Die Ruhe vor dem Sturm.
Es hatte etwas tröstliches, denn niemand kannte den Ausgang einer solchen Begegnung. Entweder würde unser Gegner am Ende sein eigenes Blut kotzen, auf den Knien direkt vor mir - oder aber ich würde Mutter wieder treffen. All die Zeit nach ihrem Tod hatte ich diese Vorstellung und ich war bereit mein Leben zu geben - aber auch eines mit in den Abgrund zu reißen.
Aber jetzt...
Ich lehnte gegen den Wagen, Ophelia stand direkt neben mir. Sie fröstelte und hatte Angst. Eden's Männer hatten ihren Auftrag, der nichts anderes besagte als uns zu unterstützen und gleichzeitig für Ophelia's Sicherheit zu sorgen. Ich wusste das sie das anstandslos umsetzen würden und ich war mehr als nur froh ihre Unterstützung hier zu haben... Auch wenn ich es begrüßt hätte Eden selbst hier stehen zu sehen. Er war zwar schon lange kein Teil mehr von solchen Konflikten, allerdings verbreitete allein sein Name noch immer Angst und Schrecken. Er beschützte, was er liebte - seine Tochter. Ihr zuliebe gab er so vieles auf, das ihn so skrupellos hatte werden lassen und je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurden die Parallelen zwischen uns beiden. "Du musst keine Angst haben. Ich bleibe im Hintergrund und zusammen mit den Jungs werde ich dafür sorgen das dir nichts passiert, klar?" murmelte ich so leise wie es nur ging, um Vaters Zorn nicht noch weiter zu schüren. Dieser tobte ohnehin schon weil 'mein Spielzeug' ohne Fesseln und Knebel neben mir stand.
Ich hob den Kopf um sie anzusehen. Das sie Angst hatte war deutlich zu spüren, drang aus jeder Pore. In ihrem Kopf musste es zugehen wie auf einer Achterbahn. Die ständigen auf und ab's raubten ihr die Kraft. Trotzdem - oder gerade weil wir umgeben waren von schwer bewaffneten Männern die alle nur ein Ziel hatten - versuchte sie zu lächeln und mich zu besänftigen. "Ich weiß. Ich weiß das du dein Wort hältst." gab sie zurück.
Fremde Fahrzeuge näherten sich. Es waren drei an der Zahl, voll gepackt mit Männern, die Alessandro vorbehaltlos dienten. Keiner von ihnen hatte ihn oder seine Entscheidungen je in Frage gestellt, sie gehorchten. Wie brave Schosshunde, verbissen auf die Anerkennung ihres Meisters.
Der Wagen in der Mitte öffnete als erstes eine der hinteren Türen und Alessandro erschien in unserem Blickfeld. Groß gebaut, durchtrainiert und mit einer Spur triefendem Sarkasmus blickte er sich um, bis er Ophelia entdeckte. Ein kurzer Moment genügte um mein Blut zum kochen zu bringen : er leckte sich bei ihrem Anblick über die Lippen wie die kranke Sau, die er war."Matheo." rief er und schlenderte in Richtung meines Vaters, "wie ich sehe hast du meine Ware. Es ist schön zu sehen das du zur Besinnung gekommen bist, wenn man bedenkt wie viele Millionen ich durch deinen Sohn und dich bereits verloren habe."
Er sprach über Ophelia als wäre sie ein verdammter Gegenstand, was mir absolut nicht gefiel. Ich wusste das er alles tat um zu provozieren, um eine Reaktion zu erhalten die ihn veranlassen konnte anzugreifen - doch niemand auf der Seite von Vater und mir verzog auch nur eine Miene. Zwei von Vaters Männern kamen auf uns zu und griffen nach Ophelia. Die Art und Weise wie sie das taten schien ihr nicht zu behagen und sie wehrte sich - ein grandioses Schauspiel wenn man bedachte, daß es auch echt hätte sein können.
War es vielleicht gar nicht gespielt?
Neben meinem Vater kamen die Männer zum stehen, genauso wie Ophelia. Sie versuchte noch immer dem groben Griff um ihren Oberarm abzuschütteln, aber sie hatte keine Chance. Ihr Kopf drehte sich schließlich, bis sie Alessandro erblickte. Ich konnte nur erahnen wie sie Giftpfeile in Form von Blicken in seine Richtung schoss.
"Du bist wahrhaft eine Augenweide, meine Liebe. Und wie ich sehe scheint es dir ausgezeichnet ergangen zu sein. Keine Kratzer, keine Flecken... Du bist unberührt, oder?" hauchte Alessandro und trat näher an Ophelia heran. Niemand sonst bewegte sich. "Ich habe einige interessante Dinge für dich geplant, aber ich überlege gerade ob diese überhaupt durchzusetzen sind. Wenn ich dich so anschaue möchte ich dich am liebsten für mich selbst haben."
Ophelia zitterte, ob aus Angst oder vor Wut konnte ich von meinem Standpunkt aus nicht sagen. Aber ich sah wie ihr Körper auf Alessandro reagierte - ganz anders als bei mir. Das sie sich nicht sofort übergab war alles.
"Weißt du wer ich bin? Ich bin der böse, schwarze Mann vor dem man seine Kinder warnt. Aber jede Warnung kommt für dich jetzt zu spät, meine Schöne. Ich werde dich mit mir nehmen und dir deinen Platz zeigen. In meinem Schlafzimmer gibt es eine eigens kreierte kleine Kammer, in die ich dich zwängen werde. Dort wirst du bleiben bis es mich nach dir dürstet... Und eins kann ich dir versprechen, es wird dir weitaus weniger gefallen, als vermietet zu werden. Weißt du auch wieso? Weil ich dich..."
Ich hatte genug. Es reichte ein Wort von mir um die Hölle los brechen zu lassen. Die Scharfschützen die sich klammheimlich auf höheren Plätzen positioniert hatten waren bereit seit dem Moment als ich mit Ophelia sprach. "JETZT!" schrie ich, unterbrach somit Alessandro's ekelhaftes Gerede über seine Vergewaltigungsfantasien und zog meine Waffe.
•
Es lief wie ich es wollte. Die Scharfschützen schalteten Alessandro's Männer aus, die wiederum versuchten unsere Leute zu töten. Ein heilloses durcheinander brach herein, die Luft war getränkt von Blut. Ich marschierte, als hätte ich einen Masterplan, ignorierte dabei aber völlig die Waffe die auf meinen Kopf gerichtet war - in der Hand meines Vaters. "Cameron, bleib stehen." murmelte er entschlossen und hielt die Waffe fest. Kein zittern, keine Zweifel. Er wollte mein Leben beenden, wenn ich ihm nicht gehorchte. Ich wusste es war ein Fehler, all das hier. Ich hatte es gespürt in dem Moment als ich ihn in meinem Haus gesehen hatte.
Jetzt trug ich Rechnung.
"Was soll der Scheiß?" schrie ich und schaute ihn von der Seite an. Mein Körper war gespannt wie eine Feder, bereit los zu legen und doch bremste er mich aus - aus welchem Grund? Hatte er mich belogen? Mich hintergangen? Letztlich war es mir egal, denn er hatte die Karten nun auf den Tisch gelegt und offenbart, das er ehrenlos war. Familie bedeutete ihm nichts.
Die Ablenkung nutzte Alessandro. Er drängte Ophelia in seinen Wagen und der letzte noch lebende Mann auf seiner Seite steuerte das Fahrzeug. Er war im Begriff davon zu kommen, weil mein Vater ein Vollidiot war. "WAS HAST DU GETAN!?" brüllte ich und drehte meinen Körper nun in die Richtung meines Vaters. Eden's Männer hoben ihre Waffen gegenüber den Männern meines Vaters und die wenigen Männer meiner Wenigkeit standen dazwischen und sahen sich verwirrt um. Es war außer Kontrolle geraten, niemand würde zögern auf Kommando zutun, was von ihm verlangt wurde.
Aber mein Zorn kannte keine Gnade, also ließ ich die Waffe fallen, ging sofort auf meinen Vater los und wich aus, als er tatsächlich versuchte mich mit einem Schuss zu stoppen. Bevor er es erneut versuchen konnte entriss ich ihm die Waffe, ließ sie fallen und schlug ihm, so kräftig es nur ging, mit voller Wucht ins Gesicht. Es war mir egal ob er mein Erzeuger war, ob er der Mann war der mir fast alles in meinem Leben beigebracht oder ermöglicht hatte. Er hatte eine Grenze überschritten, über die er Bescheid wusste. Ich schlug so heftig auf ihn ein, das Blut durch die Luft spritzte und er zu taumeln begann. Anders als in meinem Haus hatte ich jetzt nicht aufgegeben, obwohl die Gründe durchaus bedeutsamer waren.
Aber der Gedanke an Ophelia und was für eine Angst sie gerade jetzt, wo sie merkte das ich mein Wort nicht gehalten hatte, haben musste machte mich fast unbesiegbar. Mein eigen Fleisch und Blut, mein Vater... Der letzte meiner Familie, der noch lebte war verantwortlich für die Qualen, die sie jetzt durchleben würde.
Und das machte mich unbesiegbar.

DU LIEST GERADE
BLOODLINE : Cameron
Romance⚠️ Teil 1 der Bloodline Reihe ⚠️ Ich will Rache... Aber bin ich bereit jeden Preis dafür zu zahlen? Was, wenn nicht? AUFTAKT ZUR BLOODLINE REIHE Cameron DaSilva führt ein freies Leben. Als einzigster Sohn von Matheo DaSilva gehört er zu den Erben d...