13. Kapitel - Zweite Küsse und noch mehr Erinnerungen

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„[...] Ich denke nicht, dass ich es bereuen würde, wenn ich dich jetzt küssen würde."

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Dann tu es doch."

Ich legte meine Arme um seinen Hals, um mich noch etwas höher zu ziehen, er schlang seine um meine Taille, um mich hochzuheben, während unsere Lippen sich langsam näher kamen. Dann berührten sie sich. Leicht, wie ein Windhauch.

Als ich merkte, dass er lächelte, musste auch ich grinsen.

Ich spürte, wie die Anspannung der letzten Tage von mir abfiel und ich genoss das Gefühl von Freiheit, als ich mich enger an ihn schmiegte.

Ein lauter Knall ertönte, wir ließen voneinander ab. Während er sich in dem mittlerweile ziemlich dunklen Raum umsah, blickte ich wie gebannt in die Nacht hinaus.

„Nick?"

„Ja?"

„Sieh nach draußen!"

„Was...? WOW!"

Das Feuerwerk erstrahlte in so lebhaften Farben, in so fantastischen Schattierungen, dass ich blinzeln musste. Deutlich war der Name des Gründers dieses Internats am Himmel zu erkennen. Wortlos blickte ich auf den bunten Horizont, als wäre ich hypnotisiert. Ich schüttelte mich, um diesen Bann von mir zu bekommen. Als wäre er nicht richtig bei der Sache und doch bewusst, legte Nick mir einen Arm um die Schulter.

„Wir sollten runter gehen, nicht dass sich irgendwer Sorgen macht."

„Glaubst du das wirklich?" Nick sah mich nicht an. Er starrte einfach hinaus.

„Mh... Nein."

„Wenigstens bis es vorbei ist", er zeigte nach draußen auf das noch immer anhaltende Feuerwerk.

Ich umarmte ihn so fest ich konnte. Warum war bei mir alles so einfach? Warum liebte ich den Jungen, der mich liebte?

Vielleicht liebt er dich ja gar nicht.

Und was ist, wenn wirklich, fragte eine andere Stimme in meinem Kopf. Wenn er dich so mag, wie du bist. Warum muss es bei jeder guten Sache einen Haken geben?

Weil alles seine schlechte Seite hat.

Warum bist du dir da so sicher?

Schluss, rief eine dritte Stimme. Mein eigentliches Ich. Ich will meine Zeit mit ihm genießen, egal wer von euch beiden Recht hat!

„Mags, du zerdrückst mich!"

Ich erstarrte. „Wie hast du mich gerade genannt?"

Er trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Ich hab nach einem Spitznamen gesucht."

Ich war ihm nicht böse, aber es weckte viele Erinnerungen in mir. Zu viele.

Ein Junge. Schwarze Haare.

,Mags! Hier rüber.'

Er lacht. Ein Mädchen kommt ins Bild. Zierlich. Schwarze Haare. Blaue Augen. Auch lachend.

„Maggie", fragte Nick vorsichtig, „ist alles okay?"

Noch bevor ich nicken konnte, klappten mir die Beine weg. Hätte Nick mich nicht gehalten, wäre ich hingefallen.

„Maggie? Ist wirklich alles okay?"

Als ich keine Antwort gab, redete er weiter. „Ich denke, ich bring dich lieber runter."

Mein Zimmer. Mein Bett. Ausruhen. Nie wieder darüber nachdenken, was einmal gewesen ist.

Keine Sekunde später standen wir in einer Nische. Dies war kein Scolégegang. Er war weiß, nicht blau.

„Wo sind wir?"

Er legte als Antwort nur den Finger auf den Mund, lauschte kurz, dann legte einen Arm um meine Hüfte und trat mit mir im Schlepptau hinaus in einen Flur. Er klopfte an eine Tür, eine Frauenstimme rief uns herein. Wir betraten einen kleinen runden Raum, von dem fünf plus die Tür abgingen, durch die wir gekommen waren. Eine rundliche Frau saß auf dem einzigen Mobiliar, außer einem Tisch. Sie wuchtete sich aus dem Sessel.

„Was ist denn mit dir los, meine Kleine? Du bist ja ganz blass!", stellt sie fest. Ich weiß nicht genau, woher er kommt, aber sie hat einen deutlichen Akzent.

An meiner Stelle antwortete Nick: „Sie ist einfach zusammengeklappt. Wissen Sie, woran das liegen könnte?"

„Es gibt eine Menge Gründe, wodurch jemand ohnmächtig werden könnte. Zu schnelle Bewegungen, zu lange gedreht, zu wenig getrunken. Hast du irgendwas von dem heute getan?"

Ich schüttelte den Kopf. „Es geht auch schon wieder."

„Du solltest das aber nicht auf die leichte Schulter nehmen." Sie wandte sich an Nick: „Bring ihr etwas zu trinken. Sie muss jetzt eine Nacht durchschlafen, dann geht's ihr bestimmt besser. Ich möchte ihr keine Beruhigungsmittel geben, das wäre ein harter Eingriff, vor allem bei einem so kleinen Persönchen."

„Danke. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend."

„Euch auch. Ich hoffe, wir sehen uns nicht so schnell wieder, aber bring sie her, wenn es ihr morgen nicht besser geht, ja?"

„Natürlich", sagte Nick und setzte sein nettestes Lächeln auf.

Kaum hatte er die Tür hinter uns geschlossen, befand ich mich in meinem Zimmer.

„Welches ist dein Bett?"

Ich zeigte darauf, er brachte mich dorthin.

„Was war eben los?"

„Nichts", log ich. Warum wollte er das unbedingt wissen?

„Maggie. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Es hat was mit dem Namen zu tun, oder?"

Zögerlich nickte ich.

„Erzähl es mir, Maggie...Mags"

Wieder der Junge. Steht auf einer Wiese. Rennt plötzlich los. Wieder kommt das Mädchen ins Bild. Sie rennt ihm hinterher. Er dreht sich um und nimmt das Mädchen in den Arm.

,Mags, meine Lieblingsschwester...'

Ich suchte fieberhaft nach einer Lösung, wie ich anfangen könnte.

„Ich... ich bin Einzelkind. Das hab ich erzählt, nicht wahr?"

Er nickte.

„Das war nicht immer so..." Ich schluckte. „Denn ich... ich hatte einen Bruder."

SCOODJE (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt