„Jeno, du hast Besuch", drang die Stimme seiner Mutter durch die Tür zu seinem Zimmer. „Ich will keinen sehen", rief er unter seiner Decker hervor. Er wollte jetzt einfach nur mit seinen Gedanken alleine sein. Besuch hatte er gerade nicht verdient.
Jeno dachte immer noch an den gestrigen Matheunterricht und immer noch quollen ihm dabei Tränen aus den Augen. Suri war am gestrigen Tag nicht mehr sie selbst, jedes Mal wenn er sie sah wich sie ihm aus und auch zur Theaterprobe am Abend war sie nicht erschienen. Er konnte sich nicht bei ihr entschuldigen.
Die Deck über seinem Kopf wurde aufgeschlagen und er kniff die Augen fest zusammen. Mit Licht konnte er gerade sehr wenig anfangen. „Wie, du willst keinen sehen?", fragte ein aufgebrachter Haechan ihn. „Verschwindet wieder!", befahl Jeno und wollte sich seine Decke zurück erobern. Erfolglos. „Auf keinen Fall!", schrie sein Freund ihn so laut an, dass Jeno erschrocken kurz die Augen aufriss, nur um sie dann wieder zu schließen. Das Licht brannte schrecklich in seinen vom Weinen roten Augen.
„Haechan, immer mit der Ruhe. Das bringt doch so nichts", hörte er Renjun auf ihn einreden, doch Jeno kannte ihn inzwischen gut genug, dass er wusste Haechan ließ nicht mit sich reden. „Jeno sag uns einfach was los ist", wurde er leiser, „wir wollen dir helfen." Zaghaft öffnete Jeno seine Augen und stammelte: „Mir...mir helfen?" War er doch bisher der Meinung, dass wenn es hart auf hart kam sie sich abwenden würden, so wie es die anderen auch taten.
„Ja, dir helfen. Wir sind doch Freunde", hörte er Jaemin sagen, schon wieder war ihm zum Heulen zu mute. Er hatte sie gar nicht verdient. „So runter jetzt mit dir", wurde Haechan von seinen Beinen gezogen, „und du... hinsetzten!" Jeno tat was ihm von Jaemin befohlen wurde und setzte das erste Mal an diesem Tag seine Füße auf den Boden seines Zimmers.
„Also... da weder du noch Suri heute in der Schule waren und wir nur wissen wo du wohnst, sind wir jetzt hier und hätten gerne dass du endlich die Karten auf den Tisch legst", erklärte Jaemin. „Außerdem haben wir Angst der Amazone aus dem Kendõ-Club zu begegnen, wenn wir einen von Suris Freunden fragen", lachte Haechan und entlockte auch Jeno kurz ein Lächeln. „Die hat heute eine der Trainingspuppen auseinander gelegt. Ihr wisst schon, die aus massivem Holz", gab Renjun von sich, „keiner wollte mit ihr trainieren." „Wundert dich das?" erkundigte sich Jaemin.
„Wie ihr wisst kenne ich sie alle aus der Middle-School", fing Jeno einfach an zu reden, er musste es ihnen irgendwann sagen. Er hatte nun die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Freunde. „Ich war mit Mark und Chenle in einer Klasse, außerdem waren Shura, Han und Jomin in meiner Klasse..." „Moment du meinst die Furie aus der 1-4 und ihre Lakaien", wurde er von Haechan unterbrochen.
Jeno nickte und erzählte weiter: „Ich war noch nicht lange an der Schule und hatte noch keine Freundschaften schließen können. Shura schien dies ändern zu wollen und zeigte, wie ich dachte, ehrliches Interesse an einer Freundschaft. Mit der Aussicht meine Pausen nicht mehr alleine verbringen zu müssen, schloss ich mich ihrer Clique an. Im Nachhinein betrachtet war das die dämlichste Entscheidung, die ich hätte treffen können."
Seine drei Freunde sahen erst sich und dann ihn verwirrt an. „Warum?" „Weil sie ein Biest war", antwortete Jeno. „Also kein Unterschied zu jetzt", lachte Jaemin. „Sie war schlimmer als jetzt", gab Jeno zu verstehen. „Das geht?", wollte Haechan wissen. „Sie war dafür verantwortlich, dass der Schulpsychologe immer zu tun hatte", sagte Jeno und sah kurz aus dem Fenster, „Suri war dreimal die Woche bei ihm. Wegen ihr." Er konnte hören, wie seine Freunde scharf die Luft einsogen. „Wie hängt das alles mit dir zusammen?", fand als erster Renjun seine Stimme wieder.
„Ich mochte sie..." „Wen? Suri oder Shura?", erkundigte sich Jaemin. „Suri", fuhr Jeno fort, „ich lernte sie an dem Tag kennen, an dem ich mich auch Shura angeschlossen hatte. Sie war vom ersten Augenblick an freundlich zu mir. Wir hatten gemeinsam Büchereidienst und sie half mir mich zurecht zu finden. Suri war einmalig, überall wo sie hinkam ging sprichwörtlich die Sonne auf. Irgendwie war sie eine Welt für sich." Er machte eine kurze Pause, um nach den richtigen Worten zu suchen.
„Shura konnte Suri nicht ausstehen. Vielleicht gerade, weil Suri so unfassbar selbstlos war und alle sie mochten. Oder weil Shura Interesse an älteren Jungs hatte und ein Auge auf Chanyeol geworfen hatte. Von den Jungs aus der Clique erfuhr ich irgendwann, dass Shura wohl einige Male von Chanyeol zurückgewiesen wurde. Jetzt weiß ich, dass es an ihrem miesen Charakter gelegen hatte und nicht daran, dass Suri schlecht von ihr sprach, wie Shura immer behauptete", fuhr er fort.
„Ich glaube ja nicht, dass Suri im Stande wäre über irgendjemanden ein schlechtes Wort zu verlieren", vermutete Renjun. „Sie wirkt auch nicht so, ich glaube sie gehört zu den Menschen, die selben solchen Menschen wie Shura nie etwas schlechtes wünschen würden", trug Haechan zu der Unterhaltung bei. „Shura war einfach neidisch auf sie", beschloss Jaemin.
Jeno kehrte zu seiner Erzählung zurück: „Wie dem auch sei, es war ein ungeschriebenes Gesetz innerhalb der Clique, dass wenn Shura jemanden nicht leiden konnte, dann durften wir anderen das auch nicht. Sie fand heraus, dass ich für Suri... dass ich sie mochte und ich bekam immer wieder diese kleinen Aufgaben, die dazu führten, dass ich Suri nach und nach zerstörte." Er wurde traurig, jetzt war es raus.
„Warum hast du dich darauf eingelassen?" wollte Jaemin wissen. „Weil ich dumm war", gab Jeno ehrlich zu und blickte zu Boden: „und ich hatte Angst. Vor Shura. Ich mein, ich habe gesehen, was sie anderen antat. Was hielt sie davon ab, dass auch mit dem Neuen in ihrer Clique zu tun. Ich spielte also einfach mit."
Er spürte warme Tränen seine Wangen herunterlaufen. „Ich habe den liebenswertesten Menschen, den ich je kennen lernen durfte zerstört. Ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit starben von Tag zu Tag etwas mehr", weinte er und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er spürte, wie ein Arm um seine Schultern gelegt wurde und hörte wenig später Haechan sagen: „Du magst sie immer noch. Hab ich Recht?" Er nickte ohne seine Hände von seinem Gesicht zu nehmen.
„Sie scheint dich auch zu mögen, vielleicht auch ein bisschen mehr als das", hörte er da Jaemin sagen und sah fragend zu ihm auf. „Nun sieh mich doch nicht so an, du hast doch gestern selbst gesehen, dass ihre Handschrift, zu der in dem Buch hier passt", erklärte Jaemin und deutete auf das Notizbuch auf Jenos Nachttisch, „Sie ist dein Wichtel." Sein Freund machte eine kurze Pause, um diese Information auch bei den anderen beiden ankommen zu lassen.
„Suri muss dich trotz allem sehr gut kennen und sich sehr viel Mühe geben", fuhr er fort, „Erst das Buch hier, dann die Schokolade, die wie zufällig genau dein Lieblingsgeschmack hatte und die sie offensichtlich selbst gemacht hat. Was hast du gestern aus deinem Spint geholt? Einen Schlüsselanhänger mit der Hauptfigur deines, welch eine Überraschung, Lieblingsanimes."
Jeno glaubte nicht, was er da hörte, aber sein Freund hatte Recht, das waren zu viele Zufälle. Jetzt fühlte er sich noch beschissener und vergrub sein Gesicht wieder in seinen Händen. Sie gab sich Mühe für ihn und alles was er in ihr hervorrufen konnte war Angst und Panik.
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Winterzauber
Fiksi PenggemarBesinnliche Weihnachtszeit, der Zauber der Weihnacht oder auch friedliche Adventszeit. Park Suri ist bekennende Buddhistin und kann mit all dem weihnachtlichen Treiben nur sehr wenig anfangen. Jedes Jahr fragt sie sich, warum gerade in dieser Zeit...