Kapitel 39

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Mit einer sanften Geste brachte Khione ihre Stute zum Stehen. Mit den Augen verfolgte sie Arranoa, die mit einem Kreischen ins Tal flog. Beim Anblick auf das idyllisch liegende Pah Koha beschleunigte sich Khiones Puls und sie fing zu lächeln an. Wie sehr hatte sie es vermisst ...

In ihr herrschte ein unendliches Glücksgefühl von Harmonie und Ruhe, das sich kribbelnd bis in ihre Zehenspitzen ausbreitete und ihre Kopfhaut prickeln ließ. Doch da war noch etwas anderes, das ihr Herz schneller klopfen ließ: Makhah, der stolz auf seinem Hengst saß, die Augen geschlossen hielt und den Moment mit all seinen Sinnen genoss. Er sah so friedlich und glücklich aus.

Eine Windbrise erfasste Khiones schulterlanges Haar und wirbelte es ihr ins Gesicht, bis sie ihm Einhalt gebot und es mit der Hand festhielt. Tief atmete sie die von der Sonne erwärmte Luft ein und sah auf das in Felle gewickelte Kind hinab, das sich an sie kuschelte. Zärtlich streichelte sie dessen samtweiche Wange. Das dunkle Haar und die bronzefarbene Haut waren wie die ihres Vaters, die meeresblauen Augen hatte es jedoch von ihr.

Es sah zu Makhah, der neben Khione auf Denali saß und quietschte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Damit hatte es Erfolg. Er öffnete seine Augen und drängte seinen Hengst dicht zu ihr, bis sich ihre Oberschenkel berührten. Daraufhin schnaubte Sakari leise, als wäre sie zufrieden. Genau wie Khione fuhr er sanft über die Wange des Kindes, das mit einem Strahlen nach seinem Finger grabschte, um daran zu nuckeln.

Makhah hob den Blick und sah Khione so liebevoll an, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.

„Willkommen zuhause, Khione und Aiana", flüsterte er, ehe das Bild langsam verblasste und alles in einen Nebel gehüllt wurde.

Makhahs sanfte Stimme echote wie ein Windhauch in Khiones Kopf, die das friedliche Gefühl in der Brust verstärkte. Mit der Zeit wurde sie jedoch schwächer, bis sie letztlich komplett verebbte. Die plötzliche Stille um Khione herum war nicht bedrückend, sondern erstaunlich angenehm und ... warm. Wie war das möglich? Eine Ruhe konnte sich nicht warm anfühlen! Oder war es rein das Gefühl, das die Bilder und die Stimme hinterlassen hatten?

Plötzlich hörte Khione ein dunkles Murmeln und sie drehte sich ruckartig um. Es kam von überall her und obwohl sie angestrengt lauschte, blieb es undeutlich. Mit jedem Atemzug klang sie weiter entfernt und ließ dem Geräusch des Herzschlages Platz.

Ein Kribbeln auf ihrer Haut weckte Khione auf, ausgelöst von einer sanften Berührung. Sie war müde und ihr Kopf in Watte gehüllt, doch als sie Makhahs Stimme erkannte, zuckte sie zusammen und versteifte sich augenblicklich.

„Khione?", fragte er heiser. „B-Bist du wach? Bitte, gib ein Zeichen von dir, dass du mich wahrnimmst", bat er tränenerstickt.

Sein Stottern irritierte. Sie versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Bitte lass es ihn nicht merken!, flehte sie in Gedanken. Ihre Hand wurde angehoben und der unerwartete Kuss darauf ließ sie diese ruckartig zurückziehen. Damit hatte sie nicht gerechnet und sie ärgerte sich, dass dadurch ihre Tarnung aufgeflogen war.

„K-Khione?"

Da ihr nichts anderes übrigblieb, öffnete sie langsam die Augen und starrte zur Decke, die ihr fremd war. Wo war sie? In ihrem Augenwinkel erkannte sie eine Bewegung, die ihren Pulsschlag schlagartig in die Höhe trieb.

„Bei Göttin Inara!", rief Makhah und sprang auf. Eilig setzte er sich auf die Bettkante, wobei er wieder ihre Hand nahm. Mit zitternden Lippen hauchte er einen Kuss darauf und legte sie an seine Wange. „Du bist endlich wach ..."

Sofort rutschte Khione ein Stück von ihm weg und wagte einen Fluchtversuch, den er vereitelte, indem er ihre Hand weiterhin sachte festhielt. Nicht zu fest, aber deutlich spürbar. Zudem fehlte ihr die Kraft, aufzubegehren.

Araki - Krieger des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt