Kapitel 4: Studienzeit

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war die Welt für den Bruchteil einer Sekunde in Ordnung. Dann traf mich die Erinnerung an den vergangenen Abend. Mir wurde übel beim Gedanken daran, was ich getan hatte. Und gleichzeitig kribbelte mein ganzer Körper bei der Erinnerung an ihn.

Ich hatte mir geschworen, nie wieder auf ihn oder Typen wie ihn reinzufallen. Allerdings hatte sich herausgestellt, dass mein Männergeschmack auch mit einem Wort zu beschreiben war: Vollidiot. Dumm nur, dass man das immer erst reichlich spät bemerkte...

Rückblick: 10 Jahre früher

Zwei Jahre nach dem Abschluss war die ganze Sache mit ihm ziemlich vergessen. Ich war in eine andere Stadt gezogen, wohnte auf dem Campus und das Studium nahm den Großteil meiner Zeit ein.
Ich bewohnte ein Einzelzimmer in einem der Häuser und war froh darüber. Die meisten der anderen Mädchen im Haus waren zwar nett, aber mehr an den Jungs hier interessiert, als an ihren Studienfächern.

Ich studierte Grafik- und Kommunikationsdesign und fühlte mich in diesen Fächern angekommen. Meine Freizeit verbrachte ich teilweise mit den anderen Mädchen aus dem Haus, viel öfter aber in der Bibliothek oder im Park auf dem Campus.

Es war einer dieser schönen Tage im Frühsommer, als ich mit einem Buch und einer Tupperdose voll Beeren auf einer Decke im Park saß. Um mich herum tummelten sich andere Studenten, die das Wetter genossen und spazieren gingen, Sport trieben oder einfach nur chillten.
Ich war in eines meiner Lieblingsbücher vertieft, als sich plötzlich ein Paar Füße in mein Blickfeld über dem Bucheinband schoben.
"Emilia?!"
Ich sah langsam höher, sah eine blaue Sporthose, dann eine rote Trainingsjacke und schließlich das lächelnde Gesicht von... Lance Tucker.

"Tatsächlich!" Er grinste und setzte sich ungebeten im Schneidersitz vor mich auf meine Decke.
"Tucker..." murmelte ich nur und sah wieder in mein Buch. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, ihn hier zu treffen. Ich hatte nichtmal gewusst, dass er hier studierte.
"Hey..." Er legte den Zeigefinger auf mein Buch und schob es ein Stück nach unten, damit ich ihn ansehen musste. Ich erwiderte seinen Blick und versank in seinen blauen Augen - wiedermal.
Sein Grinsen verschwand langsam und er sah mich jetzt ernster an: "Wie geht es dir?"
War das sein verdammter Ernst?! "Gut," sagte ich kurz und knapp.

Lance nickte und schien zu überlegen: "Hör zu, ich... ich hab dich hier schon ein paar Mal von Weitem gesehen und... Es tut mir Leid, wie das damals gelaufen ist... ich wollte nicht, dass dieser ganze Scheiß passiert... ich hab es Don und Lloyd erzählt, weil wir damals eben über alles geredet haben... aber ich hätte nie gedacht, dass er es jemandem sagt..."
Ich sah ihn an und ließ seine Worte sacken. Warum entschuldigte er sich jetzt, zwei Jahre später, für den ganzen Scheiß? Nicht, dass ich ihm vorher die Gelegenheit gegeben hätte, aber es verwirrte mich trotzdem.

Er sah mich mit einem Hundeblick an und ich seufzte leise: "Es ist vorbei und hier weiß niemand davon... also vergiss es einfach, okay?"
"Heißt das, du verzeihst mir?" Er grinste wieder und setzte sich jetzt neben mich.
"Keine Ahnung..." Ich wusste es wirklich nicht. Er zupfte ein Gänseblümchen aus der Wiese und hielt es mir vor die Nase: "Ach bitte..."
Ich musste lächeln. Er war wirklich süß, wenn er nicht gerade ein Arsch war. Ich nahm das Gänseblümchen und nickte: "Ja, okay, wenn du dich damit besser fühlst." Ich versuchte, so genervt wie möglich zu klingen.

Er strahlte mich an und rückte noch ein Stück näher: "Dann hängen wir wieder zusammen ab?"
"Warum willst du das plötzlich, Tucker?" Irgendwie traute ich dem Frieden nicht.
Er zuckte mit den Schultern: "Naja... Don hat eine feste Freundin... Lloyd neuerdings auch... die haben immer weniger Zeit und alleine ist es langweilig..." Er schob seine Unterlippe vor und sah mich an.
Ich musste lachen: "Du hast doch genug andere Freunde."
"Aber keine, die mich wirklich kennen. Die sehen nur den coolen Sportler..."
"Und die ganzen Mädchen, die du abschleppst?" hakte ich nach.
Er legte sich theatralisch die Hände auf die Brust: "Die wollen doch alle nur meinen Körper!" Wir lachten beide.

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