𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑 𝟖

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„𝕲uten Morgen", begrüßte ich Avery, als ich mich zu ihm an den Slytherin-Tisch setzte. Immer noch etwas verschlafen gähnte ich und angelte nach einem Pancake.

„Guten Morgen", erwiderte er hellwach. „Du hast aber lange geschlafen."

„Sieht so aus", gähnte ich erneut und blickte mich in der Großen Halle um: Es waren wirklich nicht mehr viele hier, die ihr Sonntagsfrühstück so spät einnahmen. Auch der Lehrertisch war nicht vollbesetzt. Wer allerdings dort saß und mich sofort ansah, war Professor Snape. Ein Schauer lief mir über den Rücken im Angesicht seines eiskalten Blickes. Mich schüttelnd wand ich mich ab.

„Heute Nacht wäre der perfekte Zeitpunkt, um in die verbotene Abteilung einzubrechen", flüsterte Avery dicht zu mir gebeugt. Kurz sah ich ihn verwirrt an, dann nickte ich.

„Gut, wann gehen wir los? Was ist der Plan?"

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Warum ich bei der etwas fragwürdigen Aktion mitmachte, uns in die Bibliothek sonntags um Mitternacht zu schleichen, wusste ich selber nicht so genau. Ich war nicht vollständig überzeugt, dass wir wirklich finden würden, wonach wir suchten, oder ob mir Bücher aus meiner Lage helfen konnten. Andererseits nahm ich die Ablenkung von der Nachhilfe mit Snape, die Avery mir bot, dankend an. Zudem hatte ich mich ja selbst vor ein paar Tagen noch spät am Abend in die Bibliothek geschlichen, um mir auch schnellstmöglich ein Buch zu besorgen.

Dass mich Snape danach mit eben jenem Buch erwischt und nah zu sich gezerrt hatte, versuchte ich gekonnt zu verdrängen. Außerdem war es heute Sonntag. So wie wir es von unseren regelmäßigen nächtlichen Streifzügen durchs Schloss mehr oder weniger zuverlässig voraussagen konnten, hatte heute nicht Snape, sondern Sprout Aufsicht. Uns dürften also – sollten wir erwischt werden – nicht allzu schlimme Strafen erwarten. Vor allem aber schwand meine Chance auf Snape zu treffen, was ich sehr begrüßte. Um mit ihm reden zu müssen, war ich fortwährend zu verwirrt von dem, was sich da zwischen uns die letzte Woche über abgespielt hatte.

„Kann losgehen", nickte Avery mir aus einem Sessel im Gemeinschaftsraum zu, als auch der letzte Schüler seinen Platz am Kamin aufgegeben hatte, um sich müde ins Bett zu schleppen. Jetzt war es zwar schon weit nach Mitternacht, aber so konnten wir wenigstens ungesehen abhauen.

„Alles klar", nickte ich ihm zu. Wir beide erhoben uns und entledigten uns unserer Schulumhänge. Darunter waren wir schwarz gekleidet, möglichst unauffällig. „Dann los!"

Auf Zehenspitzen verließen wir die Kerker und machten uns gekonnt mit Hilfe von Geheimgängen auf dem direkten Weg in die Bibliothek. Bekanntlich ließ sich die Türe hinein mit einem einfachen Alohomora öffnen, und so standen wir schnell inmitten der Bücherregale. Die Tür zu der verbotenen Abteilung allerdings war besser geschützt. Avery, der ganz gut in Zauberkunst war, versuchte einige Zauber und leichte Flüche, um uns letztendlich nach wenigen Minuten auch Zugang zum verbotenen Bereich Zugang zu verschaffen.

„Geht doch", murmelte er, als er die Türe aufstieß und mir den Fortritt ließ.

Schnell machten wir uns wie abgesprochen auf die Suche nach passenden Büchern; ich suchte nach zauberstabloser Magie und er nach Zaubertränken. Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte ich ein passendes Buch in der Hand. Auch Avery war fündig geworden und hielt mir zwei dicke Schinken entgegen. Ich nickte zufrieden, nahm sie an mich und verließ die verbotene Abteilung. Hinter mir hörte ich ihn den Schutzzauber, den er eben durchbrochen hatte, erneuern.

Aber das war nicht das einzige, was ich hörte; Schritte schienen sich zu nähern.

Ruhig griff ich nach Averys Handgelenk, der sich langsam zu mir umdrehte. Solche Situationen waren wir gewohnt und wir wussten auch durchaus, ihnen zu entkommen. Ich legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen und deutete nach rechts den Gang entlang.

Er verstand, deutete nach links. Ich nickte, dann trennten wir uns. So hatten wir den ein oder anderen Lehrer schon verwirrt, in welche Richtung wir liefen. Meistens konnten wir so beide entkommen, oder mindestens einer. Unsere Regel in diesem Fall lautete: Wer erwischt wird, stellt sich alleine, ohne den anderen zu erwähnen. Bis zum heutigen Tage waren wir damit gut durchgekommen.

„Mister Right", vernahm ich einige Regale weiter die Stimme, vor der ich mich am meisten gescheut hatte, sie wiederzuhören. Snape hatte Avery abgefangen, als er die Bibliothek hatte verlassen wollen. Sein Weg war der kürzere gewesen, sodass ich noch zwei Regalreihen zwischen mir und Professor Snape hatte, der sich nun meinen Freund vorköpfte: „Was haben Sie hier zu suchen?"

„Ich wollte mir ein Buch holen", antwortete er. Durch die nicht komplett dichtstehenden Bücher hindurch, konnte ich Avery blonde Haare im Licht von Snapes Zauberstab leuchten sehen. Der Professor selbst verschmolz allerdings im Dunkeln mit seinem schwarzen Umhang.

„Mitten in der Nacht?"

„Ja, Sir, aus der verbotenen Abteilung, aber ich hab es nicht geschafft, den Zauber zu durchbrechen", antwortete Avery schuldbewusst und senkte seinen Kopf.

Ein Buch unter meinem Arm zuckte, als hätte man es erschrocken. Wer sich allerdings wirklich erschreckte, war ich. Mit einem leisen Schrei auf den Lippen ließ ich alle drei Bücher und meinen Zauberstab fallen. Gnadenlos polterte alles zu Boden. Verflucht nochmal! Schnell bückte ich mich, um meine Sachen aufzusammeln.

Als ich aufsah, stand Snape vor mir, Avery hinter ihm. Ich fühlte mich an Samstagabend erinnert, als ich ähnlich wie jetzt, vor Snape gekniet hatte. Sofort rutschte mir das eine Buch, welches ich schon wieder in der Hand hatte, erneut weg. Fast lautlos gleitete es von meinem Schoß über meine Beine und schließlich auf die Fliesen.

„Hale, Sie auch hier?"

𝕯𝖆𝖗𝕶 𝕯𝖊𝖘𝖎𝖗𝖊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt