„Ich kann und werde es dir nicht erzählen. Tut mir leid", sagte ich zu meinem besten Freund, um mich dann aus seiner Umarmung zu lösen. Mir die letzte Träne von meiner Wange wischend stand ich auf. Averys Blick verriet mir, dass ich unsere Vertrauensbasis deutlich angekratzt hatte. Er war sichtlich enttäuscht, dass ich ihn nicht an mich ranließ. „Es tut mir leid", wiederholte ich leise und drehte mich von ihm weg, um seinen Blick nicht länger ertragen zu müssen. Ich setzte mich in Bewegung in Richtung der Schlafsäle, da hörte ich ihn doch noch etwas sagen:
„Es ist Snape, oder?"
Wie erstarrt blieb ich stehen, gefror in meiner Bewegung zu Eis und brauchte einige Sekunden, um mich zu ihm umzudrehen. Meine Gedanken jagten einander. Was würde mein bester Freund von mir denken? Ich traute mich kaum in seine Augen zu sehen. Als ich es doch tat, lag sein Blick ruhig auf mir. Keine Wut, keine Angst, keine Abwertung darin.
Angstvoll sah ich mich um, ob jemand anderes unserem Gespräch lauschte, konnte aber niemanden ausfindig machen. Und so trat ich näher an Avery heran, um mit gedämpfter und heftig zitternder Stimme antworten zu können:
„Wie kommst du drauf?"
„Du kamst von der Nachhilfe nicht wieder. Du sitzt bei ihm in der ersten Reihe und...", er brach kurz ab. „Er hat dich rausgeschickt im Unterricht. Ich glaube kaum, dass er dich anschreien wollte."
Röte schoss mir augenblicklich in die Wangen, sodass ich meinen Kopf senkte.
„Hey", flüsterte er und hob vorsichtig mein Kinn an. „Schlägt er dich?"
„Nein", antwortete ich unumwunden.
„Okay", nickte er bedächtig. „Er zwingt dich zu nichts? Er tut nichts, was du nicht willst?"
„Nein."
„Er hat dich nie zu irgendetwas überredet?"
„Nein, Avery", unterbrach ich seine besorgten Fragen. „Es ist okay, wirklich."
„Ich weiß nicht", meinte er zögerlich. „Du riskierst ziemlich viel."
„Das ist mir klar", stimmte ich ihm sofort zu und atmete tief durch. Den möglichen Konsequenzen war ich mir durchaus bewusst. Jetzt gerade mehr denn je.
„Immerhin", kommentierte er etwas schnippisch.
„Aber-", setzte ich an und unterbrach mich selbst wieder. „Aber das ist es mir wert. Ich weiß auch nicht – ich hab das Gefühl... Ich glaube, ich liebe ihn."
Avery schien über meine Worte weniger erstaunt zu sein, als ich es selber war. Erschrocken vor meiner Ehrlichkeit, die ich in den letzten Tagen nicht einmal in meinen Gedanken zugelassen hatte, biss ich mir auf meine Lippe.
„Verdammt, ich weiß auch nicht", seufzte ich resigniert. „Ich bin einfach überfordert."
„Das glaube ich dir", platzte es etwas sarkastisch aus Avery heraus. „Was kann ich tun?"
„Einfach niemandem was davon erzählen", bat ich ihn. „Bitte, das ist echt wichtig."
„Ja", nickte er. „Sieht so aus."
„Danke, du bist der Beste." Diesmal zog ich ihn in meine Arme.
„Das will ich aber auch meinen", scherzte er vorsichtig. „Aber eins noch; verbock es jetzt nicht. Dein Abschluss hängt nicht nur daran, ob eure... Affäre... Beziehung auffliegt, oder nicht. Auch, ob du es dir nicht gewaltig mit ihm verscherzt."
„Ich glaube eher, dass McGonagall uns beide hochkant rausschmeißt, als dass er mir meinen Abschluss vermiest."
„Gut", schmunzelte Avery. „Das ist schon mal ein Anfang."
Ich nickte. Gleichzeitig dachte ich darüber nach, dass er recht hatte. Nie zuvor hatte ich darüber nachgedacht, dass auch Severus, sollte sich irgendwas zwischen uns ändern, mir meinen Abschluss streitig machen könnte.
„Du erzählst mir aber demnächst noch ein paar Details, klar?", fragte Avery dann neugierig.
„Vielleicht", zwinkerte ich grinsend. „Wer weiß."
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𝕯𝖆𝖗𝕶 𝕯𝖊𝖘𝖎𝖗𝖊
FanfictionEs sollte nur ein Experiment werden. Dass dem routinierten Zaubertränkeprofessor Snape auch mal ein Experiment misslingt, hätte er nicht erwartet; auch seine Schülerin nicht. Ahnungslos, auf was Ivy Hale sich da einlässt, stolpert sie in eine etwas...