章 37 - Kakashis Kontroverse

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"Scheisse", fluchte er leise.

Ein Wort, das Kakashi nur selten über die Lippen kam. 

Da lag Ariana nun halb auf seiner Matratze, ihre nassen Haare wild auf dem Boden verteilt und so unschuldig schlafend, dass es ihm schwindelig wurde. Mit ihrem linken Arm hatte sie ihm beim Drehen unabsichtlich einen Schlag in die Magengrube verpasst, als wollte sie schlummernde Schmetterlinge in seinem Bauch aufwecken. Aber auch ohne ihren Treffer waren sie hellwach.

Kakashi biss sich auf die Unterlippe. Sollte er sich einfach wieder schlafen legen als wäre nichts passiert? 

Ariana hatte sich so wild bewegt, dass ihre Bettdecke zu ihren Füßen lag. Der Tatamimattenboden war zwar warm, aber nicht so warm, dass man dort eine komplette Nacht hätte liegen können, ohne zu frieren. Vorsichtig stützte sich Kakashi auf seinen rechten Arm und griff nach Arianas Decke am Fußende. Er zog den dicken Stoff behutsam nach oben und ließ ihn schließlich sanft auf Arianas Körper fallen. Das Mädchen verzog derweil keine Miene. Sie musste wirklich tief schlafen. Kein Wunder. Nach den Erlebnissen im Bad und auch bereits vorher musste man einfach todmüde sein. 

Dann hob Kakashi seinen linken Arm über Arianas Oberkörper, fasste ihr mit der Hand an den Hinterkopf und legte seinen Unterarm gegen ihre Wirbelsäule. Kurz überlegte er, sie nicht vielleicht doch lieber wieder auf ihr eigenes Futon zu hieven, aber die Gefahr war groß, dass sie aufwachte und das wollte er auf jeden Fall verhindern. 

Sachte zog er ihren Körper zu sich hin auf sein Futon, damit sie etwas wärmer und weicher liegen konnte. Er wagte es nicht, Ariana zu nah an sich zu ziehen und wich instinktiv ein Stück nach hinten, während er sie langsam Zentimeter für Zentimeter auf die Matratze schob. Je näher sie kam, umso stärker spürte er die Wärme ihres Körpers. Kakashi bemerkte, wie sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Was tat er hier eigentlich?

Als er Ariana ganz auf sein Futon gezogen hatte, lag er selbst fast daneben. Das war nicht die optimale Lösung, denn nun hatte er genau das Problem, von dem er sie bewahren wollte. Er richtete seinen Blick nach vorne auf Arianas leere Matratze. Vielleicht sollte er vernünftigerweise einfach dort schlafen? Sein Verstand sagte ihm genau das. Sein Körper, der nur wenige Zentimeter von dem schlafenden Mädchen entfernt lag, sträubte sich aber gegen diesen Gedanken. Zu schön war es, ihre Wärme zu fühlen, sie zu riechen und ihren Atem auf seiner Haut zu spüren.

Verdammt!

Wie konnte es sein, dass ihn ein Mensch so aus dem Konzept brachte? Er war schon immer rational gewesen und hatte bei den ANBU bis zum Erbrechen gelernt, Gefühle und Emotionen zu unterdrücken, um ihnen keine Macht über das eigene Entscheidungsverhalten zu geben. Auch seine Vergangenheit sorgte dafür, dass Kakashi Gefühle und Emotionen als hinderlich, manchmal gar als störend und unnütz, empfand. Auch deshalb gehörte er zu einem der besten ANBU-Mitglieder - er war prädestiniert für dieses Training. Nie hatte er in Zweifel ziehen müssen, dass diese Strategie unfehlbar effizient und effektiv gewesen wäre. Doch langsam dämmerte ihm, dass dies vielleicht nicht die ganze Wahrheit war.

Vielleicht war Rationalität am Ende doch nur eine Illusion? Etwas, was er sich nur einredete? Was man sich zwar antrainieren konnte, was jedoch aber keine Emotionen ausradierte, sondern lediglich verdrängte? Vielleicht brauchte es nur einen bestimmten Menschen, um das mentale Training der ANBU aufzubrechen? Nie hatte er sich vorstellen können, dass so etwas möglich war.

Doch nun lag er hier mit einem Mädchen, dessen Mentor er eigentlich war und die ahnungslos mit jeder weiteren Minute ihrer Anwesenheit ihm seines Verstandes ein klein wenig mehr beraubte, sodass er nicht mehr wusste, wie ihm geschah. Kakashi war der fleischgewordene Inbegriff taktischen Kalküls und doch konnte er sich nicht dagegen wehren, dass Gefühle in ihm aufflammten, die er bereits jahrzehntelang vergessen geglaubt hatte. Er wusste, er sollte es eigentlich bereuen. Er sollte sich dagegen wehren, so wie er es bei den ANBU gelernt hatte. Er durfte es nicht zulassen.

Und doch tat er es. 

Kakashi verstand sein gegenwärtig irrationales Handeln selbst nicht. Er wusste nur, dass es sich unfassbar gut anfühlte. Und falsch. Er fühlte derzeit eine solch ambivalente Gefühlsachterbahn, dass ihm körperlich übel wurde. 

Er brauchte Abstand, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Ganz langsam und vorsichtig schälte er sich aus seiner Decke und stand vom Futon auf. Ariana schlief so tief, dass sie sich keinen Zentimeter bewegte. Der Jounin warf einen verstohlenen Blick nach unten auf das schlafende Mädchen. Dabei schüttelte er den Kopf, als könne er es kaum glauben. Und so war es auch.

Er konnte es nicht glauben, dass er sich tatsächlich ernsthaft verliebt hatte.

A Kakashi Lovestory ~ Das Herz eines KriegersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt