Astrid
Ich hätte am liebsten irgendwas zerstört. Mit oder ohne Axt, ganz egal.
Wie konnten wir nur so blind sein?
Selma hatte von Anfang an alles gewusst; Wer wir waren, was wir wollten, wie die Lösung lautete. Einfach alles!
Praktischerweise kam sie damit erst jetzt um die Ecke. Klar, Nira hatte es nicht erfahren dürfen, aber warum hatte sie uns nicht einfach darüber aufgeklärt, dass Moira eben nicht Moira war? Warum musste sie aus absolut allem ein Geheimnis machen?
Bei Odin, klare, eindeutige Antworten waren verdammt nochmal kein Ding der Unmöglichkeit!„Ist das dein Ernst? Du verteilst die ganzen Rätsel und siehst dann däumchendrehend dabei zu, wie wir an ihnen verzweifeln?!"
Mit dieser Reaktion hatte Selma wohl nicht gerechnet. Ihr Lächeln verschwand und ihre Haut wurde blasser. Kein Wunder, die Wut hatte bei jedem von uns die Überraschung aus den Gesichtern gespült und klang aus Meallas Worten mehr als deutlich heraus.
„Was hätte ich sonst tun sollen? Freiwillig wärst du hierher nicht zurückgekehrt."
„Ach, darum ging es also! Du wolltest nicht allein sein. Ehrlich, Selma, so ein jämmerliches Verhalten hätte ich dir nicht zugetraut."
Diese miese alte Kreatur von Frau!
Wir begaben uns tagelang in Gefahr, nur damit sie jemanden zum Labern hatte? Wie um Himmels Willen konnte ein Mensch so egoistisch sein? Besonders sie, die uns allen bisher die Fürsorgliche vorgespielt hatte?
Das würde sie noch bereuen!Irgendwas zerbrach. Erschrocken fuhr Selmas Blick zu mir.
Blut tropfte in dünnen Rinnsalen von meiner Hand, in die sich die spitzen Scherben des Kompassglases bohrten. Die Nadel fiel leise klappernd auf den Tisch, ironischerweise exakt auf das Wort „Kompass" in dem Rätsel. Verwundert starrte ich auf meine Hände. Das Metallgehäuse der Orientierungshilfe war fest umschlossen von meiner Faust, die runde Form wies Dellen auf. Ich spürte nichtmal, wie ich das kleine Gerät weiter zerdrückte, ebenso wenig nahm ich den Schmerz der Schnitte wahr.
Es war genau so, wie man es immer sagte: Wut machte blind, obwohl man sah.Ich hatte die Nase voll, und zwar gestrichen.
Dass Moira uns offensichtlich zu viel verschwieg, war die eine Sache. Es war nervenaufreibend, definitiv, aber es war ihre Entscheidung. Früher oder später würde sie sowieso nicht mehr ausweichen können, das wussten wir alle.
Aber jetzt zu erfahren, dass diese ganze Suche auf solch einem lächerlich eigensüchtigen Wunsch basierte, war zu viel.
Ich hatte Berk ganz sicher nicht verlassen und gegen Horden von Drachenjägern gekämpft, damit diese senile alte Schachtel ein bisschen Gesellschaft hatte!Der nun unerkennbare Kompass zischte haarscharf an Selmas Ohr vorbei.
„Hast du überhaupt den leisesten Schimmer einer Ahnung, was wir für diese beschissenen Rätsel alles auf uns genommen haben?!"Selma öffnete bedächtig ihren Mund.
Mein Herz beschleunigte, Blut raste durch meinen Körper, jeder ansatzweise rationale Gedanke wurde fortgespült.
Ein Wort, ein einziges Wort, und ich würde die Beherrschung verlieren. Ich wollte die Beherrschung verlieren. Ich wollte um mich schlagen, treten, diese verfluchte Hütte mit den dämlichen Rätseln zerstören. Es reichte, meine Grenze war endgültig überschritten. Selma war soeben lachend über sie hinweg getanzt. Selbst den Feigling von Johann hasste ich nicht so abgrundtief wie sie in diesem Moment.
Nur ein einziges Wort, dann wären die Berserker nichts gegen mich.Und ich hatte mich noch nie dermaßen über eine Entschuldigung aufgeregt.
Verdammt, konnte sie nicht einfach wieder lächeln? Dann hätte ich Grund genug gehabt, aufzuspringen und der ganzen aufgestauten Wut freien Lauf zu lassen.
Dann wäre nichts, rein gar nichts vor mir sicher gewesen, weder die staubigen Bücher noch die robust wirkenden Möbel.
Dann hätte ich endlich mal meinem inneren Drang nachgeben können.
Wie sollte ich das tun, wenn sie selbst so aussah, als würde sie es mehr bereuen als wir alle zusammen?
Verflucht, ich hasste es!
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Sternenfluch - Segen der Finsternis
Fanfic„Das ist kein Segen, das ist ein Fluch." „Manchmal liegen Segen und Fluch so nah beisammen, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten kann." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ **BAND ZWEI** Zwei Stämme, eine Geschichte. Zwei Menschen, eine Vergangenheit...