26. Kapitel - Rivalen und Besitzansprüche

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Gefühlte Stunden stiegen wir schon in die Tiefe, noch immer hatten wir nicht das Ende der Treppe erreicht. Immer, wenn wir dachten, jetzt muss Schluss sein, tat sich eine neue Etage auf und wir gingen weiter.

Langsam machten meine Füße schlapp, da ich den ganzen Tag gelaufen war. Außerdem war mir schwindelig von den vielen Kurven und der eintönig grau-weißen Umgebung.

„Sobald wir unten sind, machen wir eine Pause. Ich brauch ein Mittagsschläfchen", beschloss Tor. Ich sah auf meine Uhr.

„Mittagsschläfchen? Es ist gleich um sechs!"

„Dann halt Abendschläfchen. Mir doch egal. Ich weiß nur, dass ich die letzten drei Nächte nicht geschlafen hab und mich einfach nur hinpacken will. Am liebsten in mein Bett zuhause und nie wieder aufwachen."

„Ich glaube, dann bist du hier falsch, Kumpel", sagte Nick.

„Nick!", warnte ich ihn. Wenn er hier die Haltung verlor...

„Sorry, Mags, muss an der Luft hier liegen. Uns geht's, glaube ich, gerade allen nicht so gut."

„Vermutlich", bestätigte Tor. Doch der feindselige Unterton in seiner Stimmer entging mir nicht. Das konnte lustig werden.

Nach einer weiteren halben Ewigkeit kamen wir endlich unten an. Ich öffnete die helle Tür und trat als erste hinaus in die Dunkelheit.

Als sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, erkannte ich einen Gewölbekeller. Die dunkelroten Ziegel bröselten an einigen Stellen ab und Spinnenweben hingen in den Ecken, die ich mit meiner Taschenlampe beleuchtete.

Tor ließ sich direkt vor der Tür auf den Boden fallen, setzte seine Kapuze auf und rollte sich auf dem Boden zusammen wie ein kleines Kind.

„Weichei."

„Lass ihn Nick. Für ihn ist das hier auch alles nicht leicht."

„Was soll das heißen, Maggie, nicht leicht? Natürlich ist es kein Zuckerschlecken! Wir sind gerade ins bestgesicherte Gebäude Phatselgs eingebrochen und haben seit Stunden nicht mehr ausgeruht. Was hast du denn erwartet? Dass wir hier nett empfangen werden? Mit Champagner und Keksen?"

„Wir wollten das Gebäude in die Luft jagen", sagte Tor plötzlich leise. „Seit Tagen versuchen wir, hier rein zu kommen, wir wollten erst alle Gefangenen der Abteilung „Kampf gegen's Gouverne" freilassen und dann ein paar Bomben legen. Wir sind nicht reingekommen. Hier kommt niemand illegal rein. Und dann hat man den Ursprung der Magie, der die ganze Zeit aufs Schutzschild des Gouvernes gewirkt hat, gefunden und uns alle verhaftet."

„Warum hasst du das Gouverne so?", fragte ich. Es war peinlich. Er war mein bester Freund und ich wusste nichts davon.

„Maggie, ich hab es akzeptiert, dass du nie über Jannes gesprochen hast, aber du hättest mich auch nur ein einziges Mal fragen können, wie es mir geht. Diese Schweine haben mir genauso meinen Bruder genommen, wie sie dir deinen genommen haben. Und du hast so getan als wüsstest du nichts."

„Du hattest einen Bruder?"

„Natürlich. Ilias. Erinnerst du dich? Wenn nicht, sollten wir uns wirklich Gedanken machen, ob wir nicht vielleicht einen Arzt rufen. Du scheinst an Gedächtnisschwund zu leiden."

„Das ist nicht witzig, Tor!" Langsam wurde ich echt wütend. Was bildete der Typ sich ein? Wollte er jetzt plötzlich witzig sein? Wollte er die Situation auflockern, indem er mich aufs Glatteis führte?

Seine Augen verengten sich, anscheinend fing er an, mir zu glauben.

„Tor, ist es möglich, dass Jose mein Gedächtnis gelöscht hat? Ich hab alles, was mit ihr zusammenhängt vergessen, vielleicht wollte sie damals einfach nicht, dass ich mich an sie erinnere."

„Das kann wirklich sein. Ich habe sie öfter gesehen... Am Strand oder in der Stadt, aber du hast sie nie angeguckt oder sie angesprochen, obwohl sie Jannes' Freundin war."

Sie war was?", mischte sich Nick ein.

Ich seufzte. „Die beiden waren ein Paar, als er verschwand. Josephine war diejenige, die herausfand, dass ich und Jannes Priwier sind. Und sie hat ihn verraten. Also nicht wirklich, sie hat das Geheimnis ihrem besten Freund verraten und weil der eifersüchtig war, hat er Jannes verraten."

„Kann ich mir nicht vorstellen!" Tors Stimme klang entrüstet.

„Weißt du wer ihr Freund war?"

„Ehm.... Nein, keine Ahnung." Er schloss seine Augen wieder und drehte sich mit dem Rücken zu uns.

Natürlich weiß er es, sagte eine kleine Stimme in meinem Kopf.

Ach Quatsch, dann würde er es mir doch verraten, widersprach eine andere.

Um mein Gehirn mit anderen Dingen zu beschäftigen, nahm ich meinen Rucksack von den Schultern und packte etwas zu essen und zu trinken aus und lehnte mich neben Tor an die Wand.

Als endlich ein Schluck Maulbeersaft meinen Rachen berührte, ging es mir schon viel besser.

„Du auch?", fragte ich Tor.

Er schüttelte den Kopf. „Das Zeug hält mich seit Tagen bei Kräften. Ich kann es jetzt schon nicht mehr sehen."

„Wer nicht will, der hat schon", meinte Nick, nahm mir die Flasche aus der Hand und trank einen großen Schluck.

„Hey, du hast selbst eine!", protestierte ich.

„Aber aus deiner Flasche schmeckt es viel besser!", widersprach Nick.

Ich grinste und er gab mir einen Kuss auf die Wange.

Warum hatte ich bloß das Gefühl, dass er das nur wegen Tor gemacht hatte? Um zu zeigen, wem ich... gehörte.

Ich schüttelte diesen Gedanken ab. Das war absurd. Maggie, diese stickige Kellerluft tut dir nicht gut! Und schon merkte ich, wie die Wände auf mich zukamen. Immer näher und immer näher und... es kann nicht mehr lange dauern, bis sie mich zerdrücken... und dann werde ich es nie mehr schaffen, Jannes zu retten... Mein Atem wurde schneller... ich rückte blitzschnell von der Wand weg... doch es half nichts, sie kam mir hinterher... Ich fing an, zu schreien... Jemand drückte mir eine Hand auf den Mund...

Dann wurde alles schwarz.

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Tor konnte nicht schlafen. Er dachte an all die schönen Momente zurück, in denen er und Maggie zusammen gewesen waren. Bilder von ihren Geburtstagen, wo sie ihn freudestrahlend umarmt hatte, durchzuckten sein inneres Auge. Warum hatte Vergen sie ein Jahr früher aufs Scoodje gelassen? Sie hätte Nick nie kennen gelernt, denn sie hätte nur Augen für ihn gehabt. Aber hätten sie denn eine Beziehung aufbauen können? Wären sie als Paar glücklicher gewesen als Freunde? Vielleicht hätte das alles kaputt gemacht. Alles was er fühlte. Natürlich war er eifersüchtig auf Nick. Er hatte bekommen, was er vermutlich nie haben würde. Das Herz des Mädchens, das er liebte. Er hatte versagt.


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Wieder so kurz - ich weiß. Ich hoffe, dass ich bis zum Ende der Ferien durch bin....

SCOODJE (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt