Die Plantage

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Der nächste Tag verlief unspektakulär. Die Mädchen jagten Hasen und die Männer grillten sie über einem Feuer. Sie erzählten sich viel, erzählten von Enolas Mutter, welche den Dakota Englisch beibrachte, bis sie bei der Geburt ihres Sohnes mit ihm starb. Aponi war die Cousine von Enola, ihre Mutter und Enolas Vater waren Schwester und Bruder.

„So streng Nahiossi war, er war ein guter Häuptling."

Sie seufzte, dann begann sie, ihre Erinnerungen zu schildern.

„Sie kamen plötzlich und überfielen uns gnadenlos. Sie trieben uns auf die Weide und sammelten sich die jungen Frauen zuerst heraus. Wir wehrten uns wie Wilde Pferde, doch jeder Mann, welcher uns helfen wollte, wurde hingerichtet oder sofort gefangen genommen. Nahiossi banden sie an die Kiefer und, als wäre es ein Spiel, traten und schlugen sie ihn. Dann kam dieser fette, eklige Mann, Rolfe. Er nahm Nahiossis Speer und stach mehrmals auf ihn ein. Doch der Häuptling, welcher er war, gab er keinen Laut von sich. Dann packten sie Ashakii, sein Sohn, und legten ihm ein Seil um den Hals. Erst da begann Nahiossi, zu betteln, doch vor unser aller Augen zogen sie ihn an einem Ast der Kiefer hinauf. Er zappelte und zappelte... und wir weinten. Enola versuchte unentwegt, auf sie einzureden, und selbst als sie mehrere Schläge bekam, blieb sie nicht still. Dann packte sie Rolfe und zog sie an den Haaren vor den Häuptling. „Willst du enden, wie sein Sohn?" mahnte Rolfe und Enola spukte ihm ins Gesicht. „Lass sie gehen, sie sind ein friedliches Volk!" bettelte Enola immer und immer wieder." Aponi seufzte. „Nahiossi gab ihr die Schuld dafür, weil sie und ihre Mutter die Weißen zu uns gebracht hatten." Aponi wischte sich eine Träne von der Wange.

„Rolfe nahm sein Messer und schlitzte Nahiossi die Kehle auf. Von einem Ohr zum anderen, es war schrecklich. Dann fesselten sie uns und brannten das Dorf nieder."

Es wurde still am Lagerfeuer. Kurz ging jeder seiner Gedanken nach. Aponi bekam dieses Bild nicht aus dem Kopf, wie der kleine Körper von dem Ast baumelte, die Augen weit aufgerissen....

Aponi war 26 Jahre alt, während Sihu erst sechzehn Jahre alt war. Aponi war verheiratet gewesen, doch wie Enolas Vater starb auch ihr Mann im Kampf gegen die Weißen, und seitdem sei sie alleine- was Robin gut zu gefallen schien. Er hing den ganzen Abend an ihren Lippen.

„Ich würde sagen, wir gehen schlafen. Zuerst mache ich Nachtwache, dann wecke ich dich, Pete. Bis morgen, Mädchen. Schlaft gut." Francis nahm sich seine Schrotflinte und setzte sich an einen Baum.

Er schien wohl doch eingenickt zu sein, denn er schrak hoch, als er ein Geräusch hörte. Ein Fuchs hatte sich in ihr Lager geschlichen und durchstöberte seine Tasche.

„Husch!" Francis stand auf und der Fuchs flüchtete sofort in den Wald.

Francis kniete sich neben Pete, welcher tief schlief. „Hey, mein Freund. Wach auf."

Dieser schlug sofort die Augen auf und orientierte sich.

„Alles okay?" Pete setzte sich auf und streckte sich.

„Nur ein Fuchs, sonst alles ruhig."

Pete sah sich um. „Die Landschaft hier fasziniert mich immer wieder. Dieses Land bietet so viel mehr als Britannien."

Francis schaute hoch zum Himmel, welcher wolkenlos über ihnen lag. So unglaublich viele Sterne. „Mir gefällt es auch."

Den Männern fiel auf, dass es angefangen hatte zu Dämmern. Francis hatte wohl länger geschlafen, als er dachte.

„Ich würde sagen, wir wecken die anderen."

Eine kurze Zeit später ritten sie weiter Richtung Osten.

Jamestown lag noch gut ein tagesritt von ihrem jetzigen Standort entfernt. Diese englische Siedlung lag am James River gelegen und somit ein wichtiger Handelsplatz. Von dort aus segelten einige Schiffe nach England und zurück, beladen mit Tabak, Reis und Sklaven.

Von dort aus würden sie einige Indianer wohl auch nach Britannien segeln, und spätestens dann würde er Enola nie wieder sehen.

Als die Mittagssonne glühend senkrecht am Himmel stand, stießen die Männer und Frauen auf eine Baumwoll-Plantage.

Ihre Größe war übersichtlich, überall schwitzten Sklaven und zupften die Baumwolle in ihre Körbe, viele waren von schwarzer Hautfarbe, andere Indianischer Herkunft.

Die Gruppe stoppte und ließ ihren Blick schweifen.

„Da kommt wer" flüsterte Robin und alle folgten seinem Blick. Im Flimmern der Sonne erkannten sie einen Mann auf einem Pferd auf sie zu kommen.

„Mädels, ihr seid unsre Huren. Kein Wort!" zischte Francis in Richtung der Mädchen und dann rief er in Richtung des Mannes:

„Wir sind Engländer!"

Mit einem breiten Grinsen kam der Mann auf dem Pferd vor Francis zum stehen.

„Guten Tag, meine Freunde. Auf der Durchreise?"

Francis nickte. „Nach Jamestown. Wir haben gehört, dass dort frische Indianer-Mädchen geladen werden." Ihm wurde schlecht. Er hatte sich selten so ekelhaft gefühlt und dieser Satz hatte ihn alle Schauspielkunst gekostet.

„Ach, ja. Wir haben uns ebenfalls zwei der Hübscheren gegönnt und ebenfalls zehn starke Männer. Allesamt frisch aus ihren Dörfern direkt hier her."
Der Mann musterte Aponi und Sihu. „So hübsch wie ihr."

Robin bewegte sein Pferd ein paar Meter nach vorne. „Die gehören schön uns, mein Freund!" Wie als hätte er einen Witz gemacht, lachten die Männer gekünstelt und der Fremde stieg mit ein. „Keine Angst, ich habe meine eigene. Kann sogar ein bisschen Englisch!"

Sie müssen von den Dakota sein!

„Der Händler, der uns diese Ware brachte, hatte noch einige mehr dabei. Doch nicht alle waren verkäuflich. Eines der Mädchen war wohl Halb-Indianerin Halb-Engländerin, der gute Rolfe ließ uns sie für einen Abend, dann nahm er sie wieder mit."
Aponi stieß einen leisen Schrei aus und begann, zu schluchzen.

Galle stieg in Francis Hals auf und sammelte sich bitter in seinem Mund.

Pete verstand sofort. „Ein Mischling? Sag uns, wo können wir sie finden? Wo hält sich dieser Rolfe nun auf?"

Der Mann zuckte die Schultern.

„Sie waren bis heute Morgen noch hier, weit können sie nicht sein. Wenn ihr ein wenig Zeit habt, kommt mit zu meinem Boss, er ist befreundet mit Rolfe. Der weiß sicher, wo sie hinwollen. Folgt mir."


Die IndianerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt