33 ☾ Hoffnungsvolle Verzweiflung

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Wie lange ich wie in Trance auf diesen Zeitungsartikel gestarrt hatte - das wusste ich gar nicht mehr.
Mein Leben schien in Zeitlupe an mir vorbei zu gehen. Schwermütig. Drückend.

"Remus, wo ist die Karte des Rumtreibers - genau jetzt?"
"Warscheinlich in Filchs Büro eingeschlossen. Wieso? Sie bringt dir hier ja nichts - sie zeigt dir ja nur Hogwarts!"

"Stimmt.",hauchte ich total aus der Bahn geworfen und sah umher. Konnte keinen klaren Gedanken mehr befassen.
Strich über meine Augen und lehnte mich dann etwas an die Wand meines Zimmers. Fegte fast einen Bilderrahmen zu Boden.

"Was ist denn los?"
"Ich glaube, Peter lebt."

"Warte, euer Freund Peter Pettigrew?",fragte Vincent verwirrt in das Gespräch hinein - total voller Fragezeichen im Gesicht.

Remus schaute jedoch nur mich zuerst geschockt - und dann besorgt an.
"Lia..."
Ich spürte, wie er mir nicht glaubte - wohlmöglich Sorgen hatte, dass ich nun komplett meinen Verstand verloren hatte.

"Die Hausratte - bei den Weasleys! Der fehlt eine Kralle, Remus! Von Peter wurde nur noch ein Finger gefunden! Und..."
"Lia..."
"Und sie haben sie noch nicht so lange und sie sei bei Valerie's Laden auf einmal einfach zugelaufen! Das heisst..."
"Lia, bitte!"

Remus erhob sonst nicht oft die Stimme - mit glasigen Augen schaute ich ihn sogleich verzweifelt an. Bittend.
Er musste mir glauben.
Er musste.
Aber ich wusste doch selber, wie verrückt sich dies anhörte.

"Peter ist tot. Ich weiss... ich weiss, dass du irgendeine Erklärung suchst für das mit... das mit Sirius, aber..."
"Es ist wahr! Bitte, glaub' mir!"

"Das würde ich gerne, vertrau' mir, Lia!" Remus schüttelte nun mit ebenso glasigen Augen den Kopf und sah mich an.

Vincent's Blick glitt immer noch verwirrt zwischen uns beiden hin und her. Schien aber zu merken, dass er gerade nichts dazu sagen sollte.
Aber langsam schien er zu verstehen - da er nunmal ebenso wusste, dass meine Freunde und ich uneingetragene Animagi waren. Oder - gewesen waren.

"Remus... bitte, glaub' mir.",hauchte ich nun etwas ruhiger und trat einen Schritt auf meinen verzweifelt aussehenden Zwillingsbruder zu.

"Was willst du denn tun?",fragte dieser kopfschüttelnd und schaute mich ernst an.
"Mit einer Horde Auroren den Fuchsbau stürmen und die Weasleys in Angst und Schrecken versetzen - und was ist denn, wenn das nicht stimmt? Wenn sie eine ganz normalen Hausratte ist - von einer ganz normalen und so liebevollen Familie wie den Weasleys?"

Ich verstand meinen Bruder. Und das machte es nur noch schwieriger für mich, ihn von meiner Sache zu überzeugen.
Er hatte Angst. Wollte - wie ich - am liebsten gar nicht mehr an diesen Abend denken.
Damals; an Halloween 1981.

An all den Schmerz, welchen wir auf einen Schlag gefühlt hatten und an alles, was uns genommen wurde - ohne zu zögern.
Den Schock, welchen wir wohl bis heute noch nicht verarbeitet hatten.

Wir hatten unseren ganzen Freundeskreis - unsere ganze, neue Familie - verloren.
Wir wollten vergessen - doch den Schmerz selbst vergass man nicht. Nie.

"Und was ist, wenn sie recht hat, Remus?",meldete sich dann doch Vince zu Wort - und wir beide sahen im ersten Moment verblüfft zu ihm.
Ich runzelte sogleich die Stirn und schaute meinen besten Freund dankbar an.

"Was ist, wenn Lia recht hat - und es sich eine ganz andere Möglichkeit auftut? Wenn sogar..." Er schien etwas unsicher zu sein, über unsere Freunde zu reden, da er ja nie dabei gewesen war. Vielleicht bloss damals in der Hogwarts-Zeit wieder einmal mitbekommen hatte, wie die Rumtreiber sich schon wieder eine Woche Nachsitzen eingehandelt hatten.

"...wenn sogar Sirius unschuldig ist."

Dieser Satz laut ausgesprochen zu hören, liess mich etwas aufkeuchen - vor Schock und ebenso vor Schmerz.
Vor Hoffnung - aber vor vorsichtiger und unsicherer Hoffnung. Hatte Panik davor, dass ich mir zu viele Hoffnungen machte. Doch mein Herz liess sich nicht steuern.

"Okay, ich... tut mir leid, aber ich brauche einen Moment..." Mein Zwillingsbruder schüttelte mit glasigen Augen den Kopf und wendete sich zittrig von uns ab.
Ich wollte nach seiner Hand greifen - doch ich merkte, dass er diese Zeit gerade brauchte.

Wir hörten, wie er in das Gästezimmer ging und leise die Tür hinter sich zumachte.
Einen Moment standen Vincent und ich bloss schweigend in meinem Zimmer.

"Wir könnten Ryan kontaktieren - und wenn nicht er, könnte er seinen Auroren-Kollegen sagen, sie sollen mal nachsehen gehen.",flüsterte Vince und schaute sanft zu mir rüber.

Ich hätte fast anfangen können zu weinen - so froh war ich darüber, dass er mir ohne zu zögern seinen Glauben schenkte.
Und zum tausendsten Mal war ich froh darüber, dass Vince mein Freund war.

~

Nun hiess es warten.
Warten darauf, dass die Auroren des Ministeriums ihre Arbeit machten - darauf, ob ich mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte, oder nicht.

Ich fühlte mich immer noch wie in Trance, während ich durch die Wohnung ging. Mir einen Tee machte. Etwas ass. Draussen eine Zigarette rauchte.
Konnte nicht glauben, was gerade geschah - dass gerade jetzt, sich vielleicht alles ändern könnte.
Alles, was ich bisher geglaubt hatte. Was wir geglaubt hatten.
Alles.

Vincent kontaktierte neben Cara, Valerie und Ryan - ebenso Xavier. Und dieser entschied sich, ein paar Tage bei uns zu bleiben.
Wir brauchten einander. Remus brauchte sie und ich brauchte sie ebenso.

Mein Bruder blieb fast die ganze Zeit an meiner Seite - fast so, als hätte er Angst davor.
Davor - vor der Wahrheit.
Und wir wussten beide noch nicht, ob uns nun die Wahrheit gefallen würde, oder nicht.

Unsere nervöse Herzen pochten fast im Gleichtakt - die ganze Zeit durch.

Es vergingen Stunden.
Insgesamt sechseinhalb Stunden.

Und dann kam der Brief an.
Ein Brief vom Ministerium - welcher ein Bartkauz zu uns gebracht hatte.
Der Briefumschlag mit dem Ministeriums-Siegel zitterte wie Espenlaub in meinen Händen.

Alle starrten mich an. Warteten darauf, dass ich den Brief aufmachte.
Doch ich wiederum starrte bloss auf den Brief. Spürte, wie meine Augen begannen zu brennen.

"Ich kann nicht...",hauchte ich - und sofort nahm mir Xavier sanft den Brief ab. Legte ein paar Sekunden seine Hände beruhigend um meine - ehe er Remus und mich nickend anschaute.

Das Geräusch vom Aufreissen des Siegels schien in voller Lautstärke unser Wohnzimmer zu erfüllen.
Remus, welcher nach meiner Hand griff - das Gefühl seiner Finger, welche sich zittrig um die meinen schlossen.

Xavier atmete tief durch und nahm das Blatt Papier aus dem Umschlag - Vincent nahm ihm diesen sogleich aufgeregt ab und schaute seinen Freund auffordernd an.
Dieser las die Zeilen, welche auf dem mittlerweile aufgefalteten Zettel standen. Zuerst leise.

Dann hob er die Augenbrauen und blinzelte etwas. Spannte sich an. Schluckte leer.

Ich beobachtete die Reaktion von Xavier ganz genau - fühlte mich, als hätte sich die Luft strikt dagegen entschieden, in meinen Körper kommen zu wollen.
Alles in mir drehte sich - und gleichzeitig stand alles still.
Alles stand in diesem Moment komplett still.

"Es ist wahr. Es war Peter - in Animagus-Gestalt."

Ich stiess ein ersticktes Keuchen aus - und legte meine andere, freie Hand vor meinen Mund. Spürte, wie Remus noch mehr begann zu zittern und ein Schluchzen unterdrückte.

Doch Xavier schien immer noch angespannt - schaute uns beide mit gerunzelter Stirn an.
Da gab es noch mehr.
Noch mehr.

Leise seufzte er und schaute noch einmal auf den Brief.
Er öffnete den Mund - wollte die Worte sagen, doch es schien ihn sehr zu belasten, uns dies mitzuteilen.

"Aber er ist den Auroren entwischt. Er konnte fliehen. Sie suchen ihn."

Thalia Lupin | MaraudersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt