6. Kapitel - Fliegende Stifte und Vermutungen

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Die Wochen waren vergangen. Noch immer trafen Treva und ich uns jeden Abend, manchmal war auch Nick dabei. Wir erzählten uns alles, was wir wussten über uns, doch meistens führte Treva die Unterhaltung allein. Als der Stoff dann schwerer wurde, übten wir auch manchmal zusammen. Da sie älter war, konnte sie mir noch viele Tricks beibringen. Aber auch Nick war besser als ich. Ich merkte, wie viele Lücken der Hausunterricht gelassen hatte und war froh, die beiden zu haben.

Auch nach einem Monat war Sophia mit ihrer Operation 'Will und Maggie verkuppeln' noch nicht weiter. Wozu auch ich beitrug, denn immer wenn sie einen Vorschlag machte, meinte ich, dass wäre zu auffällig - obwohl manche echt gut waren.

Sie stöhnte zwar jedes Mal, doch ihr fielen immer wieder neue Ideen ein, wie sie mich mit ihm zusammenbringen könnte.

Anfangs waren es menschliche Ideen, doch langsam gingen sie in den Bereich der Zauberei über, Liebestränke, komplizierte Zaubersprüche, die ich nicht einmal hätte aussprechen können, und erst recht nicht mit der richtigen Betonung. Das wichtigste beim Zaubern war, dass man die Wörter richtig betonte. Wenn man einen Apfel in eine Banane verwandeln wollte, das Wort aber falsch aussprach, kam zwar dasselbe heraus, doch beispielsweise eine blaue Banane. Wenn man ein Word allerdings vertauschte, konnte daraus schnell mal eine Katze werden.

Kan ires hegola" Langsam hob sich mein Füller vor mir in die Luft. Ein Lächeln entglitt mir. Und sobald ich daran dachte, wie ich den Zauberspruch gelernt hatte, war es mit meiner Konzentration vorbei. Nick hatte eine Stunde damit verbracht, mir ihn beizubringen. Dass sich meine Hand nicht zu hastig bewegt, wenn ich einen Gegenstand von der Erde aufhob, ohne ihn zu berühren. Dass ich die Wörter nicht verwechselte. Und das war schwerer als Spanischvokabeln auswendig lernen, was mir sonst die meisten Schwierigkeiten bereitete.

Ich blickte mich kurz zu meinem Lehrer um. Seine Federtasche schwebte auf Kopfhöhe und er sah trotzdem vollkommen entspannt aus. Er warf mir noch ein aufmunterndes Lächeln zu, dann wandte er sich wieder seinem Projekt zu. Einen Stift nach dem anderen packte er aus seiner Federtasche und legte sie säuberlich, natürlich ohne sie zu berühren, vor sich auf seinen Tisch. Ich konnte nicht anders, ich bewunderte ihn.

Ich versuchte es noch mal mit meinem Füller. Streckte meine Hand aus und flüsterte: „Kan ires hegola!"

Als hinge er an einem Unsichtbaren Faden, zog ich ihn mit der Hand hoch. Ich war in Zauberkunde unterrichtet worden und konnte nicht einmal den einfachsten Zauber.

„Sehr schön, Nick", hörte ich unseren Lehrer Professor Niweggaw sagen, gerade noch konnte ich mein Schreibgerät in der Luft halten, bevor er bei mir vorbei kam.

„Du verbesserst dich, Maggie."

Diesmal ließ ich mich nicht ablenken und versuchte, den Füller einen Salto schlagen zu lassen. Es klappte erstaunlich gut. Alles Konzentrationssache, hallten Nicks Lieblingsworte in meinem Kopf wieder. Ich wiederholte sie wieder und wieder, um sie auch wirklich zu beherzigen.

„Maggie hat es eben schon versucht, probiert mal, euren Stift nicht nur zu halten, sondern zu bewegen. Ihn Rollen machen zu lassen. Ihn durch den Klassenraum fliegen zu lassen. Ihr dürft alles machen, solange niemand verletzt wird."

„Oh schade... da ist das ja ganz langweilig!", ich sah mich nicht einmal um, wer diesen lahmen Witz gemacht hatte. Alec hatte den ganzen Unterricht anscheinend nichts Besseres zu tun, als zu allem einen Kommentar abzugeben.

„Du könntest deinen Bleistift nicht einmal zwei Meter geradeaus fliegen lassen!", murmelte ich leise.

„Wahre Sachen darf man ruhig laut sagen", flüsterte Sophia mir zu.

Ich grinste. Sie war meine beste Freundin geworden. Und wenn ich nicht gerade Trevas Erzählungen lauschte oder mit Nick Zaubersprüche auswendig lernte, verbrachte ich die Zeit mit ihr. Wir liefen durch die endlosen Gänge der Schule, manchmal gesellten wir uns zu Katrina in den Gemeinschaftsraum oder lernten zusammen. Natürlich konnte das mit ihr nicht so gut wie mit den anderen beiden, doch ich genoss Sophias Gesellschaft, sie war immer gut drauf und brachte einen zum Lachen.

Und wirklich. Nach einem Meter fiel Alecs Stift auf den Boden. Katrina lachte. Und auch ich konnte mich nicht zurückhalten.

Sie streckte ihre Hand nach hinten, sodass ich einschlagen konnte. Mit der rechten Hand (ich war Rechtshänder) ließ ich meinen Füller Kreise um meinen Kopf ziehen, während ich mich leicht nach vorne beugte.

Als ich ein leises Zischen von hinten hörte, zog ich blitzschnell meine Hand weg, um meine Konzentration wieder auf den Gegenstand in der Luft zu lenken. Ich zog ihn ein kleines Stückchen nach unten, ein Lineal flog knapp an meinem Kopf vorbei und schaffte gerade so die Kurve zu kriegen, bevor es gegen die Tafel knallte.

Triumphierend sah ich mich um. Gerade verzog Will sein Gesicht, ich grinste ihn an. Also konnte er auch schon einiges. Nick hatte ein anerkennendes Lächeln auf den Lippen.

„Wie hast du das eben so schnell geschafft?", fragte mich meine Sitznachbarin.

„Ich weiß nicht, es ging alles zu schnell", das war eine glatte Lüge. Ich hatte sehr wohl mitbekommen, was passiert war. Ich hatte das Gefühl als wäre alles in Zeitlupe gewesen. Ich musste mit Treva darüber sprechen, ob das normal war.

Heute wartete Nick auf mich.

„Transieren wir nicht?", fragte ich, als er in Richtung Nordturm losging.

„Ich muss mit dir reden."

„Und ich mit Treva", erwiderte ich trocken.

Er verlangsamte sein Tempo nicht oder blieb gar stehen. Ich musste mich beeilen, um mit ihm auf einer Höhe zu bleiben.

„Wie hast du das heute in Zauberkunde gemacht?"

„Was?"

„Dass dein Stift Williams Lineal entkommen ist"

Sollte ich es ihm sagen? Wenn ich es Treva erzählte, würde er sowieso mithören.

„Ich weiß nicht genau", gab ich zu. „Ich hörte ein leises Zischen. Wie durch einen Instinkt zog ich meine Hand herunter und bewegte meinen Kopf etwas nach links. Kurz darauf flog ein Lineal knapp an mir vorbei."

„Mehr nicht?"

„Was soll da schon mehr gewesen sein? Du warst doch selbst dabei!"

„Warum hast du Sophia nichts gesagt?"

„Seit wann gehen dich meine Gespräche etwas an?"

„Maggie!", er drehte sich um und hielt mich am Arm fast, sodass ich nicht weitergehen konnte. Ich zuckte bei der Berührung zusammen. „Die Sache hier ist viel wichtiger, als du denkst. Ich muss erst noch mit Treva darüber sprechen, aber eigentlich sind die Zeichen eindeutig!" Er machte eine kurze Pause. Ich wand mich, weil mein Arm echt wehtat. „Oh entschuldige... Es kann sein, dass du ein Priwier bist."


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Haha, jetzt wollt ihr alle wissen, was ein Priwier ist, stimmt's?

SCOODJE (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt