(24) Dämmerung

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Valka

Diese Welt war klein. Winzig im Schatten der Großen, die sie zustande gebracht und nicht hatte halten können.

Zwei Vögel haschten einander hinterher. Für einen Moment schienen ihre Schwingen den Fels blinzeln zu lassen, dann schwirrten sie weiter. Alles schwirrte weiter.
Auch ich war weitergeschwirrt, von dannen gesegelt.

Jetzt stand ich still, hoffte, die Welt würde mich vergessen und allein weiterwandeln.

Sie hatte es schon einmal getan.

Unter seinem wachsamen Blick straffte ich die Schultern. Grauer Stein, Gebirgsmark. Mir fiel nichts ein, was besser geeignet gewesen wäre. Würdiger.
Haudraufs Profil im Herzen seiner geliebten Insel, an dem Ort, wo die große Veränderung gewurzelt hatte; dem Krähenkliff.
Gemetzt in Material, das seiner Sturheit in nichts nachstand, das schützte, nicht klein zu kriegen war und alles zusammenhielt, wenn man es nur ließ.

Ich hatte ihn nicht gelassen.
Ich war nicht zurückgekehrt, hatte nicht eine der unendlich vielen Möglichkeiten ergriffen.
Ja, diese Welt war klein, aber die Entfernungen waren groß.

„Es tut mir so leid."

Damit meinte ich alles und bewirkte nichts.
























Das Denkmal war Hicks' Idee gewesen. Ich hatte Skizzen dafür quer über seinen Schreibtisch verstreut gefunden.
Eret wiederum hatte mich gefunden, halb über einen unter wirren Entwürfen vergrabenen Tisch gelehnt, die Hände gefüllt mit trockenem Papier, die Augen mit schmerzenden Erinnerungen.

„Valka, es gibt da ein... äh... Problem."
„Sag Sven, dass er für seinen Zaun endlich die längeren Nägel nehmen soll. Das ist jetzt das vierte Mal, dass die anderen nicht halten."
„Habe ich schon."
Unten wurde etwas genuschelt, was verdächtige Ähnlichkeit mit 'an die hundert Mal' aufwies.
Seine Stimme war wieder lauter geworden:
„Aber darum geht es diesmal- Wo bist du überhaupt?"

Ich hatte wirklich versucht, mich zu lösen. Aber die Leere in dem verlassenen Raum hatte mich für sich beansprucht und alles Andere verdrängt, bis ich mit ihr zu einem Standbild der Einsamkeit verschmolzen war.

„Valka! Wir brauchen wirklich ganz dringend wen mit- Was machst du da eigentlich?"

Dem Wunsch erliegen, ebenfalls zu Kohlestrichen auf Pergament zu verblassen, um die gestohlene Zeit zurückzugeben.

„Valka- weinst... weinst du?"

Als sein Schatten über Haudraufs Gesichtszüge gefallen war, hatte mich die Leere ausgespuckt.

„Was? Nein. Nein. Staub."

Ich hatte wirsch geblinzelt, doch das hier war definitiv nicht so einfach zu verscheuchen gewesen wie Staubgespinste. Es haftete auch jetzt noch an mir.

Eret hatte zu einer Erwiderung angesetzt. In diesem Raum war es unmöglich unordentlich gewesen, schwarze Schuppen und Entwurfsskizzen hatten die Dielen gepflastert, Lederreste und kleine Metallteile unregelmäßige Mosaike gebildet. Aber verglichen mit der großen Halle, den Sägewerken und den Drachenställen hatte es auffällig an Staub gemangelt.
Dann hatte er gesehen, was ich umklammert gehalten hatte.

„Oh."

„Wen braucht ihr?"

„Hm?"

„Du sprachst von einem Problem. Ihr braucht jemanden mit...?"

„Ach ja. Jemanden mit einem Händchen für Drachen."

Das letzte, was ich gebraucht hatte, war ein Scherzkeks. Meine Augenbraue hatte sich steil in die Höhe gezogen.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt