Dreiundzwanzig

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Die ganze Nacht fuhr ich herum, mied die Adresse die mir Anya gegeben hatte und versuchte mir selbst einzureden das alles gar nicht so schlimm und ich nur so drauf war, weil die Angelegenheit Spuren hinterlassen hatte. Ich versuchte mir selbst klar zu machen das nichts davon etwas mit Ophelia zutun hatte - auch nicht meine Schlaflosigkeit.

Irgendwann stoppte ich als ich zum xten mal um den Block gefahren war - ich war müde, auch mental. Alles hatte seinen Tribut gefordert. Die Ringe unter meinen Augen wurden dunkler, mein Bart war nicht länger gepflegt und gestutzt. Hätte ich es nicht besser gewusst hätte ich den Mann im Spiegel bedauert und ihm ein paar Dollar zur Verfügung gestellt...

Anya's Worte beschäftigten mich noch immer - sie war der Grund wieso ich überhaupt gar nicht erst auf die Idee kam einfach wieder nach Hause zu fahren. Sie sagte, ich solle ja nicht ohne Ophelia zurückkehren und machte ihren Standpunkt klar, doch was war wenn Ophelia mit alledem - mit mir - abgeschlossen hatte und gar nicht mehr zurück wollte? Was, wenn sie ihr Leben langsam wieder in den Griff bekam und mich schon fast vergessen hatte? Hatte Anya auch dafür einen Masterplan oder war es einfach nur ihr bloßer Wille Berge zu versetzen und das scheinbar unmögliche möglich zu machen?

Es half nichts. Ich hatte keine Wahl. Also fuhr ich die Straße entlang, die zu der Adresse auf dem Zettel führte.

Es war ein kleines Café.
Ich war etwas überrascht, weil ich doch mit einem Wohnhaus oder ähnlichem gerechnet hatte. Um diese Uhrzeit war es natürlich geschlossen und doch stieg ich aus und lief auf die Vordertür zu, nur um mir die Öffnungszeiten anzusehen. "Noch ein paar Stunden." murmelte ich und blickte auf meine Uhr. Mir blieb also nichts weiter übrig als zurück zum Wagen zu gehen und die Zeit die bis zur Öffnung blieb irgendwie zu überbrücken.

Schlafen war keine Option, das wusste ich. Also dachte ich darüber nach wie Ophelia reagieren würde, wenn sie mich sah. Würde sie sich freuen? Würde sie lächeln und auf mich zu kommen oder würde sie versuchen so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen, weil sie mit mir bereits abgeschlossen hatte?

Ich würde es herausfinden und ganz gleich wie sehr ich mich dagegen wehrte, ich blieb wo ich war. Ich musste es wissen.

Das Café öffnete und ich beäugte die Menschen, die hinein strömten. Manche nahmen davor Platz, als die ersten Angestellten Tische und Stühle hinaus gebracht hatten. Es war gut besucht, bereits in den frühen Morgenstunden - aber Ophelia war nirgends zu sehen. Von meinem Wagen aus beobachtete ich das Café weiter und es vergingen Stunden, ohne das ich auch nur einen Muskel bewegte.

Einige Zeit später stieg ich schließlich aus. Ich hatte keine Geduld mehr und ich musste etwas unternehmen, weil meine Gedanken mich fast an den Rand des Wahnsinns trieben. Ich tat also das einzigste, was ich tun konnte und marschierte direkt auf das kleine Gebäude zu, auch wenn ich noch nicht wirklich einen Plan hatte.

Drinnen herrschte Hochbetrieb und jeder Angestellte hatte seine zugewiesene Fläche um zu arbeiten. Alles schien wie ein Uhrwerk zu laufen und der frische Duft von Gebäck und Kaffee füllte die Luft um mich herum. Ich schritt langsam aber zielsicher Richtung Theke, sah mich weiter um und hörte dann eine Stimme, die ich kannte... Bis ich sie sah, wie sie - mit einem übergroßen Tablett voll mit Geschirr - aus der Küche kam. Sie war so fokussiert, daß sie mich gar nicht wahrnahm, entschuldigte sich aber trotzdem und versprach mich gleich zu bedienen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

"Sooo.. Sorry. Heute morgen ist die Hölle los. Was kann ich ihnen bringen?" fragte sie und schaute erst dann auf. Als ihre Augen meine trafen verließ das Lächeln auf ihrem Gesicht ihre Züge. "Hey, Ophelia." flüsterte ich. Meine Stimme klang rau und fremd, als würde sie gar nicht mir gehören.
Sie schwankte etwas, fing sich aber schnell wieder. Als sie meinen Namen hauchte schoss Gänsehaut über meinen ganzen Körper. "Cameron."

BLOODLINE : CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt