Sie schien doch noch tief eingeschlafen zu sein, denn als sie wach wurde, waren die Pferde gesattelt und das Gepäck aufgeladen.
Joris löschte gerade das Feuer mit Wasser aus dem See und als er sah, wie sie sich verwirrt aufsetzte, lächelte er sie an. „Guten Morgen, Schlafmütze!" Enola schien peinlich berührt, lächelte jedoch zurück. „Wieso habt ihr mich denn nicht geweckt?"
Er trat die letzten Funken aus und winkte ab. „Wir haben hier keinen geweckt. Seit Tagen und Wochen konnte hier jeder wach werden, wie er wollte."
„Guten Morgen, Sonnenschein."
Francis war neben ihr aufgetaucht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus und sie musste unwillkürlich lächeln.
„Guten Morgen" flüsterte sie zurück und schaute ihm in die strahlenden Augen. „Du scheinst glücklich zu sein, ist etwas geschehen?"
Francis streckte ihr eine Hand hin, sie ergriff sie und er zog sie hoch. „Ich durfte endlich eine Nacht neben dir verbringen."
Enola kicherte und es klang wie das Kichern eines kleinen Mädchens. Sofort lief sie Rot an und legte sich die Hände vor das Gesicht.
Francis fiel in ein lautes, herzliches Lachen und Enolas Gesichtsfarbe wurde tiefrot. „Francis!" rief sie und stieß ihn in die Rippen. „Hör auf zu lachen!"
Dieser kniff ihr mit den Fingerknöcheln in die Backe. „Gott, bist du süß."
Enola verdrehte die Augen und lächelte. „Und du bist doof."
„So ihr Turteltäubchen, können wir dann los?" Joris hob die Augenbrauen und sah sie verschmitzt an. „Auch ich würde meine Frau gerne wieder in die Arme schließen."
Enolas Blick ging zwischen Francis und Joris hin und her. „Ihr... ihr wollt zurück in euer Dorf?" Ihre Stimme war dünn, es war mehr ein flüstern und ihre Unterlippe bebte.
Francis trat einen Schritt auf sie zu. „Natürlich wollen wir zurück nach Cromwell. Und ihr seid alle herzlich eingeladen, uns zu begleiten."
Fassungslos blickte sie zu Apenimon, welcher schon auf seinem Pferd saß.
„Mihunka" nannte sie Apenimonn bei seinem Kosenamen, als wolle sie, dass er etwas erwiderte, doch bevor er etwas sagen konnte, fiel ihm Aponi ins Wort.
„Wo willst du denn sonst hin? Unser Dorf ist niedergebrannt" erinnerte sie Enola auf ihrer Muttersprache.
„Wir können doch nicht mit ihnen mitgehen, in ihr Dorf, und tun, als wären wir eine von ihnen!" erwiderte Enola ebenso auf Dakota und schüttelte den Kopf.
„Wir müssen nicht einer von ihnen sein, wir sind Dakota, egal, in welchem Dorf wir wohnen. Doch wir sind dann Teil ihrer Gesellschaft und können neu beginnen" und mit einem Blick auf Robin fügte sie hinzu: „mit Menschen, die uns akzeptieren, die uns beschützen und uns lieben. Wir sprechen ihre Sprache, lernen ihre Sitten und revangieren uns dafür, dass sie unser Leben gerettet haben."
Enola spie ihren nächsten Satz geradezu in Aponis Richtung: „Sie haben uns doch erst in Gefahr gebracht! Sie haben uns verraten, Aponi! Hast du das nicht verstanden?"
Apenimon war inzwischen von seinem Pferd abgesprungen und stellte sich vor Enola. „Es waren nicht sie, die uns verraten haben."
Enola verschränkte die Arme. „Unser Stamm hat in Frieden gelebt, bis sie kamen."
Apenimon verzog traurig sein Gesicht. „Du sprichst über sie wie sie damals über deine Mutter gesprochen haben."
Plötzlich wurde ihr Gesicht weich, ihre Arme ließ sie an ihrer Seite baumeln. „Apenimon..." begann sie, doch er hob die Hand. „Du darfst die Wahrheit nicht aus den Augen verlieren, egal wie verletzt und gebrochen du bist. Du wirst eingenommen von deiner Wut und deinem Schmerz und lässt dir nicht helfen. Du wirst eingehen wie die Maisfelder ohne Wasser."
Du bist die Luft, die ich atmen muss, das Wasser, welches mich am Leben hält, der wunderschöne Traum, der mich schlafen lässt.
Apenimon legte ihr eine Hand auf die Wange. „Öffne dein Herz, micunksi. Du hast es verdient."
Micunksi- meine Tochter. So hatte er sie noch nie genannt.
Enola schaute zu Aponi, welche bereits hinter Robin auf dem Pferd saß, ihre Arme um seinen Brustkorb geschlungen. Diese schenkte ihr ein trauriges Lächeln.
Enola schaute zu Francis, welcher sie mit schmerzverzerrtem Gesicht ansah. Obwohl er kein Wort Dakota sprach, schien er jedes Wort verstanden zu haben.
Enola ging einen Schritt auf ihn zu, doch Francis wandte sich ab. „Ich denke, wir sollten nun darüber reden, was unser Ziel sein wird." Er sprach zu den Indianern, als wüssten seine Leute schon die Antwort.
Aponi schien keine Sekunde zu zögern. „Ich würde mich dankbar euch anschließen und würde gerne mit euch nach Cromwell reisen."
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Die Indianerin
Teen FictionAls der junge Siedler Francis mit seinen Männern im Neu-entdeckten Amerika ankommt, scheint für ihn zunächst die Mission wichtig, das sagenumwobene El-Dorado zu finden. Doch als er dann zu einem Indianerstamm kommt und Enola kennenlernt, die halb In...