße Löcher gähnten undurchdringlich schwarz vor uns.
„Ich schätze, durch eines davon kommen wir hier raus." Aus Hicks' Stimme war jeglicher Optimismus verschwunden. Auch er hatte langsam aber sicher die Hoffnung aufgegeben.  Warum auch nicht? Es gab nichts mehr zu hoffen. Wir sprangen von einem Rätsel zum nächsten, während Sungird seine Armee mobilisierte. Was er vorhatte und wann er damit beginnen würde, konnte ich nicht sagen, doch der erste Krieger war bereits gefallen. Ich hatte die ganze Zeit über nur gehofft, dass die Rätsel uns irgendwie einen Vorteil verschaffen konnten, dass sie eine Möglichkeit bargen, ihn zu besiegen. Warum sonst sollte er das erste Pergament derart aufbewahrt haben? Selmas Worte unterstützten meine Vermutung zusätzlich, doch wer auch immer die Zeilen geschrieben hatte, wollte offensichtlich nicht, dass irgendwer sie jemals lösen würde. Allein das letzte Rätsel, dessen einziger Sinn es gewesen war, dem Leser zu sagen, dass er sich nicht mehr nach dem Sternbild richten, sondern zu Selma oder wer auch immer an ihrer Stelle diese Kiste aufbewahrt hätte zu fliegen, zeigte das deutlich. Und zu der Kiste fehlte uns nun ein Teil, sodass wir sie nicht öffnen konnten, ohne auch den Inhalt zu zerstören. Ob dieser uns helfen konnte stand ebenfalls in den Sternen, vielleicht hatten wir auch von Beginn an Zeit verschwendet.

Ratlos betrachteten wir die Tunneleingänge. Ohnezahn nutzte seine Echoortung, das einzige Resultat waren jedoch mehrere aufgeschreckte Fledermausschwärme, die nun aufgebracht um uns herum schwirrten und so einen erneuten Versuch schier unmöglich machten.
Schließlich entschieden wir uns auf gut Glück doch für einen. Lieber verliefen wir uns, als von aggressiven Klingenpeitschlingweibchen gejagt zu werden.

<Ich habe ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache.>
Sogar Nachtblitz' Stimme in meinem Kopf klang irgendwie leer und hohl.
<Das haben wir alle.>
Stille.
<Wann werden uns die Fledermäuse wohl endlich in Ruhe lassen?>
<Hoffentlich bald, bei unserem Glück aber eher gar nicht.>
Wieder Stille.
Der Tunnel machte einen Bogen nach links, dann wieder nach rechts. Einige Meter weiter mussten wir über verstreute Felsbrocken klettern, dann ging es ein Stück bergauf zur ersten Gabelung. Wir entschieden uns stumm für links und so ging es immer weiter, wortlos und bedrückt.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt