36. Kapitel

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Guinevere

Zwei Jahre später...

"Sind sie sich sicher?", frage ich den Arzt.
"Ja, ich bin sicher. Du bist keine kompatible Übereinstimmung", antwortet der Arzt.

Seine Worte lassen mich das Gefühl haben, dass der Boden unter meinen Füßen nachgibt.
"Wir müssen schnell handeln, Guin. Der Zustand Ihrer Tochter hat sich im letzten Jahr verschlimmert, und wir haben nicht viel Zeit, um einen kompatiblen Spender für Ihre Tochter zu finden", erklärt er.
Ich nicke verständnisvoll.
"Die einzige schnelle Option ist, ihren Vater einzubeziehen. Kommt er in Frage, kennen sie ihn, haben sie Kontakt zu ihm?" fragt der Arzt.
"Natürlich kenne ich ihn", antworte ich.
"Dann müssen wir es mit ihm versuchen."
Ich nicke erneut und fühle, wie mir die Luft zum Atmen fehlt.

Der Arzt verabschiedet sich von mir und ich weiß, dass dies möglicherweise das letzte Mal ist, dass wir uns sehen. Er war seit Anfang für Faith, meine, unsere Tochter da und hat sie bei ihrer Immundefizienz unterstützt.
Sie wurde damit geboren, und es hat sich im letzten Jahr verschlimmert.
Sie benötigt also dringend eine Stammzelltransplantation, aber ich kann nicht der Spender sein.

Ich realisiere, wie sich ein unbehagliches Gefühl in mir breit macht.
In den letzten zwei Jahren habe ich weder Ares, Alec noch irgendjemanden sonst gesehen oder mit ihnen gesprochen.
Ich bin sicher, sie haben versucht, mich zu finden, aber sie haben wahrscheinlich nicht erwartet, dass ich mich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Dublin niederlassen würde.
Doch diese Zeit hier ist jetzt wohl vorbei.

Ich hole Faith von ihrer Nanny ab und sorge dafür, dass sie sich verabschiedet, denn wenn ich zurückkehre, werden sie mich nicht wieder gehen lassen.
Ares wird seine Tochter wollen, und das Recht dazu hat er auch.
Dabei hatte ich nie vor, so lange weg zu bleiben, aber es ist einfach passiert.
Ich konnte unsere komplizierte Beziehung, die Gefahr ausgehend von Gustavo und die Herausforderungen mit unser Tochter nicht gleichzeitig bewältigen.

Vielleicht war es nicht die richtige Entscheidung, vielleicht war es egoistisch, aber es war definitiv das Beste für mich und Faith.
"Mama", sagt Faith, als ich sie in meine Arme nehme.
"Kleiner Sonnenschein, wir machen einen Ausflug. Okay. Bist du aufgeregt?" sage ich ihr.
"Du wirst bald deinen Papa sehen."
Ich zeige ihr das einzige Bild, das ich von ihm habe, das gleiche, das ich ihr jeden Abend gezeigt habe, denn ich möchte, dass sie eine Verbindung zu ihm hat, trotz der Komplikationen zwischen Ares und mir.
Ich habe ihr erzählt, dass ihr Papa hart arbeitet und dass wir ihn bald sehen werden.
Ich möchte nicht, dass ihre Beziehung aufgrund dessen leidet, was zwischen Ares und mir passiert ist.

Ich kann spüren, dass sie bei meinen Worten wirklich aufgeregt ist, aber das gleiche kann ich nicht von mir behaupten.

Nach 27 Stunden setzt uns das Taxi vor dem Anwesen ab.
Ich nehme Faith und wecke sie auf, sage ihr, dass wir angekommen sind.
Sie öffnet ihre Augen und lächelt.
Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und halte sie in meinen Armen, während ich meinen Koffer nehme.
Ich bezahle den Taxifahrer und gehe auf das Gebäude zu.
Obwohl ich die Schlüssel habe, um hineinzugehen, entscheide ich mich stattdessen, zu klingeln.
Die Kamera schaltet sich ein, und ein Wachmann fragt mich wer ich sei.
"Ich bin Guinevere, Ares' Verlob...ehm..die Mutter seines Kindes", stelle ich mich vor.
Die Tür öffnet sich sofort und ich sehe direkt, wie Asa und Canna herauskommen.
Ich bemerke Canna's Babybauch und  freue mich für sie und Asa.
Ihnen folgen Alec und Lucianda, die Händchen halten und innig aussehen.
In diesem Moment begreife ich wirklich, was ich getan habe.
Ich habe das Potential zerstört, das wir hätten haben können, aber ich war einfach so müde, müde zu kämpfen.
Wir stehen uns gegenüber, und niemand sagt etwas, winkt oder lächelt.
Stattdessen sehe ich Enttäuschung in ihren Gesichtern.
Und dann bewegt sich etwas hinter ihnen, und Ares tritt vor.
Wie immer raubt er mir den Atem.
Ich kann sehen, dass er in den letzten zwei Jahren die Hölle durchgemacht hat; er sieht erschöpft aus. Sein Bart ist ungepflegt, und er hat tiefe dunkle Ringe unter den Augen.
Ein Gefühl von Schuld überkommt mich.
Er tritt weiter vor, und ich mache dasselbe, bis nur noch wenige Meter uns trennen.
Dann flüstere ich Faith ins Ohr, dass ihr Papa auf sie wartet, und ich setze sie ab. Sie rennt zu ihm, und Ares will instinktiv zu ihr laufen, um sie zu stützen, aber er erkennt, dass sie es allein schafft.
Er nimmt sie in seine Arme und umarmt sie fest.
Ich sehe Tränen über sein Gesicht laufen, und Faith wischt sie weg, genau wie sie es so oft bei mir getan hat.

Zum ersten Mal schaut Ares mich an, und ich nicke, um ihm die Möglichkeit zu geben, sein Kind hineinzutragen und ihr die Ruhe zu geben, die sie braucht.
Ich weiß, dass ich jetzt keine Ruhe haben werde; denn ich werde mich den Fragen von allen stellen müssen.

Als wir das Anwesen betreten, lasse ich meine Taschen im Flur stehen, weil ich nicht weiß, wo ich heute Nacht schlafen werde.
Wir setzen uns alle an den Tisch im Raum, und sie alle folgen mir.
Wir warten auf Ares.
Niemand sagt etwas, aber alle Augen sind auf mich gerichtet.
Ich ertrage ihre Blicke nicht, also schaue ich weg.
Ich atme tief durch und frage endlich: "Also, was wollt ihr wissen?"
Aber es ist keiner von ihnen, der spricht; es ist Ares, der zurückkommt und mit seiner tiefen Stimme fragt: "Warum bist du wieder hier?"

I crave you - Ares & Guinevere Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt