𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑 𝟓𝟏

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„Wovon redest du denn da, Jenny?", fragte Lennon zum Teil verwirrt und zum Teil schockiert. Er stand ebenfalls auf und sah zuerst mich an, dann Jenny, die breit und abfällig grinste.

„Ach, komm", meinte sie. „Snape schert sich doch sonst auch kaum um seine Schüler."

„Ich bin nicht mehr aufgewacht, okay?", fuhr ich sie ungehalten an. „Natürlich kommt dann mein Hauslehrer. Auch wenn er nicht bei jeder Schnittwunde seiner Schüler gesprungen kommt."

„Du bist was?", platzte es aus Lennon heraus, der mich sofort besorgt ansah.

„Nicht direkt aufgewacht", wiederholte ich, ohne Jenny aus den Augen zu lassen, die mir immer noch nicht zu glauben schien. „Ich hab einfach sehr tief geschlafen, aber Avery hatte Panik, also hat er Snape geholt."

„Den, bei dem du Nachhilfe hast und der dich nahezu grundlos aus seinem Unterricht schickt, um mit dir zu reden", fügte Jenny unbeeindruckt hinzu und malte mit ihren langen Fingernägeln Anführungszeichen in die Luft.

„Er hat mich zur Schnecke gemacht, als er mich rausgeschickt hat, weil ich mich unmöglich verhalten hatte", verbesserte ich sie eiskalt.

„Punkte hat er dir jedenfalls keine abgezogen."

„Er ist halt was parteiisch. Sollte nix Neues für dich sein", schoss ich kampflustig zurück.

„Bei dir ist er mir etwas zu parteiisch", konterte Jenny und tippte mir auf meinen Oberarm. „An deiner Stelle würde ich mir mal Gedanken darüber machen, warum er dir freiwillig Nachhilfe gibt."

„Vielleicht weil ich sonst meinen Abschluss nicht schaffe, er mich aber nächstes Jahr nicht nochmal hierhaben will", versuchte ich sie zu überzeugen, aber vergebens.

„Ivy, du würdest es dir viel einfacher machen, wenn du einfach sagst, dass ihr was am Laufen habt", meinte sie in einer Tonlage einer Mutter, die ihrem Kind versucht zu sagen, wie kalt es draußen ist, und dass eine dünne Jacke nicht reicht.

„Weißt du was?", fragte ich wutschnaubend und sah ihr fest in ihre Augen. „An deiner Stelle würde ich mich schämen, auch nur auf so widerliche Gedanken zu kommen."

„Okay", mischte sich Avery aus dem Hintergrund ein. „Wir beruhigen uns jetzt alle mal wieder."

„Halt du dich da raus", keifte Jenny sofort. „Und du auch, Lennon", fügte sie hinzu, als dieser sich ebenfalls zu Wort melden wollte. Ergeben trat er zurück und setzte sich wieder an den Slytherintisch, während Jenny und ich für einen Moment vernichtende Blicke austauschten.

„Wieso setzt du dich nicht einfach wieder zurück zu deinen Gryffindors?", wollte ich sie anfahren, aber ich hörte, wie es meiner Stimme an Stärke fehlte. Etwas schwach ging mir die Frage von den Lippen.

„Ich höre mir viel lieber noch ein paar deiner Ausreden an", antwortete Jenny siegessicher. „Du sitzt seit neustem bei Snape ganz vorne. Wie kommt das?"

„Ich habe begriffen, dass ich besser aufpassen und im Unterricht mitmachen muss, sonst wird das nix mit meinem Abschluss", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen, weil das nicht einmal eine Lüge war. Trotzdem begann mir allmählich mein Kopf zu schwindeln. Dass der Boden leicht wankte, war mir in den letzten Tagen schon mehrfach untergekommen, aber dass ich das Gefühl hatte, nur noch bedingt sehen zu können, war auch mir neu. Bräunliche Flecken schoben sich von den Seiten in mein Blickfeld. Es dauerte keine Sekunde, bis ich fast nur noch Jenny unmittelbar vor mir sehen konnte. Alles Weitere verschwamm.

„Und deine rote Wange letztens?"

Ein stechender Kopfschmerz machte sich bei mir bemerkbar. Gerade als ich meine Hand zu meiner Stirn heben wollte, wurden die Geräusche um mich herum deutlich leiser. Wie durch eine dicke Tür hindurch verschlossen sich mir die Bedeutungen der um mich herum gesprochenen Wörter vollends. Nur noch dumpf drangen willkürliche Geräusche an mein Ohr, dann setzte ein so greller Tinnitus in beiden meiner Ohren an, dass ich zusammenzuckte.

Als hätte mir jemand einen schweren Helm aufgesetzt, taumelte ich etwas unter dem plötzlichen Gewicht, das auf meinem Kopf und meinen Schultern lastete. Ich musste mich setzten und etwas trinken, sonst würde ich jede Sekunde mein Bewusstsein verlieren, so viel verstand ich noch. Meine Knie schienen wie aus Pudding und wollten mich nicht mehr länger tragen. Endgültig drückte es mich nieder. Kraftlos sank ich zu Boden, wo ich schließlich ohnmächtig liegenblieb.

𝕯𝖆𝖗𝕶 𝕯𝖊𝖘𝖎𝖗𝖊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt