29 ☾ Beschützerinstinkt

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Das Urlaubsgefühl war etwas, was mich immer wieder überraschte.
Wenn man wusste - man ist irgendwo an einem anderen Ort. Weg von der Arbeit - weg von dem Alltäglichen, welches man stets erlebte.

Hier konnte und sollte man sich entspannen können - denn man hatte ja keine Verpflichtungen.
Jedoch war ich stets etwas überfordert mit diesem Gefühl.

Zu wissen, dass ich nun entspannen musste - Ruhe finden. Sachen tun, die mir gut taten, wie zum Beispiel irgendwo hinliegen und ein Buch lesen. Bis zum Mittag hin ausschlafen - oder den ganzen Nachmittag einfach nichts tun.

Verdammt, ich war wirklich grottenschlecht im nichts tun.
Letztendlich wusste ich nicht, woher dies genau kam - vielleicht, weil ich mich seit meiner Kindheit stets um Remus kümmern wollte. Und wusste, dass ich ihm half in dem, was ich tat.

Vielleicht war ich auch zu schnell oder zu früh erwachsen geworden - hatte gar nie mal Zeit gehabt, diese Freiheit des Nichtstuns auszunutzen.

Vielleicht war ich aber auch einfach jemand, welcher gerne etwas zu tun hatte - trotzdessen, dass mich viele alltäglichen Dinge überforderten. Die Ablenkung brauchte.

Ich mochte es, zu wissen, dass ich etwas machte.
Ich irgendwie - wenn auch nur ein bisschen - etwas für jemanden tun konnte. Etwas bewirkte.

Das, was ich nunmal aber einfach noch unbedingt lernen musste, war - dass ich auch einfach mal etwas für mich tat.

Das Haus von Florence war wirklich wie aus einem Bilderbuch - am zweiten Nachmittag führte sie mich durch ihren Garten.
Auch wenn um diese Jahreszeit leider nicht wirklich viele Pflanzen wucherten - liebte ich es, wie enthusiastisch und liebevoll sie mir erzählte, wie sie letztes Jahr ihre Tomatensetzlinge selbst angezogen hatte - und mit einer überaus grossen Ernte beschenkt wurde.

Sie zeigte mir ebenso ihren Keller, in welchem sie unter anderem eingemachte Tomaten lagerte - und alles andere ihres Gemüses, welches sie durch den Sommer ernten konnte.

Man konnte sie schon fast als Selbstversorger ansehen - und man sah ihr an, wie gut es ihr tat.

Florence arbeitete derzeit nicht irgendwo in einem normalen Job - sie war Autorin.
Hatte schon einige Bücher über Abenteuer der Muggle geschrieben - aber leider fanden sie nicht allzu viele Käufer.

Es tat mir weh zu sehen, wie sie all ihre Kraft und Liebe in ihre Bücher steckte - und hoffte wirklich aus tiefstem Herzen, dass sie irgendwann zu einer der grössten Autorinnen der Zaubererwelt wird.
Denn sie hatte es wirklich verdient.

Wir waren nun seit drei Tagen in Italien - und hatten schon gefühlt die ganze Stadt erkundet.
Wir alle Drei aber brauchten viel Ruhe - und Florence hatte sich scheinbar schon darauf eingestellt gehabt.

Ich war immer wieder überrascht darüber, wie nahe sie Vincent stand und wie sehr sich die Beiden zu verstehen schienen.
Hatte doch alles durch eine Brieffreundschaft angefangen, welche durch ein Inserat im Klitterer ihren Ursprung gefunden hatte.

Als wir also am Abend unseres dritten Tages in Florence's Küche standen und Vincent mit mir zusammen anfing den Tisch zu decken - schien alles ruhig und angenehm zu sein.

Florence kochte Ratatouille, während Todd gerade die Weinflasche öffnete.
Xavier war in diesem Moment noch unter der Dusche - und wir hatten ihn doch zuerst dazu zwingen müssen, dass er ging.

Nicht, dass er nicht auf seine Körperpflege achten würde - nein, er hatte sich schlecht gefühlt, wenn er nichts beim Abendessen geholfen hätte.
Wieder einmal merkte ich, wie ähnlich wir uns doch waren.

Ich trat also ins gemütlich mit Wandtüchern, kunterbunten Kissen und Bildern eingerichtete Wohnzimmer, in welchem Florence ihren Esstisch platziert hatte.
Verteilte Besteck und Teller - und Vincent ging noch einmal zurück in die Küche, um die Gläser zu holen.

Doch als ich durch die offene Küchentür hörte, was Todd Vincent fragte, als er zu ihnen trat - gingen in mir drinn alle Alarmglocken an.

"Und, Vince? Hast du eigentlich jemanden - so beziehungsmässig?"

Ich bekam Panik, als es einen Moment in der Küche still zu sein schien - nur noch das Kochen des Gemüses in Florence's Pfanne zu hören war.

"Oh, ehm... naja, ganz ehrlich, eigentlich ist es so...",begann Vincent etwas verlegen - doch ich stand schnell wieder bei ihnen in der Küche.

"Vince?" Meine Stimme war angespannt und heiser - versuchte so normal wie möglich zu wirken. Doch dies klappte nur so halb.

Alle drei schauten mich verwirrt an - Vincent runzelte sogar etwas verärgert die Stirn.
Hätte er doch nun in diesem Moment den Mut gehabt, es den Beiden zu sagen. Und dies tat mir auch unendlich leid.

Ich räusperte mich leicht und schaute etwas unsicher umher.
"Kann ich kurz was mit dir besprechen? Ist...wichtig...",sagte ich etwas unbeholfen und Todd - wie auch Florence - schienen immer noch etwas verwirrt zu sein.

Vincent schaute mich einige Sekunden schweigend an und schien zuerst nicht zu verstehen - kurz schaute er zu Florence und Todd zurück, ehe er nickte und schweigend mit mir auf den Balkon, auf welchen man durch das Wohnzimmer kam, hinaustrat.

"Was sollte das?",fragte er sogleich, als ich die Schiebetür mit zittrigen Fingern hinter uns zugemacht hatte.

Es war kalt - aber mein ganzer Körper zitterte sowieso schon wie Espenlaub, daher bemerkte ich die Kälte gar nicht.
Vincent schaute mich verwirrt an und verschränkte die Arme.

Er trug einen hellgrünen Strickpullover - welcher etwas zu gross für ihn war.
Nur ich wusste, dass dieser Pullover eigentlich Xavier gehörte.

"Todd ist dagegen. Er hat es mir indirekt mitgeteilt beim Markt. Am ersten Tag, du weisst schon... Er hat einen echt scheiss Spruch rausgelassen...",antwortete ich meinem besten Freund mit zittriger Stimme und sah nervös umher.

Sah von weitem die Lichter, welche sich im See spiegelten - hörte teilweise Motorgeräusche von Autos. Scheinwerfer. Sanftes Windhauchen durch die anliegenden Bäume.

Vincent runzelte die Stirn, sah kurz nachdenklich zu Boden und atmete dann tief durch.

"Und...?"
Ich schaute entsetzt in das viel zu ruhige Gesicht von Vincent - schaute verzweifelt umher und schliesslich zittrig wieder in die Augen von dem Blonden.

"Ich will nicht, dass ihr verletzt werdet!"

"Das werden wir so oder so, Lia." Er trat etwas näher zu mir und löste die Arme aus seiner Verschränkung.
"Das werde ich - das wird Xavier. Heutzutage... ist das nunmal noch so. Vielleicht..." Er verdrehte etwas schwach grinsend die Augen.
"...hoffentlich... wird es irgendwann besser und die Leute werden... keine Ahnung - offener damit sein oder so."

Meine Augen begannen zu brennen - als Vincent liebevoll seine Hand an meinen Arm legte.
"Aber... jetzt ist es wohl einfach noch so... ist beschissen..."

Er trat noch näher auf mich zu und legte seine Hand an meine Wange, da dort eine einzelne Träne hinabfloss.
"Du musst uns nicht die ganze Zeit beschützen, Lia. Denn du brauchst diesen Schutz auch - mehr als nur ein wenig."

Ich schluchzte verzweifelt auf - schüttelte etwas den Kopf und Vincent zog sich sogleich in eine feste, und doch liebevolle Umarmung.

"Tut mir leid.",murmelte ich in seinen Pullover und spürte, wie Vincent etwas zittrig lachte.
"Du sagst genauso oft tut mir leid - wie Xavier, weisst du das?"
Dies entlockte mir nun doch ein Grinsen, als wir uns aus der Umarmung lösten und Vince eine Haarsträhne hinter mein Ohr strich.

"Wir sind wohl aus dem gleichen Holz geschnitzt.",antwortete ich ihm kichernd und strich mir die Tränen von den Wangen und Augen.
"Aus unsicherem, sich stets als Problem fühlendem - Holz."

Vincent schüttelte grinsend den Kopf.
"Und ich liebe euch beide. Egal aus welchem Holz ihr geschnitzt seid."

Dieser Satz liess meine Augen wieder glasig werden - und Vincent küsste sanft lächelnd kurz meine Stirn, ehe wir zusammen wieder reingingen.

Und dies war genau das, was das Leben erträglicher machte - Menschen, welche einem so liebten, wie man nunmal war.

Thalia Lupin | MaraudersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt