Kapitel 2

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Mit einem Schrei und nach Luft schnappend fuhr Khione aus dem Schlaf hoch. Ihr Herz pochte heftig gegen ihre Rippen und der Schwindel ließ sie an ihren Kopf fassen. Durch Reiben versuchte sie den darin herrschenden Nebel zu lichten. Jeder Atemzug war gehetzt und verstärkte die Übelkeit, die ein bohrender Schmerz in ihrer rechten Schulter auslöste.

Leise stöhnte Khione, aber als ein beruhigendes Geräusch erklang, hob sie ruckartig ihren Kopf. Neben ihr kniete eine Frau, die sie nur schattenhaft erkannte. Die einzige Lichtquelle war ein kleines Feuer hinter der Person, die gleichzeitig für eine behagliche Wärme sorgte.

„Nhru ihrun gna bah", sagte die Unbekannte sanft und beugte sich ein wenig nach vorne. Dabei fielen ihre langen Haare über die Schultern auf ihre Brust.

Sofort rückte Khione von ihr, bis sie etwas in ihrem Rücken aufhielt. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie auf einem Lager aus Fellen saß. „Wer seid Ihr?", fragte sie zitternd.

„Tsar bah", erwiderte die Frau und hielt ihr einen Holzkelch hin. „Du liegen müssen."

Trotzig den Kopf schüttelnd starrte Khione sie an. „Wo bin ich? Lasst mich gehen!", rief sie und versuchte, sich zu erheben, aber die Hand der Frau auf ihrem Oberarm hielt sie davon ab.

„Ruhig", sagte ihr Gegenüber und stellte den Behälter zur Seite. In einer fließenden Bewegung erhob sie sich elegant und trat auf den Ausgang zu. Leicht hob sie die Plane an. „Pahra!"

Wenige Sekunden später betrat eine alt aussehende Frau das Zelt und musterte Khione abschätzend, aber neugierig. Selbst von ihrem Platz aus erkannte sie zahlreiche, tiefe Falten um die Augen. Pahra war in einer hellgrauen Leinenrobe gekleidet und um ihre Schultern und Hüfte herum war ein braunrotes Tuch angebracht, das mit einem Ledergürtel zusammengehalten wurde. Daran hingen einige kleine Beutel, ein Messer und eine flache Flasche.

„Ah, du bist wach", sagte sie und Khione schauderte.

Die rauchige Stimme passte nicht zu Pahra, sondern eher zu einer alten Hexe, die zu viel von ihren Kräutern genommen hatte. Oder einem Mann, der regelmäßig Tabak rauchte. Damit hatte Khione ausreichend Erfahrungen in ihrem Heimatdorf gemacht. Dennoch war sie erleichtert, dass zumindest Pahra ihre Sprache verstand.

„Sabah, geh und hol Makhah", befahl sie in einem gebieterischen Ton.

Die andere Frau nickte und mit einem kleinen Lächeln in Khiones Richtung verschwand sie.

Diese zog leicht ihre Schultern nach oben, als Pahra auf sie zukam und im Gehen durch ihr kinnlanges, vom Alter gezeichnetes Haar fuhr, das strohig und klamm wirkte.

Sobald sie Khiones Platz erreichte, ließ sie sich mit einem Ächzen auf ihren Knien nieder. „Wie geht es dir, Kind?", erkundigte sie sich.

Ein würziger Krautgeruch wehte zu Khione hinüber und brachte sie zum Naserümpfen. Die Frau war ihr nicht geheuer und schien tatsächlich eine Hexe zu sein. „Wo bin ich hier? Bitte, ich muss weg!", flüsterte sie hastig.

Abwehrend hob Pahra ihre Hände. „Erst musst du dich erholen", sagte sie in einem strengen Ton, aber um ihre Mundwinkel herum zuckte es. „Makhah wird dich nicht gehen lassen, bis du vollständig genesen bist."

Fragend neigte Khione ihren Kopf zur Seite. „Wer ist dieser ... Makhah?", fragte sie, wobei sie versuchte, wie Pahra den Namen auszusprechen. Ihr Versuch misslang aufgrund des fremdländischen Akzents.

„Unser Oberhaupt. Er wird gleich kommen. Nun aber sag mir, wie es dir geht", verlangte die ältere Frau genauso energisch, wie sie mit der anderen gesprochen hatte.

„Ich ...", murmelte Khione und senkte den Blick. In ihrem Kopf ratterte es wie in einer Mühle. Sie hoffte, durch eine kleine Notlüge freigelassen zu werden. Wer wusste schon, wann die Entführer ihren Aufenthaltsort fanden und die Menschen hier angriffen? Das konnte sie nicht verantworten. „Mir geht es gut", behauptete sie überzeugt, obwohl das Gegenteil der Fall war.

Araki - Krieger des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt