Stirnrunzelnd beobachtete Khione Makhah, wie er zum wiederholten Male in seine Tasche griff und etwas Weißes herausholte, das er anschließend in den Mund nahm. Seit der Ankunft der Arakis aus dem hohen Norden hatte sie ihn nicht mehr gesehen, doch sie sah ihm deutlich seinen Zorn an. Er wirkte verbissener mit seinen zu schmalen Strichen verzogenen Lippen und seine dunklen Augen, die im Feuerschein fast schon wie Kohle aussahen, waren starr auf einen Punkt gerichtet. Leicht lehnte sich Khione zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. Durch die Nähe roch sie seine Süße, die ihr mittlerweile bekannt war. Dennoch meldete sich ihr Magen auf eine unangenehme Art.
„Makhah, was ist los?", wisperte sie und versuchte, einen Blickkontakt mit ihm herzustellen. Alles, was sie bekam, war lediglich ein Schnauben als Antwort. Daher ließ sie nicht locker und nickte zu den Arakis, die sich in der Empfangshalle eingefunden hatten. Wie immer war er ein Versammlungsraum, sobald es etwas Wichtiges zu besprechen galt, das alle betraf.
In den vordersten Reihen saßen die Besucher mit Drystan und Ylva auf dem Boden. Sorin war aufgrund seiner Verletzungen nicht in der Lage, an der Versammlung teilzunehmen. Gemeinsam mit Sabah war er im Krankenflügel und wurde von Pahra versorgt. Während der Untersuchung hatte sich Khione mit ihnen unterhalten und erfahren, dass der Sturm vor allem Sorin gegen die Klippen geworfen hatte. Zwar trugen sie ebenfalls Blessuren und Narben davon, aber er wäre fast ertrunken, weil er das Schwimmen nicht gelernt hatte. So hatten die Wellen ein leichtes Spiel mit ihm gehabt. Das hatte Spuren an Sorin hinterlassen, die nicht zu unterschätzen waren: Er fürchtete sich vor Wasser und schaffte es nicht mehr, sich zu waschen. Weder in einem Fluss noch in einem See. Das tat Khione unendlich leid. Es war sicher schwierig, sich mit der Angst zu reinigen.
Bei der gründlichen Begutachtung hatte Pahra festgestellt, dass seine Wunden nicht lebensgefährlich waren, er jedoch Zeit brauchte, bis er wieder gesund war. Das erleichterte Khione, doch die Tatsache, dass sie ihn für immer beeinträchtigen würden, stimmte sie traurig. Er war noch jung und hatte sein ganzes Leben vor sich ... Inständig hoffte sie, dass Makhah die Sheikahs nicht fortschickte. Hier wären sie in Sicherheit und hätten die Möglichkeit, ihm zu beweisen, dass nicht alle gleich waren.
Eine Bewegung von Makhah reichte aus, ihre Aufmerksamkeit wieder zu ihm zu lenken. Im letzten Moment sah sie, wie er sich ein weißes Blütenblatt auf die Zunge legte und tief durchatmete. Waren das etwa ... Aislingblüten?
Khiones Augen weiteten sich und sie starrte ihn ungläubig an. Wie lange nahm er sie schon? Hatte Pahra nicht davon gesprochen, dass sie bei zu hohem Konsum zur Abhängigkeit führten? War er sich dessen überhaupt bewusst? War das sogar der Grund für seine Veränderung?
Khione setzte zum Sprechen an, doch in dem Augenblick begann Makhah die Versammlung mit einem Räuspern. Daraufhin wurde es in der Empfangshalle mucksmäuschenstill und alle starrten zum Thron.
„Ich habe über die drei Sheikahs nachgedacht und bleibe bei meiner Entscheidung. Sie haben in unserem Gebiet nichts verloren. Wir werden sie nicht bei uns aufnehmen und sie werden – sobald es Sorin besser geht – zur Steppe gebracht. Eine Kontrollgruppe wird dortbleiben, damit sie nicht in die Aevaria Berge zurückkehren. Hiermit ist die Besprechung beendet", sagte Makhah kühl.
Ein Raunen ging durch die Arakis und Khione schnappte nach Luft, als sich diese erhoben und einige mit hängenden Schultern die Halle verließen. Ihr entging nicht, wie vor allem Drystan, Ylva und Yakari enttäuscht waren.
Eilig hielt Khione Makhah davon ab, sich zu erheben. Mit funkelnden Augen sah sie ihn an und schluckte angesichts der Härte in seinem Gesicht. Jeder Muskel war zum Zerreißen gespannt und sie bemerkte, wie er mit den Zähnen knirschte. „Was soll das? Ich dachte, als Shihara habe ich auch etwas zu sagen!", flüsterte sie ungläubig. Warum hatte er allein entschieden?
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Araki - Krieger des Nordens
Roman d'amourAraki - die barbarische Rasse im Norden der Welt Azura. Ausgerechnet von ihnen wird die junge Khione auf ihrer Flucht vor den Entführern mit einem Pfeil abgeschossen. Schnell wird ihr klar, wie unerwünscht und gehasst sie im Araki-Clan von Shiharu M...