„𝕾ie gehen nirgendwo hin", wiederholte Snape sich, nun um einiges leiser und nachdrucksvoller. „Da Sie Ihre erste Aufgabe unehrlich erledigt haben, muss ich Sie dafür wohl bestrafen."
„Ach ja?", entgegnete ich trocken.
„Allerdings", flüsterte er nun fast schon. Wieder war Snape mir so nah gekommen, dass ich mich fragte, ob der Abstand für einen Professor und seine Schülerin nicht schon fast unangebracht sei. Auch die letzte Distanz überbrückte er nun noch: Fest schloss sich seine Hand um mein Kinn und drehte meinen Kopf leicht zur Seite. Er betrachtete mich geringschätzig im Profil. Seine dunklen Augen waren mir das erste Mal so nah, dass ich zwischen Pupille und Iris unterscheiden konnte. Etwas fasziniert betrachtete auch ich ihn, wie er meinen Kopf schwungvoll zurück nach vorne drehte und von mir abließ. Überfordert atmete ich heftiger ein, als eigentlich nötig. „Auf die Knie!"
„Sir-"
Er ließ mir nicht die Chance, zu protestieren, da drückte er mich mit beiden Händen auf meinen Schultern hinunter. Wieder schnappte ich nach Luft, in der Hoffnung meinen Herzschlag beruhigen zu können. Verwirrung machte sich in mir breit. Hatte er wirklich das vor, an das ich so vehement denken musste?
Hart kamen meine Knie auf dem Steinboden an. Blaue Flecke waren mir jetzt schon sicher. Meinen Kopf schüttelnd, wollte ich zu Snape aufsehen, in seinem Blick lesen, was er hier tat, aber seine Hand an meiner Stirn hielt mich davon ab. Mit hartem Griff umfasste er meinen Kopf von oben, sodass ich ihn nicht mehr drehen konnte.
„Im Regal finden Sie einen Kessel", drang seine Stimme dunkel und leise an mein Ohr. Dann verschwand sein schwarz gekleideter Körper aus meinem Blickfeld und gab den Blick auf ein Regal frei. Auch seine Hand verschwand von meinem Kopf, nur seine Stimme umhüllte mich immer noch: „Herausnehmen und auf den Tisch stellen."
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich mich aus meiner Starre gelöst hatte. Die Erkenntnis, dass er nicht von mir erwartet hatte, ihn zu befriedigen, tropfte quälend langsam in mein Bewusstsein. Meine Anspannung, die fast schon krampfhaft gewesen war, wich nur sehr langsam aus meinem Körper und ich brauchte zwei Versuche, den Kessel aus dem Regal vor mir zu ziehen.
Aufstehen ging nur schleppend. Ich musste mich etwas am Schreibtisch hochziehen, der zum Glück unmittelbar hinter mir stand. Als ich den Kessel auf den Tisch stellte, wagte ich es nicht, meinen Professor anzusehen. Röte schoss mir in meine Wangen. Hatte er bemerkt, woran ich gedacht hatte?
„Wenn Sie es dann vielleicht noch heute schaffen würden, einen Trank nach diesem Rezept zu brauen." Er reichte mir ein Buch. Seinen Zauberstab ließ er durch die Luft schwingen. Einige Gläser und Kisten begannen aus dem Regal auf den Tisch zuzufliegen. „Ihre Zutaten", fügte er hinzu.
Ich spürte seinen Blick regelrecht auf mir haften und konnte dem Drang unmöglich wiederstehen, ihm ins Gesicht zu sehen. Seine Augen hatten gefühlt an Dunkelheit dazugewonnen. Beschämt wand ich meinen hochroten Kopf ab, was Snape ein heiseres Lachen entlockte.
„Sie haben zwanzig Minuten. Das dürfte zu schaffen sein."
Den Trank mit zittrigen Fingern zuzubereiten, war um einiges schwerer, als ich gedacht hätte. Nein, eigentlich hatte ich gar nicht darüber nachgedacht, wie schwer es werden könnte, unter den stechenden Blicken meines Hauslehrers einen einfachen Trank aus dem ersten Jahr zu brauen. Meine Gedanken kreisten fortwährend um diesen einen Satz: „Auf die Knie!", dessen Nachwirkungen sich weiterhin in Form von einem seltsamen Prickeln in meinen Fingerspitzen äußerte. Der Rotton wich mit der Zeit. Auch mein Herzschlag normalisierte sich fast wieder; aber dieses Prickeln blieb. Ich fühlte mich wie betäubt.
„Sie sind seltsam still, Hale", bemerkte er fast beiläufig, als er meinen fertiggestellten Trank misstrauisch betrachtete. Auch jetzt blieb ich still. Meine Stimme war irgendwo zwischen seinen groben Berührungen und Anweisungen verloren gegangen. „Na ja, der Trank hat etwa die Qualität eines essbaren Dunklen Mals. Ruft Übelkeit hervor und ist völlig nutzlos."
„Nutzlos waren die essbaren Dunklen Male der Weasley-Zwillinge aber nicht", konterte ich schwach.
„So ist es aber ihr Trank", erwiderte Snape mit Genugtuung in der Stimme. „Bis nächsten Mittwoch."
DU LIEST GERADE
𝕯𝖆𝖗𝕶 𝕯𝖊𝖘𝖎𝖗𝖊
FanfictionEs sollte nur ein Experiment werden. Dass dem routinierten Zaubertränkeprofessor Snape auch mal ein Experiment misslingt, hätte er nicht erwartet; auch seine Schülerin nicht. Ahnungslos, auf was Ivy Hale sich da einlässt, stolpert sie in eine etwas...