85. Frau?

17 4 0
                                    

Favio

Betroffen beobachtete ich wie Kenneth jetzt schon seit Stunden versuchte die junge Frau zu beruhigen. Die Kinder waren mittlerweile unglaublich still und das ältere Mädchen war mit Tränen in den Augen neben ihrem Vater eingeschlafen. „Risa, du hättest es gesehen.", hörte ich Kenneth sagen. „Du hast doch sonst alles gesehen.", flüsterte er und schloss seine Arme um Risa. „Ich weiß, aber ich... sieh ihn dir doch an.", wimmerte sie und klammerte sich an Kenneth.

Leise setzte ich mich auf und lehnte mich gegen die Wand hinter meinem Schlafplatz. Natürlich darauf bedacht meinen Bruch nicht wieder zu beschädigen, die Schienung war nicht die Beste.

War ich hieran schuld? Hatten sie meinetwegen hergefunden? Was feststand war, dass Kenneth nicht vorbereitet war Jon zu schützen, meinetwegen. Fest ballte ich meine Hände zu Fäusten und sah wieder auf zu Kenneth und Jons Freundin. Nur diesmal sah Ken mich über ihre Schulter an. Sofort waren alle Gedanken verflogen. Er hatte mir vergeben, er hatte gesehen wieso ich so gehandelt hatte. Er würde mich dafür nicht hassen. „Er schafft das.", hörte ich Kenneth flüsternd während er immer weiter beruhigend über Risas Rücken strich.

Es dauerte noch eine Weile bis Risa sich soweit beruhigt hatte, dass sie ihrem Körper etwas Ruhe gab. Als sie dann mit ihren Kindern an Jons Seite schlief kam Kenneth zu mir auf meine Matratze und schlüpfte unter meine Decke. „Du bist wirklich ein guter Freund.", sagte ich leise und griff vorsichtig nach seiner Hand. „Danke.", murmelte er und sah starr auf unsere Beine.

„Was, wenn er wirklich nicht wieder aufwacht?", murmelte er und verschränkte unsere Finger miteinander. Liebevoll strich ich über seinen Handrücken und erwiderte: „Hör auf mit dem was wäre wenn." Kenneth seufzte leise und ließ erschöpft seinen Kopf auf meine Schulter sinken. „Nicht einmal dich konnte ich heile lassen.", sagte er und strich mit seiner freien Hand über meinen Oberschenkel. Ich lachte leise und widersprach: „Du hast sehr viel von mir gerettet. Es ist nur mein Schienbein, Kenneth." Der Blonde nickte langsam, schien aber nicht zufrieden damit. „Ken, du hast mich gerettet.", betonte ich erneut doch er wank nur ab und kuschelte sich an meinen Körper um ebenso wie Risa sich schlafen zu legen. Auch ich erlaubte mir dann etwas die Augen zu schließen.

Doch nur um kurz bevor ich wegnicken konnte durch ein Geräusch wieder aufmerksam zu werden.

Langsam schlug ich meine Augen wieder auf und sah hinüber zu Jons Bett. Erst dachte ich es wäre nur Risa gewesen, die sich im Schlaf geräuspert hat oder eines der Kinder. Doch dann hob sich ein Arm an Jons Stirn. „Jon?", fragte ich leise in den Raum um niemand anderen zu wecken. „Huh?", kam es stöhnend aus dem anderen Bett. Sofort versuchte ich Kenneth zu wecken. Sanft klopfte ich auf seine Brust und strich über seine Wange. „Was denn?", murmelte er nach einer Weile. „Jon ist wach.", erwiderte ich und musste aufpassen, dass er mich nicht mit seinem Kopf traf, als dieser in die Höhe schnellte. Hecktisch schälte er sich aus der Decke und sprang auf um irgendwie zu dem Bett seines Freundes zu kommen. „Oh Gott.", hörte ich ihn wenig später keuchen. „Ich hole Eric. Beweg dich nicht.", befahl er und verlies zügig das Zimmer.

Ranga

Stumm saß ich mit Moe und Eric in Erics Büro. Moe schaute lustlos durch die fehlenden Akten während Eric eine Mappe durchforstete, die Aleksis ihm gebracht hatte. Schon seit Wochen grübelte er darüber wo die Vor und Nachteile bei dieser Bestrafung liegen könnten. Aber bisher ließ er sich mit Ergebnissen Zeit. Unter anderem aber auch um für Jon dazu sein. Die Zwangsverwandlung hatte ihn wohl mehr mit genommen als angenommen. Aber zumindest war er wieder bei sich und ein Vampir. Dabei war auch jegliche Gefahr von Tod gebannt.

„Wo hast du Sanji gelassen? Die letzten Wochen hast du ihn ja fast an dich gekettet.", fragte mein Bruder in die Stille und legte die nächste Akte in eine der Boxen. Kurz sah ich zu Moe auf bevor ich erwiderte: „Er ist dagegen. Er sagte, es mache kein Sinn ihn zu beschützen. Er sei ein Mensch und jetzt, wo er es nicht mehr ist, ist er gebunden wofür bräuchte er meinen Schutz. Nathanael hätte nur Interesse gehabt so lange er glaubte, dass er Shinji sei." Moe nickte abwesend und sortierte die nächste Akte weg. „Geht das immer noch so? Wird es nicht besser?", fragte Eric stattdessen. „Die Abstände werden größer.", erwiderte ich und zog die Beine auf den Stuhl. „Verstehe.", kam es leise über seine Lippen. Doch bevor ich nachfragen konnte klopfte es leise an der Tür. „Herein!", rief Eric und kurz darauf zeigte sich ein roter Haarschopf im Türrahmen. Sofort stöhnte Eric auf und ich fühlte wie Moe sich neben mir verspannte. „Ich verschwinde sofort wieder. Bitte, hör mir nur einen Moment zu.", sagte unser Vater und ließ kurz seinen Blick zu mir und Moe schweifen. „Was willst du?", knurrte Eric und legte die Mappe weg. „Es tut mir so leid, was ich euch angetan habe.", sagte Nathanael. Verwundert legte ich den Kopf schief und gab einen überraschten Ton von mir. „Ich sage das nicht ohne dass ich es meine oder nur weil eure Mutter mich dazu gedrängt hätte. Ich sage das, weil ich dich jetzt sehe. Wie du da gestanden hast und auch wenn es um meine Vergehen ging war ich stolz auf dich.", führte er aus. Doch Eric seufzte nur bevor er erwiderte: „Ich brauche deinen Stolz nicht und wenn du glaubst, dass dich das hier vor Strafe schützt hast du dich geschnitten. Du warst nur ein paar Wochen hier und hast meine Familie in dieser Zeit dermaßen terrorisiert. Außerdem musst du dich sicher nicht bei mir entschuldigen." Nathanaels Lippen formten zaghaft ein Lächeln, dann sagte er: „Das weiß ich. Es war mir dennoch ein Anliegen. Ich habe dir bisher nichts anderes gesagt, als dass du versagt hättest. Aber damit hatte ich Unrecht. Das wollte ich berichtigen. Du hast deine Brüder zu mutigen Männern erzogen und du selbst hast... du hast Medizin studiert." Eric verschränkte die Arme und murrte: „War ja klar, dass dir das wichtig ist. Das Medizinstudium war etwas was ich deinetwegen getan habe und meine Brüder sind nicht nur ‚mutige Männer'. Aber was erwarte ich auch. Ich hoffe, jetzt fühlst du dich besser und du kannst wieder gehen." „Eric...", setzte Nathanael erneut an. Doch diesmal unterbrach ihn das Öffnen der Tür. „Oh, entschuldige. Ich wusste nicht...", stammelte Sanji und wollte grade wieder die Tür schließen. Doch Eric bat ihn herein. „Was gibt es?", fragte er. Nervös sah Sanji zwischen Nathanael und Eric hin und her bevor er sagte: „Ich habe Ran gesucht." „Komm.", sagte ich sofort und stand auf. Sanft griff ich nach seinem Unterarm und zog ihn zu mir. Gleichzeitig versuchte ich ihn davon abzuhalten sich an mich zu klammern. „Ranga.", vernahm ich meinen Vater sagen bevor ich die Tür öffnen konnte. Also drehte ich mich erneut um, fühlte wie Sanji sich an meinen Rücken presste und seine Finger in meinem Shirt vergrub. „Werde nicht zu mir. Du wirst so nur deine Frau verletzen.", sagte er. Bevor ich etwas erwidern konnte fühlte ich wie Sanji von mir abließ und hörte ihn fragen: „Frau?" „Sanji, ich...", setzt ich an doch erließ mich gar nicht ausreden. „Erst Lev und jetzt? Ich dachte wir wären über diesen Kinderscheiß hinweg und ich dachte ich könnte dir vertrauen. Willst du dieses Band lösen in das ich dich ja eh hineingezwungen habe?", rief er und schlug mir auf die Brust. „Band?", fragte mein Vater entsetzt. Ich atmete tief durch und sah kurz zu Eric. Dann erwiderte ich: „Vater, das ist mein Partner. Da ist keine Frau und auch keine Kinder. Sanji war und wird immer mein Seelenverwandter sein." Sofort herrschte Ruhe in Erics Büro. Eine Ruhe, die mich nicht mehr hätte beängstigen können. Wenn mein Vater sich dafür entschied mich dafür zu bestrafen, dann könnte ihn niemand aufhalten. Die Stille wurde so unerträglich, dass ich langsam unterwürfig den Kopf neigte und mir wünschte im Erdboden verschwinden zu können.

Sanji unterbrach die Stille zuerst und murmelte: „Er wusste es nicht." Vorsichtig griff er nach meiner Hand und trat wieder näher an meinen Körper. „Entschuldige.", flüsterte er und vergrub seinen Kopf an meiner Schulter. Sanft drückte ich seine Hand bevor ich sie los ließ um nach seiner Hüfte zu greifen und ihn näher zu mir zu ziehen. Seine Nähe gab mir wieder etwas Kraft, Kraft genug um aufzublicken und in die Augen meines Vaters zu sehen. „Wie lang?", fragte er tonlos. Eric erhob sich von seinem Stuhl während er antwortete: „Die beiden sind seit sie Kinder sind unzertrennlich. Atayo hat versucht sie zu trennen und ist gescheitert. Sanji ist durch jeden erdenklichen Schmerz gegangen um bei Ran zu sein." Doch unser Vater zeigte immer noch keine Regung. Es dauerte noch eine ganze Weile bevor er tief durchatmete und sagte: „Okay, es tut mir leid, dass ich davon ausgegangen bin, du hättest eine Frau." Sanji hob langsam den Kopf und selbst im Augenwinkel konnte ich sehen wie überrascht sein Ausdruck war. Doch ich war mir sehr sicher, dass er das nur sagte, weil er grade noch versucht hatte sich bei Eric zu entschuldigen. „Aber wieso das Band?", setzte er nach und trat näher. Stumm beobachtete ich wie seine Hand zu Sanjis Hals wanderte und über die Narbe in seiner Halsbeuge strich. Über Sanjis Lippen kam es leises Winseln. Wie immer nach seiner menschlichen Phase war die Narbe empfindlich. „Es gibt dir nichts.", fügte er hinzu und ließ von meinem Partner ab. „Ich habe ihn gebissen. Er hatte keine Wahl.", antwortet Sanji für mich. Was allerdings nur dafür sorgte, dass die Augen meines Vaters in einem hellen rot aufblitzten. „Ich hatte eine Wahl.", rief ich schnell und schob Sanji hinter mich. „Ich hätte das Fieber durchstehen können. Aber das wollte ich nicht. Und doch, Sanji gibt mir Kraft. Vor unserem Band war ich ein Beta.", erklärte ich. „Ranga, hör auf. Du musst deine Beziehung nicht rechtfertigen.", hörte ich Eric hinter unserem Vater sagen. Dann drehte er ihn herum und sagte: „Du kannst Interesse an unseren Leben haben. Aber ich warne dich, noch einmal. Wehe du verletzt einen von uns. Dann haben wir beide ein großes Problem mit einander." Nathanael nickte sofort und trat einen Schritt von mir und Sanji weg. „Gut, hast du dann dein Anliegen vor gebracht, oder willst du mir weiter in den Arsch kriechen?", fragte Eric und sah unseren Vater herausfordernd an. „Nein, ich habe gesagt was ich sagen wollte. Ich bereue was ich getan habe. Ich konnte nur nicht begreifen, dass ihr nicht mehr meine Kinder seid.", erwiderte er und sah zwischen uns dreien hin und her bis Moe sagte: „Wir sind deine Kinder. Nur sind wir erwachsen und führen unsere eigenen Leben, die du nicht mehr ändern kannst."

Vamp Zone 《5》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt