Kapitel 8 | loose

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Ich werde von dem Ächzen der Türe aus meinen Gedanken gerissen und sehe erschrocken hoch, in der Hoffnung, Zayn wäre zurückgekehrt.

Gott, es fühlt sich komisch an ihn jetzt bei seinem Namen nennen zu können. Aber es ist tausendmal besser als Bezeichnungen wie „der Maskierte", „die dunkle Gestalt" oder „der maskierte Mann".

Doch zu meiner Enttäuschung handelt es sich bei der Person im Türrahmen nicht um Zayn. Nach all den Stunden hat sich der Clown nun also doch dazu entschieden sich mal wieder bei mir blicken zu lassen. Zu meinem Leidwesen. Ich bin nicht gerade erfreut über sein Erscheinen und will erst gar nicht wissen, was er nun schon wieder plant um mich ein weiteres Mal zu quälen.

„Seid gegrüßt, meine Liebe", empfängt er mich mit schallender Stimme. Er klingt wie jedes Mal höflich, doch natürlich trügt der Schein. Er ist alles andere als freundlich, und trotz seiner höflichen Ausdrucksweise ist es alles andere als höflich wie er mich behandelt.

„Ich habe Ihnen eine Speise mitgebracht", verkündet er und hält einen Teller in der Hand, dessen Inhalt ich durch seinen Schatten nicht erkennen kann. Mit grimmiger Miene sehe ich ihn an und verschränke die Arme vor der Brust, gebe jedoch keinen Ton von mir. Ich werde mit Sicherheit nicht eine weitere seiner widerlichen Mahlzeiten, die er mir scheinbar liebend gerne zubereitet, zu mir nehmen.

„Ich verspreche Ihnen, dieses Mal wird es Ihnen zusagen." Er lacht leise auf und beugt sich zu mir hinunter, um den Teller vor mir auf den Boden abzustellen. Ich würdige den Teller keines Blickes und sehe den Clown weiterhin erbittert an, mein Blick weicht keine Sekunde von ihm. Seine krausen Haare stehen ihm wild vom Kopf ab und wie jedes Mal trägt ein buntes Kostüm. Welcher Mensch trägt jeden Tag ein Clownskostüm?

„Es scheint als verlangen Sie im Augenblick nach keiner Mahlzeit, aber Sie sollten sie später besser zu sich nehmen, bevor Sie noch vom Fleische fallen, meine Schöne."

Ich muss den Drang in mir unterdrücken dem Teller ihm nicht in die weißbemalte Fratze zu schleudern, alles in mir schreit danach. Aber dem nachzugeben wäre mein sicherer Tod.

„Fernerhin habe ich Ihnen eine weitere Flasche Wasser mitgebracht."

Er beugt sich zu mir hinunter und hebt die Plastikflasche neben mir vom Boden, doch stutzt als er bemerkt, dass diese noch fast zur Hälfte voll ist. Zayns Besuch ist erst wenige Stunden her.

„Diese ist ja noch gar nicht leer", stellt er fest und ich merke, wie ein kleiner Hauch von Überraschung in seiner Stimme mitschwingt. Damit hat er scheinbar nicht gerechnet.

„Das ist nicht die Flasche, die ich Ihnen gegeben habe, nicht wahr?" Die dunklen Augen sehen mich aufmerksam an und ich presse die Lippen fest zusammen. Seine Nähe lässt mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken laufen und er jagt mir eine Heidenangst ein. Lieber wäre ich einsam und allein als in seiner Gesellschaft.

„Lassen Sie mich raten, meine Liebe", richtet er sich wieder auf und ich presse meinen Rücken fester gegen die Wand, „mein geehrter Partner hat Ihnen diese gebracht?"

Ich gebe noch immer keinen Laut von mir und starre ihn an.

„Natürlich hat er das." Der Clown geht einige Schritte auf und ab, bevor er wieder zur Türe verschwindet.

„Ich werde wohl ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen. Aber darüber brauchen Sie sich nicht den schönen Kopf zerbrechen, meine Liebe." Die Türe schließt sich und die Dunkelheit empfängt mich wieder zurück.

Ein ernstes Wörtchen.

...

Einige Zeit später kann ich Stimmen außerhalb des Wagens wahrnehmen. Ich kann nicht genau sagen, wie viel Zeit seit dem Besuch des Clowns vergangen ist, denn mir fehlt noch immer das Zeitgefühl.

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