Kapitel 22 | pain

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Die Tränen laufen mir noch immer in Strömen das Gesicht hinunter, während Zayn noch immer seinen Arm eng um mich geschlungen hat, meinen Rücken damit weiterhin dicht an seinen Körper presst.

Ich kann es nicht fassen, dass mir soeben meine möglicherweise letzte Hoffnung auf Rettung entronnen ist. Hätte man mich gefunden, hätte das alles ändern können. Ich wäre gerettet worden. Die Polizei hätte mich nach Hause gebracht, wo meine Eltern mich in die Arme schließen würden, wo meine Freunde bereits auf mich warten, inklusive Niall. Ich hätte zurück in mein altes Leben kehren können, wo ich glücklich gewesen bin.

Erst zurückblickend erkenne ich nun, dass ich genau das damals war: glücklich. Mein Leben war nicht perfekt, keinesfalls. Ich habe mich viel mit meinen Eltern gestritten, ich mochte es nicht in die Schule zu gehen, ich war nicht das beliebteste Mädchen der Schule, der die Jungs zu Füßen lagen. Aber meine Familie liebte mich, ich hatte ein paar wenige, dafür enge Freunde und einen Freund, der zugleich auch mein bester Freund war.

Und das alles wurde mir von einen Tag auf den anderen genommen.

Zayn nimmt endlich seine Hand von meinem Mund und dreht mich in seinem Armen um, noch immer befinden wir uns in der schmalen Lücke zwischen den beiden Wagen. Jetzt zu schreien wird mir sowieso nichts mehr nützen, also verschwende ich die Energie dafür erst gar nicht mehr. Sie sind mittlerweile zu weit weg, wenn die Polizeibeamten sich überhaupt noch auf dem Jahrmarktsplatz aufhalten.

Seine warmen Hände legen sich an meine Wangen und er wischt mit den Daumen einige Tränen aus meinem Gesicht, doch es kommen sogleich neue hinzu. Ich kann nicht aufhören zu weinen, jede einzelne Nervenfaser meines Körpers schmerzt, und die Enttäuschung liegt wie ein Sack voll Steinen auf meinen Schultern und zieht mich herunter.

Er hat es mir versaut. Zayn hat mir meine Rettung ruiniert, mir meine letzte Hoffnung genommen. Ich hätte gerettet werden können, meine Rettung war so nah; ich war meiner Freiheit so verdammt nah.

Auch wenn es nicht möglich ist die Erinnerung an die Zeit hier löschen zu können, so hätte ich wenigstens versuchen können sie zu verdrängen, und sie soweit es geht mit besseren Erinnerungen zu ersetzen.

Zayns Blick gleitet hinunter und ich folge ihm langsam, bis zu dem Fleck auf dem Boden, genau an der Stelle, wo mein Fuß noch eben stand, bevor Zayn mich in seinen Armen umgedreht hat. Der Fleck ist dunkel und schimmert rötlich, ist jedoch durch den Dreck der kahlen Erde an der Stelle des Bodens vermischt.

„Woher kommt das Blut?" Als er mich kurz loslässt um sich hinunter zu beugen, schwanke ich sofort ein Stück nach hinten, knalle leicht gegen den Wagen hinter mir und zische sofort vor Schmerz auf. Jede Stelle meines Körpers tut höllisch weh, ich weiß kaum, an welcher der Schmerz am größten ist. Als ich wieder nach unten blicke sehe ich, dass das Blut aus der Wunde unter meinem Fuß zu kommen scheint, denn an der Stelle, an der dieser Sekunden zuvor noch stand, ist ein weiterer dunkler Blutfleck zu erkennen.

„Bist du verletzt?", fragt Zayn besorgt, ich nicke stumm und presse die Lippen vor Schmerz aufeinander. Erst jetzt bemerke ich, wie stark meine Beine die ganze Zeit schon zittern. Zayn hockt noch immer vor mir, seine rechte Hand greift plötzlich nach meiner Hüfte und hält sie in einem festen, stützenden Griff, während die linke meinem verletzten Fuß vorsichtig packt und ein Stück anhebt. Ich verlagere mein Gewicht stärker gegen den Wagen hinter mir und spüre dabei die Qualen, die von meiner Wirbelsäule ausgehen. Noch immer laufen Tränen mein Gesicht hinunter, ich kann es nicht verhindern. Es ist zu viel.

Plötzlich rappelt Zayn sich auf und schneller, als ich mich wehren kann, legt er meinen Arm um seinen Hals, greift er mit der einen Hand um meinen Rücken, mit der anderen unter meine Kniekehlen und hebt mich plötzlich hoch, bevor er eilig losläuft.

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