Unangenehme Begegnung

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Sie waren so leise angeschlichen, dass sie keiner der rastenden Männer gesehen hatte.

Charles handelte sofort: Er hob seine Arme in die Luft und zeigte auf den Anhänger.

"Hau kola. Wir haben euch etwas mitgebracht."

Der ältere Mann, welcher dank seines Federbandes als Häuptling zu erkenne war, folgte Charles Finger.

Er sprach etwas und erwartete scheinbar eine Antwort, welche die Engländer natürlich nicht geben konnten. Nun steckte auch Francis seine Waffe weg.

"Nimmt euch, was ihr wollt, und lässt uns ziehen."

Der Häuptling wandte sich an seine Männer, und ein paar von ihnen gingen zu dem Wagen. Wieder wurde kommuniziert und der Häuptling bewegte sich ebenfalls auf den Wagen zu. Er wühlte darin umher und zog den Korb hervor, den Francis gebastelt hatte.

"Wo habt ihr die Sachen her" fragte einer der Indianer in brüchigem Englisch.

"Wir haben ein paar Wochen bei den Dakota verbracht und diese als geschenke für euch gebastelt" meinte Francis und nahm wieder Stellung als Anführer.

"Was macht ihr auf unsrem Land" fragte der junge Einheimische weiter.

Francis ging einen Schritt auf diesen zu, doch sofort wurden die Speere erhoben und deuteten allesamt auf Francis' Körper.

Wieder hob er die Arme.

"Wowowow, keine Panik" versuchte Charles zu schlichten und ging ebenfalls einen Schritt auf die Ureinwohner zu.

"Was macht ihr hier" fragte der junge nochmal und Francis suchte seinen Blick.

"Wir sind nur auf der Durchreise" erklärte er kurz und der Häuptling kam im stechschritt auf ihn zu.

Nun waren es Francis Männer, die die Waffen auf die Gegner richteten.

Mit bösem Blick musterte der alte Mann die Gruppe Engländer. Er stand so nah, dass Francis kaum zu atmen wagte.

Wieder sprach er etwas, doch diesmal übersetzte der junge Mann mit.

"Vor ein paar Tagen kamen Männer eures Aussehens in unser Dorf und nahmen unsre Frauen mit. Sie brannten unsre Tipis nieder und stahlen unsre Lebensmittel und unsre Pferde."

Beschämt senkte Francis den Kopf. Enola hatte Recht. Die Europäer verhielten sich schrecklich auf dem neuen Kontinent.

"Das sind nicht unsere Männer. Wir kommen in Würde und Frieden. WIr wollen weiter südlich."

Der Mann übersetzte und wieder verengte der Häuptling die Augen.

Dann trat er von Francis weg und dieser nahm einen tiefen Zug frischer Luft.

"Wir nehmen euren Wagen und ihr dürft passieren."

"Ihr könnt euch etwas aussuchen, aber sicher nicht den ganzen Wagen..." begann Charles, brach jedoch ab, als ein jüngling ihm den Speer an die Kehle hielt.

Sofort beschwichtigte Pete. "Okay, dann nehmt euch den verdammten Wagen, ihr großhälse!"

Aber das war scheinbar nicht alles- der Häuptling zeigte auf Williams' prächtigen Schimmel.

"Nur über meine Leiche!" brüllte dieser und stellte sich schützend vor seinen Hengst.

Und wieder wurden die Speere ausgestreckt, diesmal hatte William einen an der Kehle. Sein Blick verfinsterte sich und Francis sah, wie er seine Hand an sein Holster legte.

"Komm, Willi, nehm das Ersatzpfferd. Der freut sich, mal geritten zu werden."

William beugte sich vor, die Klinge schnitt in seine Kehle. "Ich werde euch finden und mir Apple zurück holen, dass schwöre ich euch." Er drehte sich um und nahm den Kopf des Pferdes in die Hände.

"Keine Angst, Apple. Ich hole dich zurück." Mit einem Abschiedskuss drehte er sich um und lief zu dem Pferd, welches die Männer abwechselnd an einem Strick mitritten ließen, im Falle, dass eines der Pferde eingehen würde oder Krank würde.

Oder eben geklaut.

Mit einem gefühlvollen Schwung stieg der Häuptling auf das Pferd und ritt mit lautem geheule wieder fort. Selbst als die Indianer in der ferne waren, blieben die Männer regungslos stehen.

"Wurden wir gerade von Primitivlingen ausgeraubt?" fragte Pete verwirrt und ließ sich auf seine Matte fallen. Die Männer taten es ihm nach. Schweigend aßen sie ihre Maiskolben.

"Das hättest du nicht zulassen dürfen" brummte Charles und Francis wusste, dass er ihn meinte.

"Ach, und was hätte ich deiner Meinung nach machen sollen?"

Charles warf den nicht essbaren Rest des Kolbens in das Feuer.

"Du hättest ihnen zeigen sollen, wer das sagen hat."

Francis unterdrückte ein wütendes Schnaufen.

"Es tut mir leid, dass wir beide unterschiedliche auffassung vom Handel haben, aber ich wollte, dass das so friedlich wie möglich ausgeht, denn weder ich noch sonst jemand von euch kennt diese Männer und weiß, ob sie William nicht doch getötet hätten."

Und bevor eine Disskussion ausbrechen konnte, stand er auf. "Lasst uns weiter gehen."

Sie ritten in den Süden, bis es dämmerte. Auf ihrem Weg fanden sie ein leeres Indianerdorf, welches ausgeraubt und niedergebrannt wurde. In den Trümmern konnte man einen haufen verbrannter Körper ausmachen, der geruch von verbranntem Fleisch und Ruß lagen in der Luft.

Nach einem kurzen Erkundungsgang machten die Männer sich noch ein paar Meilen weiter.

Sie schlugen ihr Lager auf und saßen Abends am Lagerfeuer.

Als Francis in die Flammen sah und ihm die Wärme des Feuers entgegenstrahlte, dachte er an die Nacht mit Enola. Ihr Körper war so schön und jung und wie sie sich bewegte hatte...

Schnell schlug er die Erinnerungen beiseite. Er wird sie vorerst nicht sehen können- wenn er sie je wieder sah. Seine Mission war es, El Dorado zu finden und zurück zu seinem Dorf zu reiten.

Jedoch würde er sie vorher holen und als seine Frau mit nach Cromwell nehmen.

Plötzlich wurden seine Lider schwer. Schwerfällig stand er auf. Sein gesäß tat vom reiten weh, sein Kopf schmerzte.

Sie wurden von den Dakota wahrlich verwöhnt. Francis musste sich bei dieser erkenntniss ein dämliches Grinsen verkneifen.

"Wir sehen uns morgen in aller frühe, meine Freunde."

Robin schaute verwirrt. "Du gehst schon schlafen?"

Francis streckte ihm sie Zunge heraus. "ich bin in der Tat sehr müde. Trink du einen für mich mit." Robin prostete ihm zu und nahm einen Schluck seines Brandy.

Im zelt zog sich Francis bis auf die Unterhose aus und kuschelte sich in seinen Schlafsack. Und er war sofort eingeschlafen.

Die IndianerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt