„Hast du seinen Geschichten gelauscht, seinen Reichtum allein in diesem Lager gesehen? Diese Männer sind reich geworden und wir sollten das auch."
Francis zog am Halfter und sein Pferd blieb abrupt stehen. „Charles, du willst mir nicht gerade sagen, wir sollen wie diese Verbrecher werden, nur um an Reichtum zu gelangen?"
Nach und nach kamen die Männer zum stehen und versammelten sich um Francis und Charles herum.
„"Wir wollen doch auch ein gutes Leben für unsere Familien, wir wollen doch auch, das Cromwell aufblüht!"
Francis schüttelte den Kopf. „Ja, das ist genau das, was wir für unsre Stadt wollen, doch aber nicht auf diesem Weg! Wie kannst du als Christ wollen, dass wir unser Geld mit Sklaverei und Prostitution verdienen?"
Charles' Miene wurde düster und er schaute Francis direkt ins Gesicht.
„Dein Indianer-Mädchen trübt dir deine Sinne. Du bist unser Anführer, du musst das Beste für uns wollen. Jedoch habe ich das Gefühl, du bist einer von ihnen, so wie du sprichst."
Francis war wie vor den Kopf gestoßen, er wusste kaum, etwas zu erwidern.„Ich... ich spreche so über jeden Menschen, Charles, nicht nur über die Indianer, und das weißt du." Es klang leiser und gebrochener, als er wollte, und das ärgerte ihn.
„Deine angebliche Menschenfreundlichkeit kostet uns viel Geld, Francis." Dann wendete er sich zu den umstehenden Männern. „Wir sollten alle gemeinsam überlegen, ob Francis als Anführer geeignet ist. Er mag wahrlich tolle militärische Manieren pflegen, jedoch hat er keinen Sinn für das wirtschaftliche. Und wenn Cromwell etwas braucht, dann ist es Handel, um unsre eigene Wirtschaft aufblühen zu lassen."
Was zur Hölle passierte hier gerade? Wurde er gerade von seinem besten Freund und Mentor bloßgestellt? Wurde seine Autorität vor der gesammelten Mannschaft untergraben?
Doch Charles war noch nicht fertig. „Männer, wir sollten uns überlegen, wie wir nach Hause zurückkehren. Sollen wir unseren Empfang enttäuschen, indem wir mit leeren Händen zurückkommen, oder überraschen wir sie mit dem Gold, mit welchem sie uns erwarten?" Die Männer schauten sich an und nickten langsam, einer nach dem anderen, mit dem Kopf.
Francis erwachte aus seiner Starre. „Wir müssen nicht mit leeren Händen zurückkehren. Wir können Saatgut und Kräuter mitbringen, wir haben neue Erfahrungen gesammelt..."
„Ach, hör doch auf, Francis" unterbrach ihn Charles abrupt. „Von Erfahrungen kann man sich nichts kaufen und Saatgut hält uns nur satt. Wir wollen mehr." Francis und Charles starrten sich an. „Seit wann brodelt dieser Hass in die, lieber Charles?"
Dieser schloss kur die Augen, und als er sie öffnete, war er wieder der alte Charles, der mit Francis durch Dick und Dünn ging.
„Freundlichkeit und Demut bringt einen im Leben einfach nicht weiter. El Dorado ist ein Hirngespinst und Reichtum ist nur über fragwürdige Wege zu erreichen. Das ist etwas, was mir diese Reise sehr verdeutlicht hat."
„Du meinst, dass ist etwas, was dir Thomas Rolfe in deinen Kopf gepflanzt hat. Ein Mann, welcher wahrlich unchristlich ist und widerlich und jämmerlich. Und du lässt dich von seinen Geschichten verführen."
Plötzlich holte Charles einen Beutel heraus und hielt ihn in die Luft.
„Männer, das sind Einhundert Goldmünzen. Diese erhielt ich lediglich für ein paar Informationen, welche nun andere Männer wieder reich machen wird. An diesem Reichtum werde ich nun teilhaben. So könnte es euch auch gehen."
Francis wurde aschfahl.
„Was hast du getan" hauchte er und hoffte, Charles würde etwas anderes antworten.
„Es tut mir leid, mein Sohn, aber ich möchte nicht jeden Tag um mein Überleben bangen müssen."
Francis begann zu zittern, ihm wurde schlecht. „Was. Hast. Du. Getan" wiederholte er und Charles verstaute seelenruhig den Beutel in seiner Satteltasche.
„Sie ist wahrscheinlich schon längst verkauft, verschwende an sie keinen Gedanken mehr, lieber Francis."
Seine Ohren gingen zu. Er spürte, wie unglaubliche Hitze in seinem Körper nach oben stieg. Er wusste nicht mehr, wie es geschah, doch als er wieder zu Sinnen kam, saß er rittlings auf Charles und schlug immer und immer wieder in dessen Gesicht.Die Männer schrien und zogen ihn zu dritt von Charles weg. Wie wild schlug Francis um sich, traf Joris im Gesicht und dieser kippte stumm nach hinten um.
Pete warf Francis grob auf den Boden und setzte sich auf ihn drauf, während Robin seine Arme festhielt. Charles lag reglos auf dem Boden, sein Gesicht blutüberströmt. Neben ihm knieten William und Eric.
„Beruhig dich, Francis!" schrie Pete und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Doch Francis spürte dies nicht, er war noch immer in Rage und hatte das erste Mal den Wunsch, einen Menschen zu töten. Er wünschte sich, Charles eigenhändig zu töten.
„Ich bringe ihn um" brüllte er und begann, sich stärker zu wehren.
„Schluss jetzt!" rief Pete, drehte Francis auf den Bauch und zusammen mit Robin fesselten sie seine Hände hinter seinem Rücken zusammen, dann auch die Beine.
Nach ein paar Minuten sinnlosen Rumgezappel merkte Francis, dass es nichts mehr nützte, und gab auf.
„Wie geht's Charles?" hörte er Robin fragen und versuchte, seinen Kopf zu drehen.
„Er wacht nicht auf" antwortete William. „Scheiße" ging durch die Reihen.
„Hat er ihn umgebracht?" fragte Richard, doch Eric verneinte. „Er atmet noch."
„Was ist in dich gefahren, Francis?" fragte Robin, als er sich vor ihn kniete.
„Er hat die Dakota an Thomas verraten, verstehst du nicht? Sie haben sie! Sie haben Enola und die anderen, und das für ein paar Münzen!"
Erst jetzt schien Robin zu verstehen. „Mit dieser Aussage meinte Charles, dass er die Dakota verkauft hat?"
Francis brach kraftlos zusammen. Seine Backe auf dem kalten, harten Boden, eine Träne rann über seine Backe und verschwand im Erdreich.
„Du widerliches Schwein! Wie konntest du nur! Sie haben uns aufgenommen und beherbergt ohne eine Münze zu sehen und du verkaufst sie an diesen Rolfe?"
Charles musste wieder zu sich gekommen sein und Francis sah aus dem Augenwinkel, wie dieser sich aufsetzte und Blut auf den Boden spukte.
„Um Gottes Willen, es sind Wilde! Was interessieren euch ihre Leben?"
Es entbrannte ein Streit, welcher lautstark die Männer in zwei Lager teilte: die Gruppe, welche wie Francis die Dakota als Freunde sahen, und welche die wie Charles aus reiner Geldgier handelten.
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Die Indianerin
Teen FictionAls der junge Siedler Francis mit seinen Männern im Neu-entdeckten Amerika ankommt, scheint für ihn zunächst die Mission wichtig, das sagenumwobene El-Dorado zu finden. Doch als er dann zu einem Indianerstamm kommt und Enola kennenlernt, die halb In...