L I A P. O. V.
Mein Kopf dröhnte noch erbarmungslos, als ich im Krankenhausbett lag und mein Onkel Matthias mir die Standpauke meines Lebens hielt.
“Was hast du dir denn bitte dabei gedacht?! Der Mafia zu helfen, das... hast du denn überhaupt nachgedacht?!”
Nachdem ich im Parkhaus ohnmächtig geworden war, traf mein Onkel mit einer Einsatztruppe ein und konnte mich retten. Es kam offenbar zu einer hitzigen Schießerei, aus der aber die meisten unverletzt rauskamen. Leider auch Jack und die anderen. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht, um mich auf weitere Verletzungen untersuchen zu lassen. Doch laut den Tests war ich nur noch etwas angeschlagen wegen des Betäubungsmittels.
Ich ließ Matthias' Beleidigungen nun schon seit einer halben Stunde auf mich niederregnen. Jedes Mal, wenn ich was sagte, unterbrach er mich. Und zu Wort kommen ließ er mich ohnehin nicht.
“Stell dir vor, Onkel, ich habe das alles nicht freiwillig gemacht.”
Wow. Das war der erste Satz, den er mich beenden ließ. Dafür jagte er gleich die nächste Standpauke hinterher: “Du hättest deinen Vater von Anfang an einweihen sollen! Chris ist mit dem Fall der sizilianischen Mafia schon viel länger vertraut als sonst jemand. Ich arbeite selbst an einem Mafia-Fall in Spanien und weißt du, was passiert wäre, wenn die dich in die Finger bekommen hätten?”
Ich hob monoton die Augenbrauen.
“Die hätten mir deinen Kopf in einem Paket geschickt!”, brüllte Matthias und haute auf den Tisch.
Wenn er wüsste, dass Jack mir damit auch schon gedroht hat.
Vermutlich kein guter Zeitpunkt, ihm das zu sagen.
Ich massierte mir das Nasenbein und konnte sein Gerede echt nicht mehr aushalten. “Matthias. Ich weiß. Okay? Ich weiß, dass das alles super dumm war. Wenn es dir dann besser geht. Aber Fakt ist, dass ich jetzt hier bin. Es ist vorbei.”
Matthias lachte abfällig und ich sah bereits den nächsten Wutanfall bevorstehen. "Ach, vorbei, denkst du? Das ist alles andere als vorbei, Lia. Jack wird Vergeltung wollen und zwar...” Er fand nicht die wichtigen Worte und winkte ab.
Ich drückte am Saum meiner Decke rum und seufzte. “Und jetzt?”
Matthias sah zu mir und seufzte ebenfalls. “Jetzt fliegen wir zurück nach Hause. Zu Chris. Ich habe ihm schon alles übers Telefon erzählt, aber ich denke du kannst dich trotzdem auf eine ordentliche Strafe einstellen.”
Super. Wie motivierend. Da bekomme ich glatt Heimweh.
- - -
Das Gefühl, das ich hatte, als ich von Jack weglief, war nichts im Vergleich zu dem, als ich endlich wieder Zuhause war. Mein Vater hat mich zu zwei Monaten Hausarrest verdonnert. Als wäre ich ein kleines Kind, haben die beiden mich nach oben in mein Zimmer geschickt, um sich untereinander zu bereden.
Was gibt's denn da bitte noch zu bereden? Jack ist in Sizilien, ich bin hier. Luke war noch immer bei unserer Großmutter und hat von dem Ganzen absolut nichts mitbekommen. Es war auch besser so.
Ich ließ mich rückwärts auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Sie sah so anders aus, als die in Jacks Anwesen. Ich freute mich schon auf den Moment, wenn ich morgen aufwache und an meine Decke schauen konnte. In meinem Bett. In meinem Zimmer.
Plötzlich hörte ich keuchende Geräusche und mein Blick huschte zum Fenster. “Kate?!”
“Dein Dad wollte mich nicht rein lassen.” Sie kletterte durchs Fenster und atmete angestrengt. Als sie endlich ins Zimmer stieg - oder wohl eher fiel - schloss sie schnell das Fenster und stellte sich dann mit ernstem Blick vor mich. “Wo warst du?”
Das wird jetzt kompliziert. Noch bevor ich was sagen konnte, fuhr sie mich an: “Dein Vater sagte mir, du wärst mit Luke deine Oma besuchen und wärst ein paar Tage weg.”
Und mein Vater dachte allen Ernstes, diese Ausrede würde bei ihr ziehen?
“Erzähl mir keine Scheiße, wo warst du?”, fragte sie wieder, diesmal mit mehr Sorge im Blick. Ich sagte nichts, sondern nickte nur neben mich aufs Bett. Kate setzte sich und nahm meine Hände in ihre.
“Es ist... eine lange Geschichte.”
Kate zuckte mit den Schultern. “Ich hab Zeit.”
- - -
Kate saß mit offenem Mund vor mir und starrte mich an. Ich schluckte und atmete tief durch. “Jetzt weißt du's."
Kate legte die Hand über den Mund und stand langsam auf. Dann fuhr sie sich durch die Haare und ging fassungslos im Raum auf und ab. “Das ist... so abgefuckt.”
“Ach, echt.”
Kate blieb abrupt stehen und sah mich an.
“Kate, es tut mir Leid. Ich hab dir gesagt, du sollst mir vertrauen, aber... ich hatte keine Ahnung, wo das alles hinführt und---”
Kate fiel mir einfach um den Hals. Sie umarmte mich und ließ mich nicht mehr los. “Es tut mir so, so leid”, murmelte sie in meinen Hals und ich drückte sie von mir weg, um sie ansehen zu können. “Wieso tut es dir leid?”
“Weil ich dich an dem Abend hab gehen lassen, ohne zu fragen, was los ist.”
Ich schüttelte den Kopf. “Das wusste ich doch auch nicht. Glaub mir, ich hätte mir nie ausmalen können, wo das hingeht.”
Kate schniefte und nickte. “Ich bin jederzeit für dich da. Rund um die Uhr. 24/7. Immer. Und wenn dieser Mistkerl hinter Gittern sitzt, dann gehst du zu ihm und zeigst ihm, dass er dich nicht gebrochen hat.”
Sie brachte mich zum Lachen und gab mir einen Kuss auf die Wange. “Dein Vater schmeißt mich raus, wenn er mich hier sieht, also, wenn er mal nicht da ist, sag mir Bescheid." Ich nickte ihr zu und sie ließ sich zufrieden zurück auf mein Bett fallen.
Kate blieb noch den ganzen Abend. Wir unterhielten uns über alles, was ich verpasst habe, als ich weg war. Sie lenkte mich ab von den Dingen, die mir im Kopf schwirrten. Wir redeten so lange, bis wir beide nebeneinander einschliefen. Und in der Nacht träumte ich von Jack. Wie ich ihn anschoss und er nun seine Vergeltung plant.
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Mafia Ripper
RomanceDie 19-jährige Lia wird ungewollt zur Zielscheibe des gefürchteten Mafiabosses, Jack Whitlaw. Denn durch sie hat dieser nun die perfekte Gelegenheit zur Rache an seinem Erzfeind - Lias Vater, dem FBI-Agenten. Aus ihrem gewöhnlichen Leben wird sie in...