Neun

51 7 0
                                    

Früh am Morgen lag die Decke auf dem Boden, ordentlich zusammen gelegt. Von Ophelia fehlte jede Spur. Ich hatte kaum geschlafen aber trotzdem nicht mitbekommen wie sie ging. Im Endeffekt war ich froh darüber.

Anya verschrieb mir strikte Bettruhe um zu genesen, brachte mir aber hin und wieder ein paar Köstlichkeiten aus der Küche. Ansonsten blieb mir nichts weiter als die Decke anzustarren und zu viel nachzudenken, was mich nur noch übellauniger machte. Ein paar Tage vergingen ohne das sich mein Vater nochmal hatte blicken lassen. Und auch ansonsten schien es still in dem Haus zu sein, das ich mein eigen nannte.

Bis an jenem Abend...

Es klopfte an der Tür und ich rief schneller als mir lieb war "Herein!", weil ich es leid war alleine zu sein. Ophelia streckte den Kopf durch die Tür und sah mich an. "Darf ich?" fragte sie - als würde sie ernsthaft auf Erlaubnis warten... Ich nickte und sie trat ein. "Ich hab ein paar Filme mitgebracht. Und Popcorn."

Sie saß wieder vor dem Bett auf dem Boden, hatte eine Decke über sich ausgebreitet und war fasziniert von dem, was der TV Bildschirm bot. Ich für meinen Teil war froh über die kleine Abwechslung, auch wenn ich Ophelia noch immer nicht als mehr als eine Notwendigkeit betrachtete. Bei den richtigen Stellen im Film lachte sie, aber ich konnte auch sehen wie die manches mal ihren Kopf schräg hielt wenn eine Szene besonders ergreifend war. Als die Protagonistin im Film am Ende endlich ihren Vater fand war es, als hätte man ein Abziehbild von Ophelia's Leben genommen. Ich hörte wie sie die Nase hoch zog und war mir sicher sie würde weinen, es aber unter Verschluss halten wollen. Sie wollte verbergen, daß sie noch immer über den Verlust trauerte.

"Ich sollte gehen." murmelte sie schließlich beim Abspann und stand so rasch auf wie sie nur konnte. Die Decke in ihren Händen war fix zusammen gelegt und sie vermied es in meine Richtung zu blicken, was aber nicht verhinderte das ich ihre Tränen trotzdem sah.

Irgendwie hatte ich Mitleid mit ihr. Ich konnte die Trauer fast greifen, so überdeutlich stand sie wie die Luft in diesem Zimmer. Ich dachte an meine Mutter und an all die Dinge die sie mir beigebracht hatte, an all die male in denen sie mit mir schimpfte weil ich etwas dummes getan hatte - doch anstatt mich zu bestrafen liebte sie mich noch mehr und zeigte es deutlich. Anders als mein Vater, für den ich nur noch Ballast gewesen war.
Langsam rappelte ich mich auf. Ich dachte gar nicht groß darüber nach sondern tat einfach das, was in diesem Moment angebracht war. "Komm her." murmelte ich und öffnete langsam meine Arme. Ich hasste diese Frau - für all das was sie war und für all das was sie getan hatte - aber ich konnte sie so nicht gehen lassen... Das hatte ich am Grab ihres Vaters auch nicht.

Als sie schließlich nachgab und meine Umarmung annahm waren alle Dämme gebrochen und sie weinte bitterlich an meiner Brust. Keiner von uns sagte ein Wort, weil es nichts tröstliches zu sagen gab.

Am nächsten Tag hatte ich genug davon nur im Bett zu verbringen. Es war nicht die angenehme Art und Weise, die ich klar bevorzugte - in Gesellschaft einer schönen Frau, die ihre Nägel in die Laken krallte während ich sie nahm... Die Abstinenz und Einsamkeit hatten mich noch übellauniger gemacht als ohnehin schon.

Anya summte etwas als ich die Küche betrat. Ihr strenger Blick mir gegenüber ließ mich kalt denn sie wusste das auch ich meine Grenzen hatte. Trotzdem kümmerte sie sich gut um mich und stellte kurz nach meiner Ankunft in der Küche einen Teller mit frischen Waffeln vor mich hin. Einen weiteren Teller, ebenfalls gut befüllt, ließ sie neben dem Herd stehen. "Kannst du..." begann sie aber ich hielt die Handfläche nach oben um sie zu unterbrechen. "Ich regel das." murmelte ich. Ich wusste das sie mich zu Ophelia schicken wollte, weil es mittlerweile fast schon normal war.

BLOODLINE : CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt