Kapitel 39

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Emmas POV:

Ich steige aus dem Auto und mache mich in langsamen Schritten auf den Weg zu Cillian. Sein Blick ist starr auf den glitzernden See gerichtet. Ich stelle mich schweigend neben ihn und lasse meinen Blick ebenfalls über das stille Wasser gleiten, das vom sanften Mondschein beleuchtet wird. Die Umgebung scheint in einer geheimnisvollen Atmosphäre zu verharren. Die Stille drückt schwer auf meine aufgewühlten Gedanken.
Kein Geräusch ist zu hören und die Einsamkeit dieses Ortes verstärkt meine Ängste nur noch weiter.
Wer würde schon um 3 Uhr morgens hierher kommen, wenn nicht jemand, der etwas zu verbergen hat? Ein Mörder könnte unbeobachtet die Leiche seines Opfers im See entsorgen. Die unheimlichen Gedanken drängen sich unaufhaltsam in meinen Verstand.

Die größte Frage, die ich mir gerade stellte war: Wo sind wohl die Leichen von Bella und Jenna?

Ich wende meinen Blick kurz zu Cillian, der meine Aufmerksamkeit bemerkt und sich langsam zu mir dreht. Seine Augen durchdringen mich und ich wende den Kopf schnell ab, um seinem Blick nicht standhalten zu müssen.

Er bemerkt meine Nervosität und mein Zittern. Darauf stellt er mir die Frage: ,,Ist dir kalt?" Ich schüttle stumm den Kopf, unfähig ein Wort hervorzubringen.

Cillian hebt eine Augenbraue und fragt weiter: ,,Hast du gerade Angst vor mir?" Ich beiße mir auf die Lippe und nicke zaghaft. Seine Hand nimmt sanft mein Kinn und dreht es zu ihm, so dass ich in seine Augen schauen muss. ,,Denkst du, ich werde dir etwas antun?" fragt er beharrlich.

Meine Stimme zittert, als ich antworte: ,,I-ich weiß es nicht."

Cillian lässt mein Kinn los und versichert mir mit ruhiger Stimme: ,,Ich werde dir nichts antun. Ich musste nur hierher, damit ich mich beruhige. Ich war hier schon öfters um mal abzuschalten."

Seine Worte bringen zwar ein gewisses Maß an Beruhigung, doch das Gefühl der Unruhe bleibt weiterhin in mir bestehen.

Ich lasse meinen Blick weiter über den ruhigen See gleiten, als plötzlich meine Gedanken unkontrolliert über meine Lippen gleiten.
,,Wo sind die Leichen von Bella und Jenna?", frage ich Cillian leise, ohne es wirklich beabsichtigt zu haben. Ein Schauer der Überraschung durchfährt mich, als ich merke, dass ich die Worte tatsächlich ausgesprochen habe.

Ich erwartete keine Antwort, aber zu meiner Verblüffung zeigt er Richtung See und spricht: ,,Du stehst genau davor." Seine Stimme ist ruhig, aber die Bedeutung seiner Worte schlägt wie ein eiskalter Blitz in mein Bewusstsein. Mein Herzschlag beschleunigt sich und mein ganzer Körper erbebt vor Schock und Entsetzen.

Ich kann spüren, wie sich meine Kehle zusammenzieht, als ich versuche, die Worte zu begreifen, die er gerade ausgesprochen hat. Mein Blick ist starr auf ihn gerichtet, während meine Gedanken wild in meinem Kopf umherwirbeln.

„Oh mein Gott", flüstere ich, mein Blick unverwandt auf Cillian gerichtet. Seine Miene bleibt undurchsichtig, aber ich kann das leichte Zittern in seiner Hand bemerken, als er die Zigarette festhält. Seine Augen wirken kalt und unnahbar. Ich kann das Pochen meines eigenen Pulses in meinen Ohren hören.

„Lass und das Thema wechseln. Ich werde dir jetzt erzählen, warum dein Vater bei mir im Club war und was sich hinter der Tür abspielt", beginnt er, seine Stimme ruhig und bedacht. Ich nicke stumm, um ihm zu signalisieren, dass er weiterreden kann.

„Es gibt einen extra Bereich. Nur Männer haben Zutritt und hauptsächlich sind es ältere Geschäftsmänner. Es gibt dort Stripperinnen und manchmal sind auch Huren da. Dein Vater besucht oft den Club und er vergnügt sich gerne mit Huren", erklärt er.

Die Realität, die er mir offenbart, zerschlägt die Illusion meiner heilen Familienwelt in tausend Scherben.
Mein Vater, der meine Mutter betrügt, während er sich im Club mit anderen Frauen vergnügt - diese Vorstellung ist einfach zu viel. Ein Gefühl der Übelkeit überkommt mich. Die Wut steigt in mir hoch, als ich mich von Cillians Blick nicht abwenden kann. „Du hättest mir das von Anfang an sagen sollen", platze ich heraus, meine Stimme von einer Mischung aus Verletzung und Enttäuschung erfüllt.

Cillian runzelt die Stirn, als er versucht, meine aufbrandende Wut zu besänftigen. „Ich wollte dich vor dieser Konfrontation bewahren. Es tut mir leid, Emma", erklärt er mit einem leichten Anflug von Reue in seiner Stimme.

Meine Hände ballen sich zu Fäusten, während ich mich mit der Offenbarung auseinandersetze, dass mein Vater eine dunkle Seite hat, die ich nie zuvor gekannt habe.

Cillian legt sanft eine Hand auf meine Schulter und sagt: „Lass es raus. Schrei einfach mal." Seine Worte erreichen mich nur gedämpft, als ich mich innerlich gegen den aufkommenden Sturm wehre. Ich zögere, aber Cillian lässt bereits einen lauten Schrei aus seinem Innersten dringen. Sein Schrei durchdringt die Nacht und lässt mich trotz der Anspannung, die mich umklammert, kurz kichern.

„Komm schon, du bist dran", fordert er mich auf und deutet mir an, es ihm gleichzutun. Ich atme tief ein und aus und schließe meine Augen, als ich mich darauf vorbereite, all meine aufgestaute Wut und Enttäuschung herauszuschreien. Ich hole Luft und lasse einen ersten Schrei entkommen, doch Cillian unterbricht mich: „Lauter, Emma, es geht noch lauter. Lass es alles raus."

Ich höre auf seine Worte und lasse noch einmal alles aus meinem Inneren hochkochen, all die Frustration, die Enttäuschung und das entstandene Chaos in mir. Mein Schrei zerreißt die Nacht und trägt all meine Emotionen in die Stille der Dunkelheit. Die Anspannung in meinem Körper löst sich langsam und und ich fühle mich merkwürdig erleichtert, als der Klang meines eigenen Schreis in der Ferne verhallt.

Cillian blickt mich aufmerksam an, als ich meine Augen wieder öffne und mich langsam beruhige.
„Wie war es?", fragt er mit einem leichten Lächeln, das eine Spur von Erleichterung zu verraten scheint. „Befreiend, oder?"

Ich nicke langsam und lasse einen leisen Seufzer der Zustimmung entweichen: ,,Ja."

Seine Augen durchbohren meine Seele, als er erneut spricht: ,,Du hattest Angst vor mir, dass ich dir etwas antun würde? Denk sowas nicht noch einmal. Ich werde dir niemals wehtun. Ich liebe dich."

Seine Worte erreichen mich wie ein sanfter Windhauch und lassen einen warmen Schauer über meinen Rücken laufen.
,,Ich liebe dich auch", antworte ich leise.

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