(42) Die Sterne werden fallen

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Hicks

Nachtblitz tobte. Splitter und Dreck spritzten, als sie sich mit wüsten Bewegungen aufrappelte, die Ohren fest an ihren Hals gepresst. Sie rief etwas, ein vor Verzweiflung gellender Laut, wartete kaum, dass wir anderen auf die Beine kamen und preschte los, fort in Richtung des Einschlags.

Wortlos zerrte Astrid Heidrun vor sich auf den Todsinger, Fleischklops stieß Rotzbakke geradezu in ihren Sattel, Windfang und Schnüffler griffen sich Hakenzahn und schon hoben wir ab, durchbrachen das Blätterdach und fielen dem geifernden Sturm zum Opfer.
Vor uns zwei glühende Lichtquellen, über uns hielt der Mond die Sonne noch immer gefangen. Der Vulkan spie rotes Licht aus, aber was war das neben ihm? Silbernes Gleißen, ein flammenloses Leuchtfeuer, das die glühende Lava wie einen Schatten wirken ließ. Gefallener Stern. Und Nachtblitz hielt mit mottenhafter Unbeirrbarkeit darauf zu.

Der Wind spülte uns regelrecht unserem Ziel entgegen. Das Licht fing sich an gewaltigen Felsstufen, die sich halbmondförmig um den leuchtenden Kern erhoben. Ein strahlender, weißer Fleck, um den sich Felstrümmer stapelten. Das Zentrum des Einschlags.
Sollte dieses Oval ein Stern sein?

Nachtblitz landete unsanft am Rand des Kraters. Einige Steine gerieten ins Rollen und trudelten dem hellen Zentrum entgegen, prallten ab und blieben wenige Meter weiter liegen. Fast, als würde der Stern abstehen. Die Drachendame kümmerte es nicht, sie rannte stolpernd an ihnen vorbei und auf das nun irgendwie unrein wirkende Licht zu.
Unrein, als hätte sich ein Schatten in es geschlichen- da lag jemand. Etwas. Da lag etwas, in der Mitte des Ovals, wo der Schein am stärksten war.

Ich kletterte aus dem Sattel, vorsichtig. Wenn meine Prothese ungünstig zwischen die Steine geriet...
Nachtblitz rief wieder, noch herzzerreißender als im Wald. Wie zur Antwort bewegte sich der Schatten, zwei Flügel zeichneten sich ab. Flügel und ein vertraut wirkender Rumpf, ein abgeflachter Kopf- das war kein gefallener Stern. Das war der zweite Himmelsfluch, der in einer Bruchlandung die Insel zum Beben gebracht hatte. Zufällig genau auf diesem leuchtenden-

Auge. Einem riesigen, aus leuchtendem Kristall geschaffenen Auge.
Von wegen Zufall.

Mein Körper setzte sich tranceartig in Bewegung. Schritt um Schritt, ein fortlaufender Prozess, den ich nicht aufhalten wollen konnte. Scharren verriet, dass meine Freunde dem unentrinnbaren Zog ebenso erlegen waren.
Auf dem Kraterboden stand die Luft still. Sämtliche Sturmschergen hatte es an den Rand gedrängt, wo ihre windigen Leiber eine dichte Mauer schufen.

Ein neuer Ruck durchfuhr den gefallenen Drachen. Seltsam lag er da, flach an den Stein gepresst, als wäre er unfähig, aufzustehen.
Nicht nur, als wäre.
Er konnte nicht. Schmerz hatte sich in seine Züge gegossen, begann bereits zu entrücken. Und mit ihm das Leben.

Nachtblitz fiepte, der Himmelsfluch wimmerte leise, die abgestreckten Flügel zuckten über den Kristall. Zuckten weiter, dichter zum Körper, selbst der Schweif schnurrte zurück, wurde kürzer und kürzer. Alles schrumpfte zusammen, konzentrierte sich zu einem dunklen Fleck, aus dem sich allmählich eine kleinere Figur kristallisierte. Eine menschliche Figur.

Moira.

Wacklig stützte sie sich auf ihre Unterarme, ihr Blick glitt über die Kante des Auges zu Nachtblitz. Schwach murmelte sie ihren Namen, beinahe fragend. Ein kleines Lächeln zuckte über ihre Mundwinkel, ehe sie zusammenbrach und reglos liegen blieb.

Ich rannte.
Rannte, als ob ich irgendwas ändern könnte. Rannte, das Echo meiner Schritte ein hohles Klagen.
Rannte, bis ich nah genug war, um die Löcher in der schwarzen Rüstung zu sehen, die geplatzte Haut, das verkohlte Leder. Die Panzerung hing in Fetzen, ihr Blut zog rubinfarbene Schlieren über das reine Weiß. Sie roch nach Schwefel, verbrannt wie das Innere des Vulkans, in den schweren Brandwunden waren Fleisch und Kleidung verschmolzen.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt