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Moira

Unerledigtes Eben.

Die Prophezeiung war nutzlos hier oben, dennoch hielt ich sie umklammert, als wäre das raue Pergament das letzte Fädchen, das mich in diesem Spiel hielt.
Schon ironisch. Würde ich loslassen, über den Wolken... Niemand könnte es nachweisen. Es gab nur Nachtblitz und mich. Nur uns. Das war auch die einzige Einheit in meinem Leben, die sich nicht zu ändern schien.

Nein, das war Einbildung. Wir waren keine Konstante, egal wie sehr ich daran festhalten wollte. Die Augen vor der Wahrheit zu verschließen war eine Herabwürdigung dessen, was wir durchgestanden hatten.
Wir waren nicht unzerstörbar. Ich hätte sie beinahe verloren. Wir wären beinahe zerschmettert- und es war nicht die Prophezeiung gewesen, die das verhindert hatte.

Ich machte mir nur etwas vor, versteckte mich hinter Floskeln, dem Glauben anderer, unter Ausreden. Verstrickte mich in fadenscheinigen Argumenten.
Hatte es bei den Ahnen so begonnen? Hatten sie den einfacheren Pfad der Ohnmacht betreten, erst nur probeweise, hatten gar nicht bleiben wollen, dann einen Schritt nach dem anderen getan und sich schließlich so tief im Geflecht ihrer selbstgeschaffenen Blindheit verstrickt, dass der Weg zurück ihnen die Luft abgeschnürt hatte?
Denn so war das mit der Welt. Man konnte sie ignorieren, die Probleme übersehen, doch irgendwann musste man sich völlig abschotten oder gestehen, dass man feige war. Irgendwann wuchs das Geflecht unkontrollierbar und die eigenen Sichtweisen ließen einem schwindlig werden, so wenig passten sie mehr aufeinander.
Und dann kam jemand auf die glorreiche Idee, das eitrige Geschwulst an Problemen auf jemand anderen abzuschieben.

Die Prophezeiung war nichts anderes als ein Vertrag für den Transfer solcher Probleme.

Ich könnte sie loslassen, jetzt. Wir könnten abschweifen, einfach über die Welt gleiten. Weg von den Trümmern, weg von Erwartungen, die uns ohne Vorwarnung aufgeladen wurden, weg von alldem. Ohne Rechtfertigung. Ans andere Ende der Welt verschwinden, dorthin, wo uns niemand kannte.

Es gab keine Versuchung, denn trotz aller Möglichkeiten war es letztlich nichts als eine wilde Fantasie. Natürlich, ich könnte.
Und dann was?

Anders als die Ahnen würde ich meine Verantwortung nicht auf jemand anderen abschieben. Egal, wie sehr ich es könnte.
Das war meine Aufgabe. Unsere Aufgabe.
Den Kristall zur Bruthöhle bringen. Das Geschlecht der Himmelsflüche erneut aufleben lassen. Das Drachenfeuer retten. Sungird vernichten.

Vielleicht hielt ich die Prophezeiung nur, um die Möglichkeit zu spüren, sie loszulassen.

Lesen konnte ich sie nicht. In der Tasche wäre sie sicherer gewesen.
Der Flugwind langte nach den Rändern, ließ sie tanzen. Er würde sie hinfort tragen. Weit in die Ferne. Unerreichbarkeit.

Eines Tages würde er das. Eines Tages. Sobald das alles hier vorbei war.

Sobald alles vorbei war...

Wenn alles erledigt ist, komme ich nach Berk. Versprochen.

Versprochen. Wir würden nach Berk fliegen, wenn wir hiermit fertig waren. Das war neben der Seelenbindung das einzig Gute, was der Stamm, die hochwohlgeborenen Stjornur, mir geboten hatten. Zwei kleine, weiße Inseln in einem Meer aus Blut.
Was ein Stern, ein Stjarna, versprach, konnte nicht gebrochen werden. Niemals.
Deshalb konnte ich nie viel versprechen.

Anders als Nira. Die hatte keine Probleme damit, ihre Versprechen zu brechen.
Argh, schon wieder? Konnte ich nicht einen Tag lang nicht über diese... Person nachdenken?
Im Ernst, sie hatte mir fast den Kopf abgeschlagen, aber ihre paar Auftritte in dieser Schlacht nagelten sie in meinem Hirn fest?
Erbärmlich.
Und ich hatte sie tatsächlich auffangen wollen. Pffft. Verfluchte Dracheninstinkte.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt