„Liam? Fühlen Sie sich dazu bereit, sie in Therapie zu setzten?"
Ich konnte nicht fassen, welche Verantwortung Dr. Williams mir übertragen wollte. Sie wollte tatsächlich, dass ich das Mädchen therapiere. Ich stimmte sofort zu, wobei ich vermutlich ein Riesenlächeln im Gesicht hatte.
Jeder Tag verlief gleich. Ich machte mich im Knast fertig, wurde von den Bullen zur Klinik gefahren und verbrachte dort meine Zeit, bis mich die Bullen wieder abholten. Es machte mir unheimlich viel Spaß, mit dem Mädchen zu arbeiten und immer wieder neue Methoden auszuprobieren, damit ich etwas aus ihr herausbekam. Ich versuchte es damit, auf sie einzureden und sie zum schreiben zu bringen. Dazu hatte ich mir ein Blatt aus dem Kopierer von Dr. Williams genommen und einen Kuli, den sie in einem Becher aufbewahrte und setzte mich damit vor das Mädchen. Mit der Zeit hatte sie zugenommen und sogar ein wenig Farbe im Gesicht und auf den Lippen bekommen. Ich stellte ihr Fragen über die Zeit vor defr Klinik und schob ihr Stift und Papier hin. Auch wenn es schien, als würde sie überlegen, mir etwas zu erzählen, schwieg sie. Lediglich das Papier starrte sie an. Langsam verlor ich die Hoffnung, diese Nuss zu knacken, so sehr ich es mir auch wünschte.
Während der Mittagspause war Dr. Williams bei ihr und ich saß in der Kantine und aß Nudeln und Fleisch. Meine Gedanken huschten zu Niall, so wie immer, wenn ich nicht bei dem Mädchen war. Wir hatten nicht oft Zeit gefunden, miteinander zu telefonieren und ich hatte es ihm ausgeredet, mich im Knast zu besuchen, da ich mittlerweile auch nicht mehr so gut aussah. Meine Haut war ganz blass geworden, weil ich kaum an der Sonne war und meine Muskeln bildeten sich langsam zurück. Sobald ich hier wieder weg war, würde ich wieder ins Fitnessstudio gehen und mich wieder auf Vordermann bringen. Wenn ich hier wieder weg war ... Es versetze mir einen leichten Stich im Herzen, an den Abschied zu denken, da mir das Mädchen sehr ans Herz gewachsen war, vielleicht zu sehr, als ich es mir erlauben dürfte.
Nachdem ich aufgegessen hatte, blieben mir noch ein paar Minuten, in denen ich beschloss, Niall anzurufen. Dr. Williams hatte mir ihr Telefon zur Verfügung gestellt, da sie in mir mittlerweile auch einen zweiten Jesus sah. Also ging ich zu ihrem Büro, setzte mich an den Schreibtischstuhl und tippte Nialls Nummer ins Telefon ein. Es tutete vier Mal, bis er abhob.
„Hallo?"
„Hey Ni, alles frisch?"
„Payno!" Er lachte, was mich auch zum Lachen brachte. „Heute Nachmittag ist es soweit." Was? Heute schon? Ich hatte komplett die Zeit vergessen. Es konnte, nein durfte noch nicht vorbei sein! Ich habe so viel erreicht, aber so vieles noch nicht. Ich konnte nicht einfach mittendrin aufhören.
„Payno?", hörte ich Niall sagen. Ich war wohl zu lange in meinen Gedanken versunken.
„Ja? Sorry. Ich dachte ... es wäre noch nicht so weit", teilte ich meine Gedanken mit ihm.
„Tja, was will man machen? Aber weißt du was? Ich geb heute mal einen aus. Zur Feier des Tages!" Nialls Euphorie überraschte mich keineswegs, ich freute mich ja genauso auf ihn, aber das Mädchen ...
„Kommst du mich abholen?", fragte ich ihn, während ich an einem Stapel Blätter spielte, die Dr. Williams mitten auf dem Tisch gelegt hatte.
„Klar, Alter! Wofür hat man denn beste Kumpels?" Schon wieder ist sein Lachen ansteckend. Dann verabschiede ich mich von ihm, lege auf und gehe zurück zu Dr. Williams, um ihr zu sagen, dass ich morgen nicht mehr wieder kommen werde.
„Du kommst nicht mehr wieder? Nie wieder?", fragte sie, Trauer lag in ihrem Unterton. Wir stehen in dem kleinen Raum von dem Mädchen, sie selbst sitzt am Tisch und isst eine Kleinigkeit.
„Ja, leider. Meine Sozialstunden sind heute fertig", sage ich und blicke zu dem Mädchen. „Es tut mir leid." Dr. Williams nickt verständnisvoll.
„Dann tun Sie ein letztes Mal ihr Bestes." Sie verlässt den Raum und lässt mich mit ihr alleine. Mit aller Macht versuche ich, vielleicht doch etwas aus ihr herauszubekommen, doch ich bekomme keinen Erfolg. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, als die Tür aufgeht und Dr. Williams mir sagt, dass jemand nach mir gefragt hat.
„Darf sie mit nach draußen?", fragte ich Dr. Williams, weil ich aus irgendeinem Grund wollte, dass Niall sie auch kennen lernt. Widerwillig nickt Dr. Williams und nimmt das Mädchen an die Hand. Zu dritt gehen wir auf den Vorhof, wo ein Polizeiauto stand und Nialls Wagen. Als Niall mich sah, sprang er aus dem Wagen und umarmte mich feste und Brüderlich.
„Fuck, hab ich dich vermisst, Alter", sagte er und schaute mich an. Ich hatte ihn auch vermisst. Die Bullen füllten noch irgendwelche Papiere aus und dann war ich offiziell wieder ein freier Mensch. Bevor ich jedoch in Nialls Wagen einstieg, ging ich zu Dr. Williams und dem Mädchen. Wir gaben uns die Hand und sie bedankte sich bei mir, für den Versuch. Dann stellte ich mich vor das Mädchen, musterte sie und wagte es, ihr eine Strähne hinters Ohr zu streichen. Zu meinem Erstaunen, hielt sie still. Ich lächelte sie an, sie schaute nur in meine Augen.
„Machs gut, kleine", sagte ich. „Vertrau dich jemandem an. Danach wird es dir besser gehen." Dann drehte ich mich um und ging zu Nialls Wagen. Plötzlich spürte ich dünne Finger um mein Handgelenk, was mich zum stehen brachte. Als ich mich umdrehte, sah mich das Mädchen flehend an. Ich konnte sie nicht einfach im Stich lassen. Ich musste zu Ende bringen, was ich angefangen hatte.
***
wow. 4K Menschen *-* Ihr seid die besten *o* ♥
ich hoffe, euch hat dieses (etwas kurze) Kapitel gefallen :)
Neverland3r xoxo
P.S. Es ist so warm ._. ich gehe ein :(
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Mute [*Abgeschlossen*]
Genç Kurgu»Und man weiß nicht, was mit ihr ist?« »Sie spricht nicht.« © Neverland3r 2014