Sternenfluch - Segen der Finsternis

(3) Gedanken

Hicks

Wenn ihr jemals in einer scheinbar aussichtslosen Situation seid und mehr Probleme als Nerven habt, freut euch einfach.
Früher oder später wird es besser- oder es kommt gleich noch ein ganzer Haufen neuer Probleme durch die Tür hineinspaziert.
Wortwörtlich.
Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede, und der Haufen Probleme trug sogar einen Namen und einen vollgestopften Korb.

Soll heißen: Selma war wieder da.

Moira sah genauso wenig begeistert aus, wie ich mich fühlte.
Ich hatte nichts gegen die alte Frau, aber momentan hatte ich auch weder die Lust, ihr die Situation zu erklären, noch die Geduld, ihre rätselhaften Bemerkungen zu ertragen. Ehrlich, wir hatten auch so schon genug Mysterien zu lösen, da brauchten wir nicht noch zusätzliche.
Auch Astrid, die sich neben mich gesetzt hatte, stöhnte genervt auf.

Selma überwand ihren anfänglichen Schock relativ schnell und zog die Tür hinter sich zu. Dann fiel ihr Blick auf Kjell. Überrascht zog sie eine Augenbraue hoch.
„Was habe ich verpasst?"
Bevor mein Kopf auch nur die Möglichkeit hatte, auf der Tischplatte zu landen, fasste Moira das Geschehene knapp, aber ziemlich treffend zusammen.
„Kjell ist wieder da und ich habe einen neuen Dolch."
Selmas Augenbraue wanderte noch höher.
„Wirklich?"
Es klang eher wie eine Feststellung. Der besagte Junge schluckte und versuchte, dem forschenden Blick zu entkommen. Ziemlich sinnlos, wenn man mit drei Seilen an einem Stuhl festgebunden war.
„Ich... das... es..."
Die Hüttenbesitzerin hob eine Hand und Kjell verstummte.
„Ich will's gar nicht wissen."
Betreten sah der Dieb zu Boden, doch darauf achtete Selma nicht mehr. Sie achtete generell nicht mehr auf ihn. Als wäre er Luft, lächelte sie uns wieder an.
„Ihr seid also alle wach, wie schön. Hat jemand Hunger?"

Jetzt war es an uns, fragend aus der Wäsche zu gucken.
Essen? Hatte sie uns allen Ernstes gefragt, ob wir hungrig waren? Ja, wir hatten noch nichts gegessen, doch sahen wir gerade so aus, als ob wir dafür einen Kopf hätten?
Astrid und Moira schienen, ihren Gesichtern nach zu urteilen, Ähnliches gedacht zu haben. Die Zwillinge, Rotzbakke und Fischbein dagegen waren hellauf begeistert.
Bei Thor, der Tag würde bestimmt noch lustig werden.

Die ältere Dame als Haufen wandelnder Probleme zu bezeichnen war alles andere als falsch gewesen. Sie sprach zwar während des Frühstücks nicht in Rätseln, doch Moira zu provozieren war nach den jüngsten Ereignissen -und sowieso- ein sehr, sehr schlechter Schachzug.

„Übrigens soll ich dir Grüße von Ellesia ausrichten. Sie vermisst deine Darbietungen sehr."
Moiras Augen wurden sogar noch dunkler, als wenn sie sich mit Nachtblitz unterhielt. Ihre Augenbrauen berührten sich fast, als sie düster über den Rand ihrer Teetasse starrte. Die ersten Hinweise auf einen möglichst schnellen Themenwechsel, dennoch fuhr Selma unbeirrt fort.
„Neulich soll sich sogar ein Gast über deine Abwesenheit beschwert haben. Es muss wohl eine überaus unangenehme Situation gewesen sein, denn laut Ellesia hat der Herr jetzt Hausverbot."
Spätestens, als Nachtblitz beunruhigt gurrte, hätte ich an Selmas Stelle schnellstmöglich den Raum verlassen oder übers Wetter gesprochen. Nur war ich nicht an ihrer Stelle- und die alte Dame interessierte sich entweder herzlichst wenig für die bevorstehende Katastrophe, oder sie war spontan geistig um fünfzig Jahre gealtert. Damit wäre sie dann wahrscheinlich mindestens zwei Jahrzehnte älter als Gothi, aber es wäre die einzige halbwegs akzeptable Erklärung für das Riesenmaß an Unachtsamkeit, das nötig war, um die überdeutlichen Zeichen zu übersehen. Denn trotz ihres durch die silberbraunen Haare verdeutlichten Alters war Selma bisher klarer bei Verstand als mancher, der nur halb so alt war wie sie. Ein Phänomen, welches auch Gothi an den Tag legte. Und das, obwohl man im höheren Alter erfahrungsgemäß vergesslich und unaufmerksam wurde.