54 (7) Teegespräch

6 1 1
                                    


Wilfriede

Die große Höhle war wieder total überfüllt, aber das störte keinen. Also auch mich nicht.
Große Höhle? Hütte? Raum? Loch im Berg?
Nein, definitiv nicht 'das große Loch im Berg'. So einen langen Namen hatte Nicht-Astrid nicht benutzt.
Aber vielleicht wäre so ein langer Name besser gewesen. Ein langer Name mit vielen Worten für die vielen Menschen und Stimmen und Geräusche. Und Gerüche. Die wurden jeden Tag schlimmer. Und jeden Tag husteten mehr Leute. Aber es kümmerte niemanden, dass hier auch Essen gemacht wurde.
Wilfried hatte sich durch die Haare gestrichen und mich zurück in mein Zimmer gejagt, wenn ich beim Herd auch nur niesen musste. Vielleicht wäre Berk doch nichts für ihn gewesen.

Aber sie hatten geniale Zielscheiben. Und wir hatten sogar alle getroffen! Und manchmal auch die Zwillinge, aber Raff hatte sich nur die Flammen aus den Zöpfen geklopft und irgendwas über Chaos gesagt. Und war vor Lachen wieder hingefallen, als sie das verkohlte Gesicht ihres Bruders sah. Vielleicht war Feuer doch nicht so gefährlich. Aber es war trotzdem heiß und gefräßig. Vielleicht schmeckten ihm die Zwillinge nur nicht?
Wie mir dieses eklige Gebräu, das aus den Holzhumpen auf den Tisch schwappte. Bäh. Das Holz mochte das Zeug auch nicht, es wurde davon ganz grau.
Aber die Leute tranken es. Aber keinen Tee.
Ich trank Tee.

Und wenn Holz seine Farbe änderte, dann machte dieses... wie hatte Hildegard es genannt? Nicht-Hildegard. Aber wie hatte sie es genannt? M... Mmmmmm... Alkohol? Irgendwie so. Alko-hohl. Aber es war flüssig. Und Flüssiges war nicht hohl.
Das ergab schon wieder keinen Sinn. Aber niemand hinterfragte es. Es war ja nur ein Name.
So wie meiner. Wilfriede. Will Friede. Dafür stiftete ich wahrscheinlich ziemlich viel Unruhe. Aber sie ließ sich so einfach stiften, ganz ohne, dass ich es wollte. Diese Holzhöhlen waren halt nicht für mich gebaut. Und es gab zu viele lose Gegenstände. Und generell einfach zu viel. Überall stand etwas rum. Selbst im Wald. Da waren Fallen und die waren immer woanders. Dabei war es sinnlos, Fallen zu wechseln. Wenn ein Tier gefangen wurde, wurde es gekocht. Es würde der Falle beim nächsten Mal nicht ausweichen. Oder es wurde freigelassen, weil man es mochte und dann war es doch gut, wenn es nicht wieder in die Falle ging. Also warum wechseln?
Das war nur verwirrend.

Holz. Graues Holz.
Wenn dieses Trinken Holz änderte, dann bestimmt auch Menschen. Das erklärte, weshalb hier alle anders als ich waren.
Oder war ich anders als sie?
Waren wir alle anders als die anderen?
Da sollte noch jemand durchsehen, ehrlich.

Wo war Nicht-Heidrun hin? Nicht-nicht-Heidrun. So langsam bekam ich ihren Namen hin!
Aber jetzt war sie trotzdem weg, auch wenn ich wusste, wie sie hieß. Seit vor ein paar Tagen der Händler da gewesen war, war sie noch seltsamer geworden. Sie hatte oft geschrien und einige Zielscheiben zerlegt. Ich dachte immer, man sollte versuchen, sie heile zu lassen.
Das war hier auch anders.
Aber sie war trotzdem immer mit mir zusammen in diese Halle gegangen.

Halle! Große Halle! Jawohl, so hieß das!

Wo war jetzt Heidrun, damit ich ihr das sagen konnte?

Immer noch weg.

Mein Magen knurrte. Zumindest ruckelte er seltsam in meinem Bauch. Zu hören war bei diesem Lärm nichts.
Es gab bestimmt wieder Fischsuppe.
Bäh. Warum keinen Grießbrei? Nicht ein einziges Mal hatte es Grießbrei gegeben. Nichtmal Haferbrei.
Wahrscheinlich hätte das eher der Boden gegessen. Die Leute hatten Probleme damit, Essen im Mund zu behalten. Oder Trinken.
Aber warum gab es dann Tische? Auf dem Boden lag mindestens genauso viel.

Okay. Irgendwie musste ich jetzt durch diese Menschen. Und einen Sitzplatz finden. Und was zu Essen.
Genau. So wie die letzten Male auch. Einfach-

„HEY! Pass doch auf!"

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt