Kapitel 23

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Sanft brachte Makhah Denali zum Stehen und ließ seinen Blick über Pah Koha wandern. Sein Zuhause lag teilweise unter einem Dunstschleier, der die Umgebung trüb und trostlos wirken ließ. Dadurch sahen die Burgmauern noch dunkler aus als sonst. Selbst die Bergspitzen waren durch die bleigrauen, schweren Wolken nicht mehr zu erkennen. Sie hingen tief, fast schon bedrohlich, und sorgten seit Tagen für heftige Regenfälle, die Makhah Sorgen bereiteten. Die Felder rund um Pah Koha waren deshalb schlammig und die Bergpassagen gefährlich. Ein kleiner Fehltritt reichte aus, eine Schlammlawine in Gang zu setzen.

Bereits seit dem Morgengrauen war Makhah mit seinem Berater zu Pferd unterwegs. Gemeinsam kontrollierten sie den Fluss, dessen Pegel durch den Regen beträchtlich gestiegen war. Sobald er über das Ufer träte, stellte er nicht nur eine Gefahr für die Ernte, sondern auch für die Khemahs dar. Das wäre kurz vor dem Aufbruch und dem kommenden Winter ein Rückschlag. Daher bat Makhah in Gedanken bei Göttin Inara um Schutz.

„Ist das nicht Khione?", fragte Tehew plötzlich.

Mit einem Ruck kehrte das Oberhaupt ins Hier und Jetzt zurück und folgte dem Fingerzeig seines Beraters. Tatsächlich, Khione übte mit Asku auf dem Burghof das Bogenschießen. Trotz des Regens hielt sie ihre Übungszeiten ein und verbesserte sich deutlich. Die junge Frau verkroch sich nicht hinter den Mauern der Burg, sobald das Wetter miserabel wurde. Ganz im Gegenteil. Oft beobachtete Makhah, wie sie sich abends oder früh am Morgen hinausschlich, nur um im Regen zu stehen. Scheinbar genoss sie es, sich von Wassertropfen berieseln zu lassen. Manchmal schloss sie sogar die Augen und bewegte sich minutenlang nicht. Anfangs war er davon ausgegangen, dass sie absichtlich krank werden wollte, doch bisher trotzte sie dem Wetter. Vielleicht lag es auch an Pahras Kräutertee, der ihr Immunsystem stärkte, oder sie war einfach zäh. Das imponierte Makhah heimlich. Er hatte sie definitiv falsch eingeschätzt.

Khiones vergnügtes Lachen drang an seine Ohren und unterbrach seine Gedanken. Blinzelnd beobachtete er, wie seine Frau mit seinem besten Freund herumalberte und ihm sogar in die Brust boxte, als er etwas sagte und ihr seinen Bogen überreichte. Die Stirn runzelnd, verfolgte Makhah, wie sie sich mit der Sehne abkämpfte und sich Asku genau wie er vor einigen Tagen hinter sie stellte. Mit seiner Hilfe dehnte Khione sie weit genug, aber sobald er losließ, flutschte sie ihr aus den Fingern. Kein Wunder, denn seine war weitaus stärker und brauchte viel mehr Kraft, um zurückgezogen zu werden. Ihr Pfeil traf zwar nicht die Mitte der Scheibe, doch er war nahe dran. Ein klitzekleiner Keim an Eifersucht stach ihm ins Herz, als sich deswegen ein Strahlen in ihr Gesicht zauberte. Übermütig jubelte Khione und umarmte Asku stürmisch, der ihr daraufhin lächelnd durch die Haare wuschelte.

„Sie scheinen sich gut zu verstehen", bemerkte Tehew, wobei er nachdenklich klang.

„Das sehe ich", brummte Makhah. Askus Geste hatte etwas Vertrautes an sich, das ihn sehnsüchtig werden ließ. Ahyoka ... Selbst mit ihr war sein bester Freund so umgegangen. Es war normal, dass zwischen einigen Arakis eine enge, tiefe Verbindung ohne Liebe herrschte. Das war kein Grund zur Eifersucht, doch es wurmte Makhah, wie offen und ungezwungen seine Frau mit Asku umging. Zwar hatte es sich im Laufe der Zeit gebessert, aber sie blieb dem Oberhaupt gegenüber trotzdem zurückhaltend. Selten lachte sie in seiner Gegenwart oder alberte mit ihm herum. Dabei wirkte Khione lange nicht mehr so abweisend. Sollte er von sich aus damit anfangen, um ihr zu zeigen, dass er als Shiharu nicht nur streng war, sondern auch Späße machen konnte?

„Mit Kagaiye versteht sie sich ebenso. Ich habe gestern gesehen, wie er ihr nach dem Unterricht die ersten Handgriffe im Schmieden gezeigt hat", fuhr Tehew fort. „Seitdem sie Bogenschießen lernt, ist sie oft bei ihm."

Makhah furchte seine Stirn und presste die Lippen zusammen. Das hatte er schon am Vorabend beim Schmied mitbekommen. Wenn er ihr Lehrer war, fragte sie ihn voller Wissbegier über die Waffenarten und ihre Merkmale aus, die er sie das nächste Mal abfragte. Sie schien bei ihm genauso offen zu sein wie bei Asku. Beim Üben ließ er sie immer verschiedene Bögen ausprobieren, und sie wählte einen, dem sie sich gewachsen fühlte. Es war ein wichtiger Vorgang, um ihr später einen herzustellen, der zu ihr und ihren Fähigkeiten passte.

Araki - Krieger des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt