Kapitel 35 | house of cards

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Sobald ich an die frische Luft trete prasseln Regentropfen auf mich herab und der Wind peitscht mir ins Gesicht. Ein heftiges Gewitter ist aufgezogen und färbt nun den Himmel dunkel.

Den Rucksack über die Schulter geschwungen trete ich die Stufen hinab und werde mir allmählich der Wirkung des Alkohols bewusst.

Das Wetter sorgt dafür, dass der Platz menschenleer ist und der heftige Regen dampft das Geräusch meiner Schritte ab, lediglich das Donnern übertönt den Schauer. Hin und wieder hellen grelle Blitze den Platz für den Bruchteil einer Sekunde auf.

Mein Gang schwankt stark. Immer wieder trete ich in Schlammpfützen und bin bereits nach wenigen Sekunden nicht nur vom Regen völlig durchnässt, sondern auch mit Schlamm bespritzt. Meine Beine fühlen sich taub an und der Platz beginnt sich zu bewegen. Ich versuche dagegen anzukommen und ja nicht das Gleichgewicht zu verlieren, doch der Boden ist schneller als ich. Mehrere Male rutsche ich fast aus, doch kann mich in letzter Sekunde noch halten. Ich muss es nur unbemerkt über den Platz schaffen, und so sehr ich dieses Wetter verfluche, so sehr brauche ich es. Es dient als Schutzmantel, welcher mich unbemerkt zwischen den Zelten und Wagen vorbeiziehen lässt, ohne neugierige Blicke auf mich zu ziehen.

Der Regen hat sich inzwischen zu Hagel verwandelt und trommelt nicht nur lautstark auf die Außenwände der Wohnwagen, sondern peitscht auf mich ein. Dennoch bleibe ich nicht stehen, nach wie vor treiben mich meine Beine voran.

Meine Haare kleben an meinem Kopf und tropfen mir auf die Stirn, die Nase herab weiter über die Lippen bis zum Kinn. Mit jedem Schritt fällt es mir immer schwerer mich auf den tauben Beinen aufrecht zu halten. Mein Herz pocht wahnsinnig schnell, alles um mich herum dreht sich immer schneller und schneller. Meine Hände suchen nach Halt und finden ihn an der Außenwand einer der Wohnwagen, an welchen ich mich erschöpft anlehne.

In diesem Moment ist mein Verstand bereits zu benebelt um sich Gedanken zu machen, dass ich erwischt werden könnte, denn mein ganzer Körper zittert vor Kälte und ich kann die Übelkeit meinen Magen hochkriechen spüren. Stöhnend lehne ich mich an die kalte, nasse Fläche hinter mir. Meine Kleidung klebt an meinem ganzen Körper und lässt mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken fahren.

Entkräftet schließen sich langsam meine Augen, doch sogleich beginnt sich alles um mich herum noch stärker zu drehen, sodass ich glaube umzukippen und panisch wieder die Augen öffne.

„... immer größer werdenden Problem ..."

Erst jetzt nehme ich die Stimmen aus dem Wohnwagen hinter mir allmählich wahr. Allerdings nur leise, denn nach wie vor trommelt der Hagel noch heftig auf das Dach und verschluckt damit den Großteil der Worte für meine Reichweite.

„... wäre für alle ... loszuwerden ..."

„... nicht so ... du genau ..."

Ein weiterer Blitz. Ich reibe mir die Augen mit dem Handrücken und bemühe mich trotz meiner Verfassung auf die Stimmen zu konzentrieren, die ein flaues Gefühl in meinem Magen auslösen.

Ich glaube eine der Stimmen als Lilianas auszumachen, greife einzelne Wortfetzen auf wie „nutzlos" und „Problem", welche mich dazu antreiben dem auf Kipp stehenden Fenster mich zu nähern, aus welchem die Stimmen zu vernehmen sind. Was sich alles andere als einfach darstellt, angesichts meines mangelnden Gleichgewichtssinns und dem rutschigen Boden unter meinen Füßen.

„Es ist alles nur ihre Schuld!"

„Jetzt verteidigst du ihn noch? Dein Ernst, Lil?" Es herrscht eine kurze Pause, bevor die zweite Stimme wieder weiterspricht. „Dachte du wärst über die Ratte hinweg-"

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