Siebenundzwanzig

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Ophelia und ich konnten kaum die Finger von einander lassen.

Sie war anders, aber ich war es auch - wenn ich mit ihr zusammen war. Die Zeit verging wie im Flug und ehe ich mich versah hörte ich die ersten Stimmen im Hof vor der Tür. "Sie kommen zurück." grummelte ich und sprang auf. Das Kissen zu meiner linken bedeckte einen Teil meines Körpers und gerade als die Haustür aufsprang schaffte es Ophelia sich die Decke zu schnappen. Sie beeilte sich, aber Anya war flink unterwegs - und erwischte uns. "Oh,... Ach du liebe Güte!" rief sie empört, unterdrückte allerdings ein Lächeln. "Na, dann werde ich den Jungs mal den Zutritt zum Haus verweigern."

So schnell wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder - was allerdings unsere Chance war ebenfalls zu flüchten. Ophelia rannte vor mir die Treppen hinauf, direkt auf mein Schlafzimmer zu, während mein nackter Hintern ihr stets folgte. In meinem Schlafzimmer angekommen schlug ich die Tür zu und schaute zu Ophelia, die den Blick erwiderte. Sie brach in helles Gelächter aus weil es ihr weitaus weniger unangenehm gewesen war als mir, das Anya uns so vorgefunden hatte. "Entspann dich, Cameron. Anya ist cool."

Sie kam auf mich zu, ließ die Decke fallen und nahm auch mir das Kissen vor meinem Schwanz weg - nur um sich dann im selben Moment auf mich zu stürzen.

Frisch geduscht und bekleidet ging ich in die Küche, die Anya wieder übernommen hatte. Die ältere Dame summte ein Lied während sie sich um ihre Aufgaben kümmerte und drehte sich auch nicht zu mir als ich eintrat. Auch wenn ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, so konnte ich aber doch ihr lächeln spüren. "Ich nehme an es lief gut?" fragte sie. Erst da erkannte ich das Nudelholz direkt neben ihr auf der Anrichte. Ich räusperte mich und versuchte so neutral wie möglich zu bleiben - was kaum möglich war. "Ja. Ich würde sagen... Es lief gut."

"Und nun? Wie geht es weiter?"

Ich erzählte ihr von den Neuigkeiten, das Ophelia einziehen würde. Das strahlen auf dem Gesicht der alten Frau als sie mich endlich ansah war heller als die Sonne selbst und ich freute mich, daß sie es so positiv aufnahm - nicht zuletzt weil ihre Meinung mir nicht egal war. "Ich habe lange spekuliert wie lange du brauchen würdest um zu erkennen wer Ophelia für dich ist. Zugegeben - du warst schneller als ich dachte. Und jetzt da sie hier einzieht kommst auch du endlich an." sprach sie.

"Ich bin schon vor langer Zeit angekommen. Das ist mein Haus." gab ich zurück, weil ich es nicht verstand was sie zu sagen versuchte. Anya wischte sich an einem Tuch die Hände ab und kam näher. "Nein, Cameron. Und das war auch in Ordnung. Du hast einen wichtigen Menschen in deinem Leben verloren, genauso wie ein Teil von dir selbst. Aber seit dem Moment als Ophelia hier war hat sich etwas verändert. Schleichend und langsam, aber es hat sich etwas getan. Du hast dich verändert. Du bist endlich - mit dem Kopf und dem Herzen - zuhause angekommen. Sie kann deine Mutter nicht ersetzen und das wird sie auch nicht versuchen, aber sie füllt die Leere in dir wieder."

Normalerweise war mir diese Gefühlsduselei zu viel, weil ich es - auch dank der harten Hand meines Vaters - als Schwäche abgetan hatte. Aber diese Grenze hatte ich schon längst überschritten, spätestens jedoch als ich mit Ophelia in meinen Armen zu singen begann. Jetzt war der Instinkt zu flüchten so gering, auch wenn ich wusste was die ältere Dame vor mir tun würde. Sie umarmte mich und es war in der Tat wie eine Erlösung, ein Befreiungsschlag. So sehr, das ich die Umarmung nur zu gern erwiderte.

Ein leises räuspern ließ uns aber dann doch auseinander fahren. Ophelia stand - im selben Outfit wie zu Beginn des Abends als sie hierher kam - im Türrahmen und beobachtete uns. Sie lächelte. "Ich wollte nicht stören, aber... Ich würde wirklich gern ein paar Sachen zum anziehen holen." murmelte sie. Dieser Weckruf ließ mich alles andere vergessen, denn ich wollte nichts mehr als ihren Umzug so schnell es geht durchzuziehen.

Worauf noch warten?

Die wenigen Dinge die Ophelia besaß waren schnell verladen und noch schneller saßen wir wieder im Wagen und waren auf dem Nachhauseweg. Ich konzentrierte mich die meiste Zeit auf die Straße, mir entging jedoch auch nicht wie Ophelia das Geld in ihrem Portemonnaie zählte. Als ich irgendwann nicht mehr die Geduld hatte es zu ignorieren... "Was machst du eigentlich? Du zählst seit einer gefühlten Ewigkeit nach..."

"Es mag dir fremd erscheinen, aber normalerweise hat man eine 3 monatige Kündigungsfrist. Das bedeutet das ich bis dahin die Miete weiter zahlen muss."

"Sag mir wie viel und ich kümmere mich darum." gab ich zurück. Prompt erntete ich dafür einen Giftblick. "Was denn? Das ist wirklich kein großes Ding... So hast du zumindest eine Sorge weniger."

Es war egal was ich sagte - es schien verkehrt. Der Giftblick blieb und wurde durch einen schmale Linie ihrer Lippen ergänzt. Meine Augen glitten von Ophelia zurück zur Straße und der Vorgang wiederholte sich ein paar mal, während sie mich mit Schweigen strafte... Und das blieb so, bis wir zuhause waren.

Ich lud ihre Sachen aus dem Wagen und meine Männer brachten sie ins Haus, während ich gegen den Wagen lehnte und Ophelia beobachtete. Sie schien sich über etwas zu ärgern, aber ich wusste nicht worüber. "Rede mit mir." forderte ich. Ihr Kopf schoss hoch, Giftpfeile durchbohrten mich.

"Ich weiß das du viel Geld hast. So viel, das du dir nie wirklich Sorgen um etwas machen musst... Und ich weiß auch das viele deiner früheren Frauen das auch wussten und das dich das womöglich für sie noch attraktiver gemacht hat. Aber ich bin anders, Cameron. Ich will dich um deinetwillen, nicht wegen des fetten Bankkontos. Also... Bitte ich dich das zu respektieren, denn ich will für meinen Scheiß selbst aufkommen."

Das war ein weiterer Grund diese Frau anzubeten. Ich wusste das sie es nicht auf das Geld abgesehen hatte, das es ihr sogar egal gewesen war wie viel Geld ich überhaupt hatte. Ihr ging es nicht darum um die Welt zu jetten und die teuersten Läden und Boutiquen restlos leer zu kaufen. Ich kniete mich vor sie, um auf Augenhöhe zu sein. "Das weiß ich. Aber trotzdem möchte ich das es dir gut geht und das du alles hast was du brauchst. Also ist mein Vermögen auch deines. Und als Zeichen des Vertrauens werde ich dir eine Vollmacht einräumen und dir eine Karte aushändigen. Was du damit machst, was du damit bezahlst - liegt bei dir."

Ich küsste sie, damit das Thema nicht noch tiefere Gräben zog. Ich respektierte ihre Entscheidung, wollte ihr aber eine Tür offen halten - schließlich hatte ich die Frau gefunden, mit der ich mein Leben teilen wollte und dazu gehörte auch, daß ich mein Geld teilte.

Nach einigen Wochen hatte sich Ophelia eingelebt und ich hatte akzeptiert, was ihre Wünsche betraf. So ging sie arbeiten um in erster Linie für die Miete zu sorgen, kam mir aber ein Stück weit entgegen was die Hin und Rückfahrt anging - so fuhr entweder ich sie zur Arbeit und holte sie wieder ab, oder einer meiner Männer tat es wenn ich verhindert war. Es war ein kleiner Kompromiss für sie, doch ein großer für ihre Sicherheit wenn man mich fragte. Alessandro war zwar kein Thema mehr, doch das Erlebnis mit meiner Mutter hatte mich gelehrt das man sich nie zu sicher fühlen sollte.

Gerade hatte ich den letzten Termin und war auf dem Weg zum Wagen um nach Hause zu fahren, als mein Handy klingelte. Ich war entspannt, selbst als ich die Nummer von zuhause erkannte, doch das blieb nicht so... "Ja?"

"Cameron?" hörte ich Anya flüstern. "Du musst nach Hause kommen. Sofort. Bitte... Beeil dich."

"Stimmt was nicht? Ist was mit Ophelia?"

Langsam geriet ich doch etwas in Panik, riss die Tür auf und stieg ein. Im selben Moment jaulte der Motor des Wagens auf. Die Stille auf der anderen Seite der Leitung machte mich fast wahnsinnig. "Anya! Was ist los? Rede!" forderte ich grob. Dann hörte ich ihr seufzen, begleitet von Resignation.

"Dein Vater... Er ist hier. Und er hat eine Waffe."

BLOODLINE : CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt