Fünfzehn

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Als es wieder sicher genug war - zumindest nach meiner Auffassung - schaffte ich Ophelia zum Wagen und fuhr nach Hause. Sie war sehr still und in sich gekehrt weil sie all das erst einmal irgendwie verarbeiten musste... Ich hingegen tobte innerlich, weil mein Zorn jegliche Emotion überschattete.

Meine Männer hatten sich vor dem Haus versammelt und mitten unter ihnen erkannte ich Anya, über deren Zustand ich mir die ganze Zeit ebenfalls Sorgen gemacht hatte. Sie stand völlig unversehrt aber mit Sorge in ihrem Gesicht dort, hatte die Hände gefaltet als würde sie beten... Und hörte erst damit auf als ich die Beifahrertür öffnete und Ophelia beim aussteigen half. "Oh Gott sei Dank!" rief die ältere Dame aus, "euch geht es gut! Ihr geht es... Gut."

Gut war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber wir waren am Leben. Anders als die beiden Männer die ich mit zum Markt geschickt hatte... Sie waren tot, das hatte Ophelia mir gesagt - und Anya bestätigte das. "Es ging alles so schnell. Einer der Jungs hatte mich abgeschirmt, der andere Ophelia. Aber sie waren chancenlos und ehe ich mich versah war Ophelia verschwunden und die Jungs tot." erklärte Anya weiter. Wieder faltete sie die Hände und kam auf uns zu. "Es tut mir so leid, ich hätte achtsamer sein sollen."

Sie gab sich minimum eine Mitschuld an allem, obwohl sie das nicht musste. Ophelia sah das wohl genauso wie ich, öffnete sie doch zaghaft ihre Arme um Anya in eine Umarmung zu schließen - was mein Herz noch mehr schmerzhaft bluten ließ. "Bring sie rein. Ich muss mit den Männern reden." sagte ich schließlich und achtete darauf das meine Anweisungen auch sofort umgesetzt wurden. Sobald die beiden Frauen ins innere des Hauses verschwunden waren neigte ich meinen Kopf in Richtung meiner Männer und sah jeden von ihnen an. "Ich weiß wer sie attackiert hat. Ich weiß, wer die beiden Männer getötet hat." war das einzige was ich sagen musste um die Entschlossenheit jedes einzelnen sehen zu können. Es stand ihnen ins Gesicht geschrieben das sie bereit waren Rache zu nehmen und jeden zu vernichten der damit zutun hatte.

"Und was jetzt, Boss?" fragte einer von ihnen, der gerade seine Waffe durchgeladen hatte. "Jetzt..." murmelte ich, "... Jetzt werden wir die Hölle los brechen lassen."

Bevor ich aufbrach ging ich noch einmal ins Haus. Anya stand in der Küche, lehnte gegen die Theke und starrte vor sich hin ohne etwas zutun. Ich wusste das sie genauso unter Schock stand wegen dem was geschehen war, trotzdem versuchte ich sie einzubinden und ihr eine Aufgabe zu geben, die sie ablenken würde. "Wir haben lange verhandelt da draußen." begann ich meine Rede, "aber wir haben uns geeinigt. Einige bleiben hier um dich und Ophelia zu schützen und ich möchte das du dich extra um sie kümmerst. Die anderen gehen mit mir."

Anya schaffte es mich anzusehen. Sie war völlig unverletzt, doch ihr Gesicht sprach eine andere Sprache. "Ich weiß was du vor hast. Du könntest sterben." warf sie ein und faltete erneut ihre Hände. Sie sah auf sie herab. "Ich glaube dass das nicht im Interesse von Ophelia ist. Und schon gar nicht in meinem."

Zum ersten Mal zeigte sie so etwas wie Angst. Angst, daß ich nicht mehr zurück kehren würde. Angst, daß all das hier noch schlimmer wurde, aber auch Sorge das, wenn ich nicht mehr zurück kam, Ophelia dem ganzen ausgesetzt war. "Wenn sie sie kriegen werden sie ihr weh tun."

"Dann darf ich nicht sterben und das nicht zulassen." war alles was ich darauf erwiderte. Ich ging auf Anya zu, legte meine Hand auf ihre Schulter und drückte einmal sanft zu, ehe ich mich auf den Weg zu Ophelia machte. Wie erwartet hatte sie sich zusammen gerollt. Die Decke bedeckte sie vollständig, doch eine Haarsträhne schaute heraus. Sie lag im Bett, als könnte sie sich von all dem dort draußen einfach so abschotten. Langsam ließ ich mich neben ihr auf dem Rand des Bettes nieder. Meine Ellbogen ruhten auf meinen Beinen während ich mir müde durchs Gesicht fuhr.

BLOODLINE : CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt