Die Weiße Indianerin

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Francis und Enolas Blicke begegneten sich, dann geleitete sie an ihnen vorbei in das Langhaus.

Als sich jeder beruhigt hatte und die Schüsseln wegebracht wurden, lehnten sich die Männer gesättigt zurück. Enola spürte die Blicke der Männer auf sich.

„So, Enola" begann Charles, „erkläre uns, warum du aussiehst, wie eine von uns."

Sie hob ihren Blick und knetete nervös ihre mit Tattoos übersäten Hände.

Ihr Blick wanderte zu einem Indianer, der einfühlsam nickte.

„ina war Engländerin, ahte einer von den Dakota."

Francis schaute ihr gedankenlos auf die Lippen und auf rätselhafte Weise war Francis bezaubert von ihr. Sein Blick wanderte über ihre Nase zu ihren Augen, doch Enola bemerkte sein starren und sofort wendete er seinen Blick ab, unwillkürlich errötete er.

„Ahte wurde bei der Jagd von Weißen ermordet und Ina starb bei meiner Geburt, daher auch mein Name: Enola- auf Englisch übersetzt die Einsame."

„Wie hieß den ihre Mutter, wenn die Frage gestattet ist?"

Eine Engländerin.

„Ich kenne sie nur unter ihrem indianischen Namen- MISAE O, die weiße Sonne."

Ein Dakota krabbelte auf allen vieren zu Enola und setzte sich neben sie, seine Hand auf ihrem Oberschenkel.

„Man sagt ihre Namen nach ihrem Tot nicht, dass müsst ihr verstehen" meinte er in gebrochenem Englisch. „Das stört ihre Totenruhe."

Die Briten nickten.

Plötzlich ging die Türe auf und ein großer, stattlicher Mann, reichlich geschmückt, betrat die Runde.

Die Dakota sprachen etwas und der Mann setzte sich an das Kopfende der Gruppe.

„Das ist Nahiossi, unser Häuptling."

Francis senkte aus Respekt seinen Kopf und nickte dem Mann zu.

Ihn umgab eine angsteinflößende Aura. Alles an ihm machte klar, dass er der Häuptling war.

Der Häuptling zog vier mal an der Pfeife, dann gab er sie an die Briten weiter.

„Das ist unsere Chanunpa Wakan. Wie ich schon gesagt habe, sind wir ein sehr friedliebendes Volk und wollen euch als Freunde."

Apenimon reichte die Pfeife an Francis.

„Was ist da drin?" fragte dieser und blickte auf das mit Federn geschmückte Rohr.

„Wir nennen es Kinnick Kinnick, es ist ein Gemisch aus Tabak und unserer Kräuter."

Francis schaute zu Charles. Er war nicht jemand, der gerne rauchte oder Rauschmittel nahm, besonders nicht, wenn er nicht wusste, was es war.

„Komm schon, du kannst sie nicht ablehnen" raunte Charles und zog seine weißen Augenbrauen hoch. Francis starrte wieder auf die Pfeife, dann sah er hoch und blickte in Enolas grinsendes Gesicht.

Francis runzelte die Stirn und beobachtete ihre hämischen Gesichtszüge.

Wollte sie ihn herausfordern?

Vorsichtig zog Francis an der Pfeife und wie erwartet wurde er von Husten geschüttelt.

Ein Lachen ging durch die Reihen und schnell gab Francis die Chanunpa weiter.

„Das passiert vielen beim ersten Mal" versuchte es Apenimon, doch jetzt begannen die Männer, erst Recht zu lachen.

Francis blickte zu Boden und versuchte, das Blut nicht in seinen Kopf steigen zu lassen.

„Dann versuchen sie die hier" hörte er die wunderschöne Stimme und sah Enola, die eine andere Pfeife durchgehen ließ.

Der erste der Briten zog heftig an dem Rohr und begann sofort zu husten.

Er gab es an den nächsten weiter, und auch dieser musste husten.

So ging es die ganze Reihe, bis das Zelt von lachenden, hustenden Männern überlagert wurde.

Francis schaute auf Enola und konnte nicht anders, als ihr charmantes Lächeln zu erwidern.

Er war verwirrt. Zuerst forderte sie ihn heraus, nur um zu sehen, dass er scheiterte, dann stellte sie die anderen bloß?

Der junge Anführer beobachtete, wie Nahiossi energisch auf Enola einredete und ihren Arm fest hielt. Er sah böse aus, doch statt Angst zeigte sich ebenfalls Wut in ihrem Gesicht.

Er zog Enola neben sich und mit verschränkten Armen schmollte sie neben ihm.

„Wir haben vorhin festgestellt, dass unsere Ernte dank des Wetters die nächsten Tage gegessen werden muss, jedoch müssten wir vieles wegwerfen, wenn wir keine Hilfe bekommen."

Apenimon breitete die Arme aus.

„Wir bitten euch aus Freundschaft, bleibt bitte noch ein paar Tage, bevor ihr wieder aufbricht."

Die Männer jubelten und gegen Francis Willen freuten sich alle, nicht weiter durch diese Hitze reiten zu müssen.

„Wir werden eure Pferde versorgen und eure Sachen waschen. Aber bitte, bringt keine Waffen in unser Lager."

Die Briten erhoben sich langsam, und jetzt bemerkten sie, wie kaputt sie eigentlich waren. Ihre Muskeln taten weh und ihre Köpfe schienen zu explodieren. Vom kalten, regnerischen England über das Meer in diese Hitze- daran mussten sich ihre Körper noch gewöhnen.

Francis sah, das Enola aufgestanden war. Schnell erhob er sich und folgte ihr.

Draußen begrüßte ihn ein kalter Abendwind und der Sternhimmel war atemberaubend.

„Enola, warte" rief Francis und sie blieb tatsächlich stehen.

„Was?" fragte sie harsch und für ein paar Sekunden war sich Francis nicht sicher, was er tat.

„Das mit der Pfeife... das wäre wirklich nicht nötig gewesen."

Sie lachte auf. „Stimmt. Es war dumm von mir. Ich habe sie mit Absicht gedemütigt. Das ist böse."

Francis trat einen Schritt auf sie zu.

„Hast du Ärger bekommen?"

Enola ließ die Arme sinken.

„Nur wie immer. Der Häuptling mag mich nicht so. Es ist normal, von ihm gemaßregelt zu werden."

Sie drehte sich um und lief langsam weiter.

„Wahrscheinlich hasst er mich, weil ich gebildet bin und Englisch kann und eine Weiße bin."

Francis könnte schwören, dass ihre Stimme zitterte.

„Du denkst, er sieht dich als Weiße?"

Er lief auf sie zu und blieb einen Schritt hinter ihr stehen.

Schwach zuckte sie die Schultern.

„Für jeden Dakota bin ich eine Weiße."

Sie drehte sich um und Francis sah, dass ihre Augen glänzten. Sein Herz schmerzte, und ihn überfiel der Drang, ihre Haare hinter ihre Ohren zu streichen.

„Ich bin die Tochter meiner Mutter, eine Weiße, die einem Dakota den Kopf verdreht hat. Sie hatten sie nie akzeptiert und sie werden es bei mir auch nie."

Mit diesen Worten rannte sie in ein Tipi und schloss den Eingang.

Die IndianerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt