9. Kapitel - Erinnerungen und erstes Date

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Vorsichtig, die Augen geschlossen, ging ich, allein von der Hand an meiner Taille geführt, über den unebenen Waldboden.

„Achtung, Wurzel!", hörte ich Will neben meinem Ohr sagen.

Wir hatten uns am Ausgang getroffen. Er hatte mich die endlosen Stufen, die vom Internat hinunter führten, heruntergelotst.

Ich hatte noch keine Zeit damit verbracht, die Insel zu erkunden, daher wusste ich nicht, wohin wir gingen. Doch das Rauschen verriet es schon. Den Wasserfall gab es also wirklich.

„Jetzt zieh deine Schuhe aus!"

„Mit geschlossenen Augen?"

„Du darfst die Augen aufmachen, wenn du versprichst, nicht zu gucken."

Ich bückte mich, um meine Schuhe aufzumachen und blickte ihm zuliebe nur nach unten.

„Augen schließen!", befahl er.

Ich tat wie mir geheißen. Er legte wieder seine Hand auf meine Hüfte und zog mich langsam vorwärts. Meine Füße berührten leicht feuchtes, weiches Moos. Ein Grashalm kitzelte an meinem Knöchel.

„Du darfst gucken", sagte Will feierlich.

Mitten auf einer kleinen Wiese, direkt an einem plätschernden Bach, lag eine Picknickdecke. Ich musste beinahe lachen, als ich sah, dass sie mit Rosenblütenblättern bestreut war. Wie kitschig! Wenn da nicht Sophia ihre Hände mit im Spiel hatte.

Ich seufzte.

„Gefällt es dir?"

Ich nickte. Naja, etwas zu aufgeprotzt, aber eigentlich nicht schlecht.

„Setz dich", sagte Will und zeigte auf die Decke.

Irgendwie sah er ja süß aus. Mit seinen blonden Haaren, seinem kräftigem Körper, trotzdem war er keineswegs zu dick, seine strahlend blauen Augen...

Ich lächelte ihn an und er lächelte mich an, als er sich neben mich auf die Decke setzte.

„Ich wusste nicht genau, was du gerne isst, ich hab mal ein paar Sachen mitgenommen." Er machte den Korb auf und sofort wehte mir der Geruch von irgendwas Köstlichem in die Nase.

„Ist das frischer Kuchen?", fragte ich fassungslos.

„Ich hab meine Beziehungen spielen lassen. Es ist schon cool, seinen Onkel als Schulleiter zu haben."

„Sormiccos ist dein Onkel?"

Er lächelte verlegen: „Großonkel, um genau zu sein."

Diese Erkenntnis weckte in mir eine Erinnerung, die schon so vergraben war, dass ich sie kaum wieder herausholen konnte. Ich, tollend auf der Wiese, vielleicht sieben Jahre alt. Immer dicht hinter mir ein Junge, hellblonde Haare. Ein weiterer, der versuchte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Schwarze Haare. Am Rand stehen meine Eltern und Sormiccos. Schnell verbannte ich die Erinnerungen.

„Wir kennen uns", stellte ich fest.

„Ja. Ich erkannte dich sofort wieder, als ich dich das erste Mal sah. Erst dachte ich, ich hätte mich vertan, um mir sicher zu sein fragte ich Vergen, wen ich hier alles kannte. Er nannte mir einen Namen. Deinen. Ich wollte dich beeindrucken. Beispielsweise mit dem Lineal. Dieser Versuch ist wohl etwas danebengegangen."

Ich grinste: „Ist ja nichts passiert." Lineal war kein gutes Stichwort. Ich dachte sofort wieder an Priwier und an Treva. Durch Treva dachte ich an unsere Abende, an denen wir nur französisch sprachen und dadurch an Französischnachhilfe und so kam ich, ohne, dass ich es wollte, auf Nick.

SCOODJE (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt