Der Tag schien gar nicht mehr enden zu wollen. Doch nachdem ich endlich entlassen wurde, konnte ich aufatmen. Im Keller zog ich den Overall aus und meine Sachen wieder an. Ich hatte den Overall gefaltet und auf den Stuhl gelegt, der in dem Raum stand. Nach einem letzten prüfenden Blick, ob ich alles hatte, ging ich die Treppe empor, wo mich ein Polizist bereits erwartete. Zum Glück legte er mir keine Handschellen um. Stattdessen packte er mich fest am Oberarm und nahm mich mit nach draußen. Dort setzte er mich in den Streifenwagen und fuhr auf die Wache, wo er mich in eine neue Zelle brachte. Diese hatte ich ganz für mich alleine. Nachdem er die Zelle abgeschlossen hatte, legte ich mich auf das nicht grade bequeme Bett und schloss die Augen. Morgen würde ich mit Sicherheit Muskelkater haben.
Das Abendessen hatte ich verpasst, doch umso mehr freute ich mich aufs Frühstück. Ich wurde von zwei Wachen in die Kantine gebracht, wo schon einige Häftlinge saßen. Ich war überrascht über die Auswahl an Speisen. Es war fast alles da, von Weißbrot bis Müsli. Das Besteck bestand aus Plastik, ähnlich wie die, die man an manchen Frittenbuden bekam. Aber vermutlich gab es kein richtiges Besteck, damit die Verletzungsgefahr nicht so groß war. Und damit meinte ich die, der Wachmänner.
Ich nahm mir ein Tablett und einen Teller, der ebenfalls aus Plastik war. Ich nahm mir ein Körnerbrot, Butter und Wurst. Danach machte ich einen Stop bei den Getränken und entschied mich für Wasser. Viel mehr Auswahl gab es nicht. Danach suchte ich mir einen Platz und fand schließlich einen in einer Ecke. Während ich aß, setzte sich ein Junge, etwas älter als ich, zu mir und aß sein Frühstück. Ich schaute ihn kurz an, wandte jedoch meinen Blick schnell wieder ab und aß in Stille weiter. Ich war grade fertig, als ein Wachmann zu mir kam und mich aufforderte, mitzukommen. Ich nickte, stand auf und brachte mein Tablett weg. Danach folgte ich dem Mann, der mich zu einem Auto brachte. Tag zwei in der Anstalt, yeah.
Wie am Vortag, ging ich in den Keller und zog mir diesen Overall an. Dann ging ich zu meiner Chefin und holte mir die Putzutensilien. Ich wollte grade wieder zu den Toiletten gehen, als mich meine Chefin aufhielt. Irgendwie war ich ihr Dankbar, nicht die Pisse von anderen wegmachen zu müssen. Doch als sie mir sagte, ich solle ein Zimmer reinigen, war ich mir nicht sicher, ob ich nicht doch lieber Klos putzen wollte. Meine Chefin sagte mir eine Zimmernummer, bei der ich anfangen sollte und schon machte ich mich auf den Weg dorthin. Dieses Mal musste ich keinen nach dem Weg fragen. Als ich bei der Zimmernummer ankam, öffnete ich die Tür und schloss sie sofort hinter mir, als ich sah, dass ein Junge im Inneren war. Ich beobachtete ihn, wie er wie ein verrückter durchs Zimmer hüpfte. Warum wundert es mich bei einer Irrenanstalt nicht?
„Links rum... rechts rum.. flasch... richtig.. ja .. nein" Mit wem redete der Junge? Ich trat auf ihn zu, doch er schien keinerlei Notitz von mir zu nehmen.
„Nein. So doch nicht. Links. LINKS!" Er war stehen geblieben und schaute sich wie wild um.
„Hey, Kleiner, alles okay?" Der Blick des Jungen heftete sich an meinen und er verstummte. Ängstlich wich er einige Schritte zurück, bis er an die Wand knallte.
„Ich tu dich nichts, versprochen. Ich muss hier nur sauber machen." Ich lächelte den Jungen an und machte mich dran, den Boden zu wischen. Na toll, Pisse. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Junge auf mich zukam. Ich hielt inne und schaute ihn an.
„Was machst du da?", wollte er wissen, woraufhin ich ihm seine Frage beantwortete. Er wollte auch mal, doch ich lehnte ab. Er nickte bloß und begann, mir von seinem Goldfisch zu erzählen, von dem Tag an, wo er ihn gekauft hatte, bis zu seinem Tod. Ich hörte ihm zu. Danach erzählte ich ihm von meinem Hund, den ich als kleiner Junge hatte, jedoch weggeben musste, weil wir umgezogen waren. Jetzt hörte er zu, saß ganz still auf dem kleinen Stuhl und schaute mich an. Ich hörte, wie mitten in meiner Erzählung die Tür aufging und eine junge Frau eintrat.
„Ich muss doch wohl sehr bitten, Sie...", weiter kam sie nicht, denn ihr Blick wanderte von mir zu dem Jungen, den sie dann fasziniert anschaute.
„Wie haben Sie das gemacht?", wollte sie wissen. Ich lehnte den Wischmopp gegen die Wand und sah sie an. Auch der Junge schaute zu ihr.
„Ich hab einfach mit ihm geredet", erklärte ich ihr, worauf sie mich ungläubig anstarrte.
„Ich versuche seit fast sechs Monaten ihn dazu zu bringen, still zu sitzen und aufmerksam zu sein", sagte sie leise. Das entlockte mir ein heimliches Grinsen. Die Frau murmelte etwas zu sich und verschwand dann aus dem Raum. Ich schaute ihr etwas irritiert hinterher.
„Bleibst du jetzt bei mir?", fragte der Junge.
„Ich .. hab keine Ahnung, Kleiner", sagte ich und setzte mich zu ihm. Sofort kletterte der Junge von seinem Stuhl und setzte sich neben mich, in die gleiche Position, wie ich. Ich wuschelte durch seine dunklen Locken, woraufhin er kicherte. Die Frau kam mit einer anderen zurück, beide starrten mich an.
„Darf ich erfahren, wer Sie sind?", fragte die andere Frau und kam auf mich zu.
„Liam", antwortete ich verwirrt und stand auf. „Eigentlich bin ich hier zum putzen."
„Vergessen Sie das. Sie haben eine Gabe!" Die Frau schaute mich an, als wäre ich Jesus persönlich. „Hätten Sie Interesse, weitere Patienten zu betreuen?" Schnell schrieb ich eine Pro-Kontra-Liste in meinem Kopf und wägte ab, was wohl besser wäre. Nach einigen Sekunden nickte ich.
„Dann müssen Sie das aber der Polizei melden. Das sind meine Sozialstunden, also das Putzen."
„Sofort. Jetzt kommen Sie aber erstmal mit mir, dann kleiden wir Sie entsprechend ein", sagte sie und zog mich mit sich. Der Junge wollte mit, doch die Schwester hinderte ihn daran. Die Frau ging mit mir in eine Art Büro, wo sie mir einen Kittel reichte, der genauso aussah wie ihrer.
„Ziehen Sie sich dort drüben um", sagte sie und deutete auf eine Tür. Ich befolgte ihren Befehl und zog ihn an. In der Waschküche hing ein Spiegel, in den ich schaute, um sicher zu gehen, dass ich ihn richtig anhatte. Ich sah aus, wie ein richtiger Fachmann. Das brachte mich zum Lächeln. Ein Fachmann mit einer angeblichen Gabe.
„Sind Sie fertig?", hörte ich die Frau von der anderen Seite der Tür fragen. Ich atmete tief durch und öffnete dann die Tür.
Ich würde Menschen helfen, denen nicht mehr zu helfen war.
***
Wow. 400 Menschen *-* ich bin grade so happy *o* vielen vielen Dank ❤️
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und ihr lasst mir einen vote da :)Neverland3r xoxo

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Mute [*Abgeschlossen*]
Teen Fiction»Und man weiß nicht, was mit ihr ist?« »Sie spricht nicht.« © Neverland3r 2014